In der Schweiz beobachtet man sehr genau, was im Goßen Kanton so vor sich geht, und dort hat man die Löschung registriert:
Spoiler
Der MDR hat den Beitrag aus seiner Mediathek gelöscht.
Ein Beitrag aus der MDR-Sendung «Umschau» schlägt auf Social Media hohe Wellen. Ausgestrahlt wurde dieser am 12. Dezember 2023, mittlerweile hat ihn der Sender vom Netz genommen. Der Beitrag thematisierte den Befund der Magdeburger Professorin Brigitte König. Diese gab darin an, fünf Chargen des Corona-Impfstoffs von Pfizer/Biontech untersucht und in allen Proben Fremd-DNA gefunden zu haben, «die in dieser Menge nicht in den Impfstoff gehört», wie es in dem Beitrag hiess.
«Ein alarmierendes Ergebnis», so König, die die Analyse in ihrem Privatlabor durchgeführt hat. Die Werte lägen weit über dem Grenzwert. Es sei wichtig, dass dieser nicht überschritten werde, weil sonst die Gefahr bestünde, dass die Fremd-DNA in die Zellen des Menschen eindringe. Allerdings ist unklar, ob die Aussagen von König tatsächlich so stimmen. Folgende Punkte lassen Zweifel aufkommen:
Ergebnisse nicht überprüfbar
Überprüfen und nachvollziehen lassen sich die Aussagen Königs nicht. Die erhobenen Daten wurden – ebenso wie Angaben zur angewendeten Methode – nicht veröffentlicht. Und es ist unklar, ob sie je publiziert werden. Zwar liess König die Anfrage von 20 Minuten diesbezüglich unbeantwortet. Doch in einem Mail an den deutschen Mediziner Janos Hegedüs erklärte sie, davon auszugehen, «dass diese Daten sich nicht für eine Publikation eignen – sie zeigen keine neuen Techniken oder Daten. Es handelt sich um simple Messungen.» Und: Es seien «insgesamt 34 Vials an Impfstoff» – also Impfstofffläschchen – untersucht worden. Der Mailverkehr liegt 20 Minuten vor.
Statt ihr Vorgehen und die Ergebnisse öffentlich zu machen, wie es in der Wissenschaft üblich ist (siehe Box), lädt sie Vertreter anderer Labors ein, «zu uns zu kommen und die Daten bei uns zu überprüfen – auch mit eigenen Reagenzien». Auch könne man zu anderen Labors fahren und dort die Messungen gemeinsam wiederholen. Doch auch das ist kein gängiges wissenschaftliches Vorgehen.
So läuft es normalerweise in der Wissenschaft
Um neue Erkenntnisse unters Volk zu bringen, publizieren Forschende ihre Studien in Fachzeitschriften (Journals). Dafür arbeiten sie zunächst ein Manuskript aus, das sie der Fachzeitschrift vorlegen. Nimmt diese den Entwurf an, findet die Begutachtung, das sogenannte Peer-Review statt. Das heisst: In der Regel anonyme und unabhängige Fachkollegen begutachten die Arbeit, kritisieren und machen Anmerkungen. Dies dient der Qualitätssicherung. Dann wird die Arbeit an die Autoren zurückgesandt, welche sie überarbeiten. Dieses Vorgehen kann sich einige Male wiederholen. Abschliessend wird die Arbeit im Journal publiziert. Bevor dieser Prozess abgeschlossen ist, werden Studien in sogenannten Preprints veröffentlicht.
Auftraggeber der Untersuchung ist Gegner der mRNA-Impfungen
Die Analyse wurde nicht nur in einem privaten Labor durchgeführt, Sie wurde auch von einer Privatperson in Auftrag gegeben: von Jürgen Kirchner, der unter dem Pseudonym David O. Fischer auftritt. Der studierte Biologe gehöre seit Jahren zu den lautstarken Kritikern der mRNA-Impfstoffe, heisst es in dem MDR-Beitrag. Das bestätigen unter anderem auch die Bücher, die er veröffentlicht hat. Zudem betreibt er eine einschlägige Website und tritt in Podcasts auf, deren Hosts zur Gruppe der Corona-Leugner und -Skeptiker zählen, die ebenfalls den Impfstoffen zumindest kritisch gegenüberstehen.
Brigitte König als Impfgegnerin bekannt
Auch König ist nicht so unabhängig, wie der MDR-Beitrag vermuten lässt: Anders als in dem Beitrag erwähnt und auf der Website ihres Labors angegeben, ist sie keine externe Professorin der Medizinischen Fakultät an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Die Hochschule weist auf ihrer Website darauf hin, dass «seit 2013 … hinsichtlich Forschung, Lehre und Krankenversorgung keine Verbindung» mehr bestehe. Und weiter: «Die auf der Unternehmenswebseite aufgeführte Position ‹Head of the department of molecular diagnostics and molecular microbiology› existiert nicht.»
