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Helene Fischer & Florian Silbereisen
Titelseite "Echo der Frau": Helene Fischer - UNFASSBAR! Was eine Wahrsagerin über Florian verrät"
Im Dezember 2009 wollte die Redaktion wissen, wie es um die (damals noch sehr frische) Beziehung von Helene Fischer und Florian Silbereisen bestellt sei:
Hat diese Liebe eine Chance? ECHO DER FRAU fragte die Kölner Star-Hellseherin Soraya (43). Und es ist wirklich unfassbar, was die Wahrsagerin über Florian und die Beziehung der beiden verrät!
Denn jetzt lässt Soraya die Bombe platzen: „Die Beziehung von Florian und Helene geht 2010 in die Brüche.“
Tatsächlich ging sie nicht 2010 in die Brüche, sondern hielt noch acht weitere Jahre.
Semino Rossi
Anfang 2010 prophezeite Soraya dem Schlagersänger Semino Rossi: „Sein Leben gerät aus den Fugen!“ Denn er werde „eine heimliche Romanze mit einer anderen Frau“ eingehen, daraufhin werde ihn seine Frau Gabi verlassen.
In Wahrheit blieben Gabi und er noch zehn Jahre zusammen. (Und sind es, nach einer kurzen Beziehungspause vor zwei Jahren, heute immer noch.)
Hansi Hinterseer I
Titelseite "Echo der Frau": "Hansi Hinterseer - Geheimnis gelüftet! - Neues OPA-GLÜCK"
„Hansi Hinterseer wird 2020 zum zweiten Mal Großvater werden“, freut sich Star-Hellseherin Soraya.
Wurde er nicht.
„Eine Hochzeit steht ebenfalls ins Haus“, ist sich Soraya sicher. Hansis älteste Tochter werde Ende des Jahres heiraten.
Hat sie nicht.
Hansi Hinterseer II
Im Februar 2020 wieder Hochzeitsnews im Hause Hinterseer:
Nun zeigt sich: Es soll sich sogar um eine Doppel-Hochzeit handeln! Hansi Hinterseers Töchter sollen angeblich ihren großen Tag gemeinsam feiern!
Da sei sich Soraya „ganz sicher“.
Und wieder lag sie ganz sicher daneben: Es gab keine Doppel-Hochzeit. Beide Töchter sind bis heute unverheiratet.
Hansi Hinterseer III
Titelseite "Echo der Frau": "Hansi Hinterseer - Geheimnis gelüftet! - 2021 wird sein SCHICKSALS-JAHR"
Anfang 2021 prophezeite die Hellseherin, dass Hansi Hinterseer musikalisch „neue Wege einschlagen werde:
„Vielleicht überrascht er seine Fans mit tollen Duetten. Die Sterne deuten eine Zusammenarbeit an.“
Die Duette blieben aus.
Auch Hansis Töchtern sagte Soraya wieder einiges voraus: „In den Sternen seiner Tochter Jessica sehe ich neues Baby-Glück“. Auch „Traum-Hochzeiten sind möglich“.
Es gab kein neues Baby-Glück. Es gab auch keine Traum-Hochzeiten.
Ergebnis
Neun Vorhersagen haben wir gefunden. Neun davon waren falsch.
Vielleicht sollte Funke in Erwägung ziehen, beim nächsten Mal nicht Soraya zu befragen, sondern Oktopus Paul. Der ist zwar schon tot, viel schlechter wäre seine Quote aber sicher trotzdem nicht.
Dass Soraya immer wieder spektakulär danebenliegt, hält die Funke-Mediengruppe jedenfalls nicht davon ab, sie auch heute noch immer wieder als Quelle heranzuziehen und ihre falschen Vorhersagen als echte Nachrichten zu verkaufen.
Und die Zusammenarbeit zwischen dem Verlag und der Unwahrsagerin geht noch viel weiter.
"Star-Hellseherin Soraya" hält ihre "magischen Karten" in der Hand, neben ihr schwebt das Logo der Funke-Mediengruppe
Foto: Echo der Frau, Montage: Übermedien
„Rufen Sie an!“
Denn Funke veranstaltet in „Echo der Frau“ immer wieder große Telefonaktionen, bei denen sich die Leser:innen ihre Zukunft von Soraya vorhersagen lassen können:
Bei der großen ECHO DER FRAU-Telefonaktion blickt das Medium in Ihre persönlichen Sterne und in magische Karten. Sie möchten wissen, ob das Glück an Ihre Tür klopft oder Liebes-Gott Armor Ihr Herz höherschlagen lässt? Meint es das Schicksal gut mit Ihnen? Soraya kann in Ihre Zukunft sehen und sie Ihnen voraussagen.
