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Sogar ins Gefängnis ging sie für ihre Mission. Zweieinhalb Jahre lang saß sie ein, in hohem Alter. Und das soll nicht das letzte Mal gewesen sein: Zwei weitere Verurteilungen zu Gefängnisstrafen schweben über der Rechtsextremen, die vor Gericht im Rollstuhl erscheint, aber immer noch wach und rüstig wirkt.
Über ihre Berufung gegen das ältere dieser beiden Urteile wird nun in Hamburg verhandelt. Im November 2015, vor achteinhalb Jahren also, verurteilte sie das Amtsgericht der Hansestadt zu einer zehnmonatigen Haftstrafe. Am Rande des Lüneburger Auschwitz-Prozesses gegen den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning hatte Haverbeck-Wetzel verkündet, Auschwitz sei „kein Vernichtungslager, sondern ein Arbeitslager“ gewesen. Dasselbe behauptete sie in einem ausführlichen Interview mit dem NDR-Magazin „Panorama“ – und beantwortete die Nachfrage, ob es denn eine Massenvernichtung der Jüdinnen und Juden gegeben habe, mit einem klaren „Nein“.
„Ich habe nie den Holocaust geleugnet, ich habe lediglich Fragen gestellt“, sagt die Angeklagte nun. Man müsse „sachlich untersuchen“, was wirklich passiert sei. Als sei das eine offene Frage. Und die Justiz müsse dabei, so wie sie selbst es getan habe, auch mit „der Gegenseite“ sprechen. Als Kronzeugen beruft sie sich auf andere bekannte Shoah-Leugner. Staatsanwältin Friederike Brümmer hat zu alledem nur eine einzige Frage: „Haben Sie Auschwitz jemals selbst besucht?“ „Nein“, sagt die Angeklagte.
Verteidigt wird die notorische Shoah-Leugnerin von Szene-Anwalt Wolfram Nahrath. Den Vorschlag des Gerichts, den Schuldspruch aus dem Jahr 2015 zu akzeptieren und die Berufung auf das Strafmaß zu beschränken, lehnt Haverbeck-Wetzel ab. Stattdessen fordert ihr Anwalt, das Verfahren ganz einzustellen. „Ich bitte hier nicht um Gnade, das würde auch Frau Haverbeck nicht wollen“, sagt er. Doch eine weitere Haftstrafe würde für eine 95-Jährige „lebenslänglich“ bedeuten.
Dabei hatte das Gericht bereits deutlich gemacht, dass der Prozess für die Angeklagte ohnehin sehr glimpflich ausgehen dürfte. Die überlange Verfahrensdauer, geschuldet unter anderem der Corona-Pandemie und krankheitsbedingten Ausfällen, sei wohl als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu ihren Gunsten zu berücksichtigen.
Hinzu kommt der Rabatt, den das deutsche Strafrecht Intensivtäter:innen wie ihr gewährt: Was in Hamburg als Strafe herauskommt, muss mit der jüngsten Verurteilung zu einer Gesamtstrafe zusammengezogen werden. Im April 2022 verhängte das Berliner Landgericht eine einjährige Gefängnisstrafe, die Haverbeck-Wetzel nach dem Willen der Justiz auch tatsächlich antreten soll. Nach längerem Streit um ihre Haftfähigkeit ist eine Ladung zum Haftantritt, zunächst in einem Justizkrankenhaus, mittlerweile ergangen.
Alles in allem, sagt Richterin Riede, könnte am Ende eine Gesamtstrafe stehen, die „faktisch, gegebenenfalls, möglicherweise“ auch nicht länger ausfallen würde als die bereits rechtskräftigen zwölf Monate Gefängnis. Am 26. Juni will das Gericht sein Urteil verkünden.