Was weder in dem TV-Beitrag noch auf der Website von Königs Labor erwähnt wird, ist, dass sie in den letzten Jahren mehrmals öffentlich als Impfgegnerin in Erscheinung trat – etwa als Speakerin beim Impfausleitungskongress, bei dem auch der St. Galler Arzt auftrat, der 2021 einen Corona-Patienten mit einer in der Schweiz verbotenen Chemikalie behandelte oder Arne Burkhardt, der für seine bei der Pathologiekonferenz vorgestellten Erkenntnisse zur Corona-Impfung scharf kritisiert wurde. Im Oktober 2023 trat König neben dem in impfkritischen Kreisen beliebten Sucharit Bhakdi bei einer Veranstaltung der Impfgegner-Gruppe World Council For Health auf.
Zudem propagiert sie umstrittene Therapien wie die Ozontherapie, bei der 2021 eine Frau in Brasilien starb.
Welche Fremd-DNA will König überhaupt gefunden haben?
Dazu gibt Auftraggeber Kirchner Auskunft: «Das, was im MDR-Beitrag als ‹Fremd-DNA› bezeichnet wurde, stammt aus Bakterien, die im Produktionsprozess eingesetzt werden.» Es handele sich um das sogenannte Bakterienplasmid, das als DNA-Matrize für die mRNA-Produktion benötigt werde, sowie um die Reste von diesem, aber auch um verbliebene genomische DNA (in den Zellkernen enthaltene DNA) der Bakterien. Er ergänzt: «Das Problem der DNA-Verunreinigungen im Endprodukt entsteht dadurch, dass die für die mRNA-Produktion notwendigerweise zugesetzte DNA nicht in der nötigen Vollständigkeit wieder entfernt wird, wenn die Bildung der mRNA abgeschlossen ist.»
Warum bezeichnet König die Ergebnisse als «alarmierend»?
Ob es dafür tatsächlich einen Grund gibt, lässt sich ohne einen Blick auf die Daten nicht sagen. «Zwei Auswirkungen sind vorstellbar», so Emanuel Wyler, Molekularbiologe am Max Delbrück Center für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin: «Grundsätzlich stimuliert DNA ausserhalb des eigenen Erbgutes das Immunsystem. Wenn Zellen DNA sehen, ist das ein Hinweis auf Infektionen mit Bakterien oder DNA-Viren – oder darauf, dass benachbarte Zellen zugrundegehen. Bei ausreichend grossen Mengen DNA im Impfstoff könnte dies ebenfalls geschehen. Gewisse andere Impfstoffe nutzen daher DNA als Adjuvans, als Hilfsstoff, der die Wirkung eines Vakzins verstärkt. Dieses Aktivieren des Immunsystems verursacht die Impfreaktionen wie Rötungen und Schmerzen an der Einstichstelle. «Die RNA im Impfstoff stimuliert ebenfalls das Immunsystem, aber viel stärker – weswegen RNA-Impfstoffe auch keine Adjuvanzien benötigen», so Wyler.
Laut Wyler stelle sich zweitens bei der in den menschlichen Körper eingeführten DNA grundsätzlich die Frage, ob diese Krebs verursachen könnte. «Wie fast immer in der Biologie kann man nicht sagen, dass das komplett unmöglich ist.» Aus seiner Sicht sei das aber äusserst unwahrscheinlich – aus folgenden Gründen:
Die DNA müsste dafür aus dem Zellplasma in den Zellkern gelangen und in das Genom der Zellen eingebaut werden. Menschliche Zellen seien dazu aber grundsätzlich nicht in der Lage. Nur Viren wie HIV oder das Humane Herpesvirus 6 könnten so etwas. Den Zellen dagegen fehle der dafür notwendige Mechanismus. Zudem müssten weitere sehr seltene Ereignisse eintreten. Das heisst: Die DNA müsste zufällig ins Genom eingebaut werden und die naturgegebenen Reparaturmechanismen der Zellen dürften nicht funktionieren. Zudem werde fremde DNA von den Zellen aktiv abgebaut.
Dann müsste die eingebaute DNA noch genau an einem Ort eingebaut werden, wo sie Wirkung entfalten könne. Das seien bei einem drei Milliarden DNA-Bausteine langen Genom nicht viele Orte.