Dafür müssen die Leser:innen bei Soraya anrufen. Das ist zwar kostenlos, allerdings nur für einen Zeitraum von ein paar Stunden. Ruft man davor oder danach an, muss man zahlen. Und wie „Echo der Frau“ erklärt, ist die Telefonleitung im Kostenlos-Zeitraum „oft belegt“. Darum weist die Redaktion freundlich darauf hin, dass man auch „sehr gerne“ die kostenpflichtige Nummer anrufen kann:
Wenn Sie die Star-Hellseherin Soraya schon vor oder nach der Telefonaktion kontaktieren möchten, können Sie dies sehr gerne tun. Sie ist unter der Mobilnummer 0172-2734422 (dann kostenpflichtig!) erreichbar.
Der Deal ist also offenbar: Soraya liefert dem Verlag große Schlagzeilen, der wiederum bewirbt ihre „hellseherischen Fähigkeiten“ und bewegt die Leser:innen dazu, ihre kostenpflichtigen Dienste in Anspruch zu nehmen.
So läuft es seit mehr als 20 Jahren.
Schon im Jahr 2000 rief das Blatt dazu auf, bei der „charmanten Hellseherin“ anzurufen:
Haben auch Sie Fragen auf dem Herzen? Dann trauen Sie sich einfach, Soraya anzurufen. Sie werden staunen, wie gut Soraya ihr Schicksal kennt.
Sie stelle ihre „geheimnisvolle Kraft“ gerne zur Verfügung – allerdings mit einer kleinen Einschränkung:
In Sachen Glücksspiel, Lottozahlen zum Beispiel, versagt jedoch ihre „Kunst“. „Sonst wäre ich selbst schon lange Millionärin“, lacht die Mutter zweier Söhne. „Aber davon kann keine Rede sein…“ Also, liebe Leserinnen und Leser, stellen Sie selbst Sorayas Können auf die Probe. Rufen Sie an!
… und helfen Sie ihr, auch ohne Lottozahlen Millionärin zu werden!
Sucht nach Prognosen
Nun könnte man sagen: Naja, halb so wild. Die Leute rufen da an, kriegen eine vage formulierte Glücksprognose, dann sind sie happy, Soraya ein bisschen reicher – Win-Win!
Ganz so einfach ist es aber nicht. Das erste Problem: Sorayas „Vorhersagen“ sind mitunter sehr konkret. 2009 zum Beispiel beriet sie eine Leserin zum Thema Kindesunterhalt:
So fragte Heike B. (34): „Mein Ex-Mann zahlt keinen Kindesunterhalt.“ Soraya konnte die Mutter beruhigen. Im Laufe des Jahres wird er ein Einsehen haben und das Geld überweisen.
Oder:
Zu Tränen rührte [Soraya] die Sorgen einer Großmutter. Ihr 18-jähriger Enkelsohn verschwand vor drei Jahren. Bis heute gibt es kein Lebenszeichen von ihm. Auch hier hatte Soraya positive Nachrichten. Dem Jungen geht es gut, er wird sich 2010 melden.
Was, wenn die Betroffenen so etwas glauben und daraus Konsequenzen ziehen? Etwa die Suchaktionen nach einem vermissten Kind einstellen, weil Soraya ihnen ja garantiert hat, dass es bald wieder auftauchen wird?
Da zeigt sich auch das nächste Problem: Angelockt und ausgenutzt werden vor allem Leute in emotionalen Notlagen; zutiefst verzweifelte Menschen, die glauben, dass ihnen Sorayas „Fähigkeiten“ tatsächlich helfen können.
Nicht selten entwickeln Menschen in derartigen Situationen eine regelrechte Sucht nach solchen Prognosen. Viele häufen sogar Schulden an, weil sie die „Hellseherin“ immer und immer wieder anrufen (hier berichtet zum Beispiel eine Frau, wie sie innerhalb von eineinhalb Jahren 10.000 Euro dafür ausgegeben hat). Suchtexperten warnen schon seit vielen Jahren davor; das Problem liege vor allem darin, dass die Anrufer gezielt so beraten würden, dass sie immer wieder zum Hörer greifen.
