Spoiler
Bassum/Twistringen – Reichsbürger fallen derweil nach Polizeiangaben meistens im Rahmen kommunaler Verwaltungstätigkeiten auf, zum Beispiel durch die Abgabe des Personalausweises, dem Zerstören des Führerscheins oder der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises (amtlicher Nachweis der Staatsangehörigkeit, den viele Reisbürger gegenüber Reisepass und Führerschein bevorzugen). Polizeilich seien Personen mit Reichsbürgerideologie in Bassum bisher „nicht signifikant“ in Erscheinung getreten.
Der Inspektionsleiter der Polizei, Thomas Kues, schätzt die Bedrohungslage als abstrakt ein: „Eine Vernetzung des Personenpotenzials, insbesondere in sozialen Netzwerken, ist letztlich nicht auszuschließen. Die Reichsbürger-Szene ist sehr heterogen mit individuell sehr unterschiedlich handelnden Personen.“ In den meisten Fällen gehe es darum, ihre schwer nachvollziehbare Ideologie auszuleben und das deutsche Rechtssystem mit pseudojuristischen Schritten zu belasten.
Laut Bürgermeister Christian Porsch ist das Thema im Rat der Stadt Bassum bisher nicht hochgekommen, jedoch: „Im Rathaus haben wir alle ein bis zwei Monate einen anonymen Brief im Briefkasten, in dem Kopien abgegeben werden, die die Reichsbürgerthesen enthalten.“ Als Beispiel stehe dann als Adressat: „An Herrn Christian Porsch in der Rolle eines Bürgermeisters.“ Der Inhalt sei dann, dass der deutsche Staat nicht anerkannt wird.
Reichsbürger lehnen die staatliche Ordnung ab
„Vor zwei Jahren hatten wir einen Vorfall auf einem Campingplatz“, so Porsch. Dabei habe ein Nutzer eine Fahne, die diesem Bereich zugeordnet wurde, aufgehängt. Nach Rücksprache mit der Polizei sei allerdings deutlich geworden, dass die Fahne nicht eindeutig als verboten einzustufen sei. Daraufhin wurde geraten, den Vorfall nicht weiter zu verfolgen, so der Bürgermeister, um keine Plattform bei rechtlich ungewisser Situation zu geben.
Außerdem habe sich vor ein paar Monaten eine Familie, die auch zugeordnet werden konnte, komplett bei der Stadt Bassum „abgemeldet“, weil sie den Staat nicht anerkennen, erzählt Porsch.
„Die Unterlagen, die wir anonym oder auch mit Namen bekommen, werden an die Rechtsabteilung des Landkreises Diepholz weitergeleitet.“ Rathaus-Mitarbeiter seien per Handreichung informiert, die im täglichen Umgang behilflich sein sollen.
Im Nachbarort Twistringen organisiert Sylvia Holste-Hagen (Grüne) montags Gegendemonstrationen zu den Montagsdemos. Zum Thema Reichsbürger stellte Sylvia Holste-Hagen vor rund vier Jahren eine Anfrage an den Rat in Twistringen. In der Antwort habe es geheißen, dass Personen aus der Szene beim Bürgerservicecenter in Erscheinung treten und diese Leute die Zuständigkeit des Amtes ablehnten. Rathausmitarbeiter seien im Umgang mit dem Klientel geschult worden.
„Die wollen auch die Pressefreiheit einschränken“
Mit Sorge beobachte Holste-Hagen eine Vernetzung der Szene: „Ich sehe, dass die Zusammenarbeiten: Rechte, Reichsbürger, Verschwörungsanhänger. Das wird größer.“
Auch die Zeitungen seien im Visier, warnt die Politikerin: „Die wollen auch die Pressefreiheit einschränken.“
Flaggen haben Symbolkraft und sind nicht immer eindeutig zuzuordnen oder strafrechtlich relevant. Karsten Bödeker, Erster Stadtrat und Chef des Bassumer Ordnungsamts, nimmt Stellung zu verdächtigen Fahnen in der Öffentlichkeit. Bis auf den „Grenzfall“ vor einigen Jahren mit einer Reichskriegsflagge gebe es ansonsten „nahezu keine Fälle“, so Bödeker, der zugleich betont: „Wir wollen den einzelnen Versprengten in der Stadt kein Forum bieten.“