Zuletzt müssten die Veränderungen in für die Krebsentstehung relevanten Zelltypen stattfinden. Für 90 Prozent der Krebsarten seien das die epithelialen Zellen, die etwa die Lungen oder den Darm auskleiden. Fünf Prozent der Krebsarten entständen aus B-Zellen, etwa Leukämien. Der Impfstoff werde aber von dendritischen Zellen aufgenommen und den Fresszellen (Makrophagen). Aus diesen entständen nur sehr selten Tumore.
«Das sind alles an sich schon sehr kleine Wahrscheinlichkeiten, die kumuliert extrem klein werden», erklärt Wyler. Zudem entstehe Krebs durch eine Anhäufung von Zellschäden. «Da müsste noch einiges dazukommen.» Zudem: «Wenn die Menge DNA in den Impfdosen tatsächlich zu hoch sein sollte, warum gab es dann in den vielen Laboren und Behörden, die weltweit die Impfstoffe prüften, nie eine Warnung?»
Laut Wyler ist es wichtig, «dass insbesondere ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen sich jetzt impfen lassen und sich nicht von solcher Impfgegnerpropaganda verunsichern lassen». Es gebe mittlerweile mehrere «sehr effiziente» Impfstoffe. «Wer die mRNA-Impfstoffe nicht gut vertragen hat oder sie aus irgendeinem Grund nicht will, könne den Protein-Impfstoff von Novavax nehmen. «Der ist jetzt auch in einer aktualisierten Variante verfügbar.»
Die Debatte um Rest-DNA in den mRNA-Impfstoffen wird in impfskeptischen Kreisen schon länger geführt – dies vor allem auf Basis einer Untersuchung aus den USA. Was hat es damit auf sich?
Die zitierte Arbeit wurde im April 2023 veröffentlicht. Sie befindet sich nach wie vor im Preprint-Status und hat noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Wie die «Pharmazeutische Zeitung» schreibt, handelt es sich bei den Autorinnen und Autoren um Mitarbeitende der Firma Medical Genomics, «das nach eigener Darstellung die Genomik nutzt, um den Ertrag, die Sicherheit und die Qualität von Heilpflanzen zu verbessern». Dabei geht es um Cannabis, Hanf und Pilze. Zudem vertreibe das Unternehmen «einige der in der Studie verwendeten Kits zur DNA-Isolierung und quantitativen PCR», wie auch dem Preprint zu entnehmen ist. Laut Wyler «ist unklar, wie robust die Erkenntnisse sind».
Hinzu kommt, dass die Autoren keine Angaben dazu machen können, ob es sich bei den getesteten Proben tatsächlich um mRNA-Impfstoffe handelt, denn – so schreiben sie selbst: «Eine Einschränkung dieser Studie besteht darin, dass die Herkunft der untersuchten Impfstoffampullen unbekannt ist. Diese Fläschchen wurden uns anonym und ohne Kühlakkus mit der Post zugeschickt.» Immerhin werden die Fläschchen im Preprint als «ungeöffnet» beschrieben. Doch selbst wenn in diesen tatsächlich mRNA-Impfstoff enthalten gewesen sein sollte, könnte die Aussagekraft der gewonnenen Ergebnisse fraglich sein. Schliesslich sei bekannt, «dass sich RNA schneller abbaut als DNA, daher sei es möglich, dass eine schlechte Lagerung zu einem schnelleren Abbau von RNA als von DNA führt», so die Autoren des Preprints.
Fazit
Ohne Einsicht in die von Brigitte König erhobenen Daten lässt sich nicht feststellen, wie glaubwürdig ihre im MDR-Beitrag geäusserten Feststellungen sind. Bislang muss die Meldung, der mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech enthalte zu hohe Werte an Fremd-DNA, als Behauptung gewertet werden. Es gibt mehrere Punkte, die an einer neutralen Beschäftigung Königs mit dem Thema zweifeln lassen. Und selbst wenn die Menge DNA im Impfstoff den zulässigen Grenzwert tatsächlich überschreiten sollte, heisst das nicht, dass daraus gesundheitliche Probleme erwachsen. Denn dafür müsste die DNA mit schädlichen Folgen in menschliche Zellen eingebaut werden. Laut Molekularbiologe Wyler ist das aber extrem unwahrscheinlich. Er empfiehlt insbesondere älteren Personen und solchen mit Vorerkrankungen, sich jetzt impfen zu lassen.
Seit dem Wochenende ist der Beitrag nicht mehr auf der MDR-Website zu finden. Auch in der ARD-Mediathek ist der Beitrag nicht mehr verfügbar.