Wenn jemand im Ammerland wohnt, fragt man sich schon, wieso er seine Klage ans SG Hannover schickt. Dass da noch mehr nicht stimmen mag, vermutet man, wenn man sieht, dass er das SG als "Handelsgericht" bezeichnet. Die Vermutung wird zur Gewissheit angesichts des Klagegegenstands: Feststellung dass "ihm dem Antragsteller als lebendigem Menschen, natürliche Person entsprechend des § 1 des staatlichen BGB, mindestens rückwirkend ab dem 1. April 2013 Unterhalt gemäß Kapitel 2 Artikel 7 HLKO i.V.m. § 133 SGB XII zu leisten" sei. In der selben Angelegenheit stellte er offenbar auch einen Eilantrag, denn anscheinend geht es in der mir vorliegenden Entscheidung (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12.05.2014 - L 8 SO 31/14 B ER).
Dabei hatte die Behörde, die seinen ursprünglichen Antrag abgelehnt hatte, das schon recht schlagfertig getan: Nachdem er sich als Kriegsgefangener einer Besatzungsmacht sehe, möge er seinen Anspruch doch bitte beim Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland geltend machen, das hier zumindest irgendwann mal Besatzungsmacht gewesen sei. Davon war er nicht überzeugt, und das SG Hannover war von seiner örtlichen Zuständigkeit nicht überzeugt und verwies die Sache ans SG Oldenburg. Das war nun zwar zuständig, fand den Antrag aber nicht begründet.
So zog der lebendige Mensch ganz lebendig weiter vors LSG Niedersachsen-Bremen, stellte auch zwischendurch zu Hause einen Antrag nach SGB II, der aber nicht verbeschieden wurde, weil er die nötigen Formulare und Nachweise nicht eingereicht hatte. Auf die Nachfrage des LSG nach dem Grund dafür, antwortete er wie folgt:
"Ein von mir persönlich gestellter Antrag Alg-2 ist die geistige Irritation der rechtbeugenden Verwaltung, die noch zwingend international- und national gerichtlich geheilt wird ( ) Meine Mutter hat mit mir zusammen den rechtswidrigen ALG-2 Antrag nur zur näheren Prüfung und zum Vergleich mit dem rechtsgültigen Antrag vom 1.04.2013 und Ergänzungs-Antrag vom 29.05.2013 mit höherem Leistungsanspruch unverbindlich abgeholt. Wir haben uns für den rechtgültigen Ergänzungs-Antrag entschieden. ( ) Alle Verträge und Anträge bezüglich Alg-2 und anderen rechtswidrigen Scheinnormen, die eventuell versehentlich und unter Täuschung im Rechtsverkehr des C., D. und anderen Verrichtungsgehilfen durch konkludentes Handeln meinerseits in der Vergangenheit zustande gekommen sind, z.B. Annahme von Steuern- und Vorgangnummern oder Akten- und Geschäftszeichen, angefertigte Protokolle, Schriftsätze und andere Informationen sind rechtswidrig und werden hiermit ausdrücklich widerrufen und gekündigt. Ich mache vorsorglich staatliches BGB § 119 geltend. Für die Gegenwart und Zukunft gilt die Leistung mit Antrag vom 01.04.2013 gemäß der Haager Landkriegsordnung. ( ) Abschliessend teile ich mit, dass weitere schriftliche Dokumente wegen der eindeutigen Rechtlage und Rechtslage nicht mehr beantwortet werden können."
Das LSG begriff von diesem und dem weiteren Vortrag des Antragstellers jedenfalls, dass er sich als Bürger des Deutschen Reiches betrachtete und sich wohl weniger als Kriegsgefangenen des Vereinigten Königreichs denn als einen der Bundesrepublik Deutschland verstand. Worauf es nur antworten konnte: "Spätestens mit dem Wirksamwerden des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 zum 29. September 1990 hat ein irgendwie geartetes und ggf. noch virtuell fortbestehendes Deutsches Reich aufgehört zu existieren". Es hätte da vielleicht noch irgendwo ein "von der Bundesrepublik Deutschland verschiedenes" einfügen sollen. Im übrigen sei ein Antrag auf Leistungen nach der HLKO allenfalls an die Regierung und nicht gegen die Leistungsträger nach SGB XII und SGB II zu richten.
Auch einen Anspruch auf vorläufige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II konnte das Gericht nicht erkennen, den hatte sich der Antragsteller nämlich selbst abgeschnitten: "Denn zwischenzeitlich hat der Antragsteller mit seinem Schriftsatz vom 7. März 2014 klargestellt, dass er ausschließlich Unterhalt nach der HLKO begehrt und die übrigen Leistungsanträge lediglich unverbindlich als Vergleichsgrundlage abgeholt und genutzt habe. Zudem hat er mit Ausnahme des ausdrücklich gestellten Antrags auf Gewährung von Unterhalt nach der HLKO sämtliche weiteren ausdrücklich und konkludent gestellten Anträge ausdrücklich widerrufen und damit einer weiteren Leistungsgewährung die Grundlage entzogen."
In einem letzten Punkt traf das LSG eine etwas zweifelhafte Entscheidung, diese aber nur "[l]ediglich der Vollständigkeit halber": Einen Leistungsanspruch nach SGB XII gebe es nämlich nicht, weil nicht ersichtlich sei, "dass der Antragsteller durch eine Behinderung i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht ist" oder "dass der Antragsteller wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII bedarf oder bei ihm besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind". Na ja. Angesichts des Vortrags des Antragstellers fallen mir schon ein paar Diagnosen ein, die da passen würden. Gut, im Eilverfahren wird sich das kaum klären lassen.