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Innenausschuss beschäftigt sich mit Colditz
Wie berichtet, hoben 225 Beamte von Zoll und Bundespolizei zuletzt mehrere Adressen in und um Colditz aus. Bei den zweitägigen Durchsuchungen stellten sie Drogen, Waffen, Bargeld und zwei Luxusautos sicher. Ralf N. (66) sowie seine Söhne Uwe (35) und Andreas (38) wurden festgenommen, sitzen seitdem in U-Haft.
Inzwischen beschäftigte sich der Innenausschuss des Landtages mit den Geschehnissen: „Wir haben es in Colditz offenbar mit einer verfestigten Struktur von rechtsextremer Clan-Kriminalität zu tun“, sagte Valentin Lippmann (Grüne). Die Verbindung von Rechtsextremisten und organisierter Kriminalität sei ein Punkt, dem man sich entschieden widmen müsse.
Er könne den Eindruck nachvollziehen, „dass hier rechte Strukturen sehr große Freiheiten hatten, weil Behörden nicht in dem Maße gehandelt haben, wie es gut gewesen wäre“, ergänzte SPD-Innenexperte Albrecht Pallas. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass Colditz eine Stadt sei, „die seit einigen Jahren durch rechte Kräfte drangsaliert wird“.
„Mindestens 100 Verfahren“
Von einer dreistelligen Anzahl an Ermittlungsverfahren, die die Polizei gegen die Familie N. und ihr Umfeld angestrebt habe, war nach dem Ausschuss die Rede. „Mindestens 100“ Verfahren seien es gewesen, sowohl Drogen- als auch Staatsschutzdelikte. Den Ausschussmitgliedern werde demnächst eine Liste mit den einzelnen Delikten vorgelegt, hieß es.
Auch die Polizei habe in Colditz „umfangreich ermittelt“, betonte Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa. Ein solcher Erfolg, wie ihn jetzt der Zoll erzielt habe, „war uns bisher nicht gelungen“. Von einem Misstrauen gegenüber der sächsischen Polizei, die bei der Razzia kaum beteiligt war, könne keine Rede sein, so Kubiessa: Bei Drogendelikten mit Grenzbezug sei der Zoll zuständig.
Er teile die Meinung mancher Colditzer nicht, wonach die drei Beschuldigten irgendwann wieder aus dem Gefängnis entlassen würden und alles wieder von vorn beginne, sagt Hartmut Lehmann: Die permanente, auf breiter Ebene stattgefundene Einschüchterung von Einzelpersonen, Unternehmern, auch Andersdenkenden, müsse jetzt thematisiert werden.
Lehmann ist kein Unbekannter
Er selbst bezeichnet sich als links, so Lehmann. In Colditz ist er längst kein Unbekannter mehr. Als 2015 die ersten – wie er sagt – „Flüchtis“ ankamen, begrüßte er sie mit Gleichgesinnten persönlich. Damit nicht genug: Es wurden Patenschaften für deren Familien organisiert und zur Verfügung stehende Wohnungen aufgemöbelt.
Als sogenannte Montagsspaziergänger in Corona-Zeiten vom Colditzer Markt starteten, mobilisierte der Knapp-Zwei-Meter-Mann prompt zum Gegen-Protest: „Ich wollte die Sieg-Heil-Rufe nicht tatenlos hinnehmen“, sagt Lehmann, der fortan eigene Kundgebungen anmeldete. Motto: „Für Anstand, Abstand und Solidarität.“
Einige Leute folgten dem Aufruf. Sie spielten Federball auf dem Markt. Kinder bastelten im Beisein der Eltern. Es wurden Tische und Stühle aufgestellt – Ziel: ein Marktgespräch. Aus den anfangs politisch aufgeladenen Treffen wurden die um einiges entspannteren Kulturmärkte. Diese wird es auch in diesem Jahr wieder geben.
Lehmann fordert Bekenntnis vom Stadtrat
Er selbst sei da jetzt erstmal raus, sagt Lehmann, der beruflich in einer Biogasanlage angestellt ist. An Wochenenden geht er mit seiner weithin einmaligen „Mitmachschmiede“ auf Touren. Bei Volksfesten sei er landauf landab gut gebucht: „Ich habe fünf Ambosse und alle ab sieben Jahren dürfen hämmern.“
Der Kulturmarkt in Colditz: Im vorigen Jahr gab es bereits vier Auflagen.
Ausgerechnet Lehmann, der an seiner mobilen Schmiede alle davor warnt, sich bloß nicht die Finger zu verbrennen, fasst im wahren Leben die heißen Eisen an. So fordert er vom Stadtrat kein „Rumgeeiere“, wie er es nennt, sondern ein klares Bekenntnis zu den aktuellen Entwicklungen. „Ja, natürlich, wir haben alle Angst.“
Pensionsbetreiber Gorny: Colditz ist mein Schicksal
In der Region geboren und aufgewachsen, will er nicht abwandern wie andere. Ja, er sei kein Waisenknabe, verbrannte einst vor der Schule das FDJ-Hemd, sprühte Parolen gegen den Direktor und verging sich zuletzt an AfD-Plakaten: „180 Euro Strafe für Sachbeschädigung an zwei Kabelbindern musste ich zahlen.“ Er lehne Extremismus genauso ab wie Leute, die radikal seien.
Solange es das dünner werdende Haar erlaube, trage er erhobenen Hauptes seinen Irokesen-Schnitt: „Ich will provozieren. Bin aber immer offen und gesprächsbereit.“ Er träume von einer Stadt ohne Angst, in der man sich mit Respekt begegne – egal wer wie ticke. Dass es geht, habe der Heiligabend im Jugendclub bewiesen: „Als DJ hatte ich dort mit meiner Freundin aufgelegt.“
„eine verfestigte Struktur von rechtsextremer Clan-Kriminalität“? Soso.
Eventuell dadurch, daß eigentlich nie die Polizei zuständig war, sondern immer der Zoll?