„Eine gute Entertainerin“
Warum unterstützt die Funke-Mediengruppe so etwas? Warum kooperiert sie seit 20 Jahren mit einer „Hellseherin“, die überhaupt nicht „hellsehen“ kann?
Wir haben dem Verlag eine Reihe von Fragen geschickt. Wir wollten wissen, warum er Soraya trotz ihrer miserablen Bilanz immer wieder als Quelle heranzieht und ihre „Fähigkeiten“ bewirbt, warum er ihre Prognosen als Tatsachen formuliert, ob für Julia Becker das Befragen einer „Hellseherin“ als „gründliche Recherche“ zählt und ob es bei den Telefonaktionen irgendeine finanzielle Abmachung zwischen Funke und Soraya gibt.
Funke-Sprecher Tobias Korenke schickte uns nach mehrmaliger Nachfrage zwar eine Antwort, ging aber auf keine unserer Fragen ein. Stattdessen schrieb er:
Weil Ihr Urteil wahrscheinlich schon steht, lassen Sie mich doch wenigstens eine heitere Note hinzufügen. Offensichtlich halten Sie Soraya für eine zutiefst seriöse Quelle, wenn Sie sich die Mühe machen, ihre Vorhersagen gewissenhaft auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Für uns ist sie eher eine Person, die unterhält und für die sich viele Menschen interessieren. Ihre Aussagen mögen nicht immer zutreffen, aber sie sind anregend, unterhaltsam und schaden niemandem (anders übrigens als politisch manipulative Fake News). Wie Sie wissen, haben wir eine ganze Reihe von Hellseherinnen, Wahrsagerinnen und Astrologinnen am Start. Insofern wird Ihre Fokussierung auf Soraya dem breiten Spektrum nicht gerecht. Zugegeben, die Erfolgsbilanz von Soraya ist durchwachsen. Ihre schillernde Persönlichkeit und ihre Deutungen der Zukunft sind allerdings immer für die eine oder andere Geschichte gut. Nehmen Sie sie einfach etwas lockerer und verstehen Sie sie als das, was sie ist: eine gute Entertainerin.
Der Funke-Sprecher meint also, wir sollten Soraya einfach nicht so ernst nehmen. Dabei ist das Problem ja nicht, dass wir sie, wie er schreibt, „für eine zutiefst seriöse Quelle“ halten, sondern Funke sie als solche behandelt. Stünde in der Überschrift „Unfähige Hellseherin prophezeit Zwillinge für Kate & William“ statt „JA! Es werden süße Zwillinge“, hätten wir diesen Text gar nicht geschrieben.
Gerichte sehen das im Übrigen ähnlich. Als etwa die „Freizeit Revue“ mal eine Astrologin gefragt hatte, was denn so im Horoskop von Caroline von Monaco zu sehen sei, und daraufhin titelte: „Caroline zwischen Angst und Glück – Hochzeit im Mai – 4. Kind, aber düstere Schatten …“, zog Caroline dagegen vor Gericht und bekam in zwei Instanzen Recht – woraufhin die „Freizeit Revue“ eine Gegendarstellung drucken und ihre Behauptung widerrufen musste.
Dass Klatschblätter die Prophezeiungen von „Wahrsager:innen“ als Tatsachen verkaufen, ist also keine Seltenheit. Dass aber ein Verlag dermaßen oft und eng mit jemandem zusammenarbeitet wie Funke mit Soraya, ist eine absolute Ausnahme. Der Funke-Sprecher behauptet zwar, sie hätten „eine ganze Reihe von Hellseherinnen, Wahrsagerinnen und Astrologinnen am Start“, doch in hunderten Funke-Zeitschriften haben wir nur einen einzigen Artikel gefunden, in dem es um eine andere „Wahrsagerin“ geht (eine namentlich nicht genannte „Hellseherin in Olso“, die angeblich von Kronprinzessin Mette-Marit besucht wurde), ansonsten taucht immer nur eine auf: Soraya.
Die wiederum hat auf ihrer Website unter „Presse“ nur eine einzige Referenz gelistet: Funkes „Echo der Frau“.
Eine sehr exklusive und treue Partnerschaft also, die sich da seit mehr als 20 Jahren gefestigt hat, zwischen zwei Medien, von denen eines behauptet, es könne hellsehen, und das andere, es mache unterhaltenden Journalismus, was beides nicht stimmt, aber beiden ein gewinnbringendes Geschäftsmodell liefert. Die einzigen Leidtragenden sind die Leserinnen und Leser, die, oft aus verzweifelten Notlagen heraus, sowohl Funke als auch Soraya vertrauen und von beiden eiskalt abgezockt werden.
Wie sagte Funke-Verlegerin Julia Becker neulich noch so schön?
„Journalisten haben einen klaren Auftraggeber: die Leser, deren Vertrauen sie tagtäglich neu gewinnen müssen und niemals missbrauchen dürfen.“
Lügen & Rügen
Zur neuesten Soraya-Schlagzeile („JA! Es werden süße Zwillinge“) haben wir eine Beschwerde beim Deutschen Presserat eingereicht, weil wir finden, dass die Funke-Mediengruppe damit gegen den Pressekodex verstößt, zu dessen Einhaltung sie sich verpflichtet hat.
Funke erhielt daraufhin vom Presserat die Möglichkeit zur Stellungnahme, was die Verlagsjuristen in solchen Fällen normalerweise dafür nutzen, um die Berichterstattung wortreich zu verteidigen – doch Funke entschied sich diesmal für einen anderen, durchaus überraschenden Weg:
Die Rechtsabteilung schreibt: Der Verlag habe beschlossen, zu dieser Beschwerde, entgegen der Praxis, die üblicherweise im Verlag gelebt werde, nicht Stellung zu nehmen.
Der Verlag stehe selbstverständlich weiterhin zu der eingegangen Selbstverpflichtung und voller Überzeugung hinter den Leitsätzen des Pressekodex. Die Entscheidungen des Presserats auch im Hinblick auf die Beschwerden des Beschwerdeführers dieser Beschwerde veröffentliche der Verlag weiterhin und nehme die darin zum Ausdruck kommenden Bewertungen und Ergebnisse der Beratungen ernst und beachte diese.
Leider bestehe hier aber der Eindruck, dass der Beschwerdeführer seine Presseratsbeschwerde nicht etwa aus einem echten Interesse an der Wahrung des journalistischen Standards oder einem offenen Diskurs erhoben habe, sondern diese genutzt werden solle, um sein eigenes kommerzielles Angebot zu fördern und letztlich zur Generierung von Traffic auf den von ihm betriebenen Social Media Portalen und Blogs diene. Die Schlagzeilen des Verlages seien bereits in diversen Veröffentlichungen des Beschwerdeführers thematisiert worden, sie seien ihm hinlänglich bekannt. Anlass zur Einreichung einer Presseratsbeschwerde habe er in all der Zeit, in denen er diese Schlagzeilen begleitet und analysiert habe, jedoch nicht gesehen, stattdessen habe er sie für die eigenen Interessen genutzt. Der Verlag bittet um Verständnis für diese Entscheidung.
Was sollen wir sagen? Nun … Ihr habt uns ertappt, Funke! Seit fast zehn Jahren setzen wir uns mit dem Klatschzeug, das Ihr und Eure Mitbewerber verzapfen, nicht deswegen auseinander, weil wir hoffen, dass sich dadurch etwas verbessert, sondern bloß für den Traffic, völlig korrekt. Und wir haben uns in all der Zeit auch noch nie beim Presserat beschwert, stimmt! Tatsächlich waren dieser Post und dieser und dieser und dieser und dieser nur ein Scherz. Und auch solche Schlagzeilen …
… waren in Wahrheit natürlich bloß ein groß angelegter Spaß, das lösen wir sieben Jahre später hiermit auf, haha!
Der Beschwerdeausschuss des Presserats, der vor Kurzem tagte, verstand in Sachen Soraya allerdings keinen Spaß: Er bewertete die Schlagzeile („JA! Es werden süße Zwillinge“) als einen „schweren Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot nach Ziffer 1 des Pressekodex“. Die Redaktion führe ihre Leserschaft damit „massiv in die Irre“. Darum sprach der Presserat eine öffentliche Rüge gegen die Zeitschrift aus. Die Entscheidung erging einstimmig.
Das hat bei Funke wohl niemand vorhergesehen.
Im Gegensatz zur BLÖD ist Echo der Frau ja eine seriöse Zeitschrift und man ist dort sicher sehr geknickt ob der vollkommen unmotivierten Rüge ...?