Zumindest beim RBB.
Spoiler
Nach zwei Jahren wird das Vorabend-Programm des RBB schon wieder eingestellt. Trauern Sie zibb nach, dem alten Programm, das Anfang 2022 aus finanziellen Gründen ersetzt wurde?
Nein, aber „Der Tag“, so heißt der neue Vorabend, hat einiges von dem, was zibb ausgemacht hat, in anderer Weise aufgenommen. Die Menschen sollen wieder das bekommen, was sie vom Vorabend erwarten: Wir präsentieren die Neuigkeiten vom Tag aus Berlin und Brandenburg, Nachrichten wie auch kleinere Geschichten. Neu ist, dass wir mehr live vor Ort sein werden.
Kostet „Der Tag“ weniger als zibb?
Ja, ein bisschen weniger als zibb, aber mehr als die beiden direkten Vorgängerformate. Der Versuch, am Vorabend zu sparen, war falsch. Die Akzeptanz bei den Zuschauern war rückläufig, wie wir in aufwändigen Befragungen und in einer Dialogwoche ermittelt haben. Der Vorabend ist die Primetime eines Dritten Programmes. Nach dem Tagwerk erwarten die Menschen zurecht Updates aus der Region.
Haben Sie das Ziel, die rote Laterne bei den Dritten Programmen abzugeben?
Die haben wir gerade abgegeben. Wir haben 2023 einen großen Sprung gemacht von 5,6 Prozent auf 6,1 Prozent und sind damit einen Platz nach oben gerückt.
Martina Zöllner: „Mit ,Blue Moon’ trauen wir uns, nach 22 Uhr im RBB Fernsehen auch jüngere Inhalte anzubieten.“
Täuscht der Eindruck, dass Sie das Radio als Trendsetter für das Fernsehen nutzen? „Der Tag in Berlin und Brandenburg“ klingt nach Inforadio, das puristische Talkformat „Blue Moon“ wird aus dem Jugendsender Fritz live ins Fernsehen gehievt.
Bei „Der Tag“ haben wir nicht ans Radio gedacht, das ist eher ein Fernsehmagazin zum Feierabend. Aber sicher, Radio ist auch live und arbeitet mit wechselnden Elementen, mit Studiogesprächen, vorbereiteten Beiträgen und Liveschaltungen. Mit „Blue Moon“ trauen wir uns, nach 22 Uhr im RBB Fernsehen auch jüngere Inhalte anzubieten.
Bedeutet Crossmedialität, dass Sie auch Radiosendungen im Fernsehen ausstrahlen und andersherum?
Im Kontext unserer Radiowellen entstehen Videostreams, die bisher nur auf den jeweiligen Radio-Apps oder den Websites der Radios zu sehen waren. Technisch erfüllen diese keine klassischen Fernsehstandards. Aber auch mit kleinem Besteck lassen sich heute Mitschnitte in sendefähiger Aufnahmequalität anfertigen, denken Sie nur daran, was ein Handy heute alles kann. Wir streamen zum Beispiel „Die schöne Lesung“ von radioeins und RBB Kultur, eine beliebte Veranstaltung im großen Sendesaal im Haus des Rundfunks. Wir zeichnen sie mit mehreren Kameras kostengünstig auf und strahlen sie künftig auch im Fernsehen aus.
Martina Zöllner: „Den neue Staatsvertrag betrachte ich als Eingriff in unsere Programmhoheit, die ein Verfassungsrecht darstellt.“
Was halten Sie von den jüngsten Vorgaben der Landesparlamente?
Es gibt mehrere Auflagen im novellierten RBB-Staatsvertrag, zwei sind für uns besonders problematisch: Wir sollen das Programm zwischen Brandenburg und Berlin werktags 60 Minuten auseinander schalten. Und wir sollen für jedes Land einen Landesbeauftragten installieren. Wie auch Intendantin Ulrike Demmer betrachte ich den neuen Staatsvertrag, der seit Januar in Kraft ist, an diesen Punkten als Eingriff in unsere Programmhoheit, die ein Verfassungsrecht darstellt. Dazu zähle ich auch die Organisationshoheit.
Im neuen Schema gibt es mit „Brandenburg aktuell“ nur ein halbstündiges Extra-Programm für Brandenburg. Wo sollen die anderen 30 Minuten herkommen?
Die Auflage ist noch nicht implementiert, wir arbeiten seit einem halben Jahr am neuen Programmschema. Wir werden uns die nächsten Wochen und Monaten damit befassen, wie wir der Forderung nachkommen. Dabei gilt es auch, Mehrkosten zu vermeiden, die wir uns nicht leisten können.
Sie haben sich in Ihrer Karriere als TV-Kulturredakteurin profiliert. Warum merkt man das dem Programm nicht an?
Das würde ich bestreiten. Auf der 22-Uhr-Strecke, die wir die RBB-Spätis nennen, werden Sie mehr kulturelle Programme sehen als bislang. Wir können auch Kulturprogramme, die wir für Arte machen, auf dieser Strecke wiederholen. Bei der Kultur wird nichts gekürzt. Die Magazinsendung RBB Kultur am Samstagabend wird es weiter geben. Auch „rbb24 Brandenburg aktuell“ berichtet regelmäßig über Kulturereignisse. Am Donnerstagabend wird unser profilierter Kinoexperte Knut Elstermann in die Kinofilme einführen, die wir da zeigen. Und am Samstagabend präsentiert Ulli Zelle das filmische Erbe des DDR-Fernsehens, des ORB und des SFB. Das ist Kulturgut. Auch die Dokumentarfilme am Mittwochabend sind künstlerische Produkte.
Sie persönlich haben nicht viel Zeit, neue Akzente zu setzen. Ihr Vertrag als Programmdirektorin ist bis zum 31. Juli 2024 befristet.
Die Frage, wie es danach für mich weitergeht, stellt sich. Ich schließe nicht aus, dass es weitergeht. Ich wurde noch von der Interimsintendantin Katrin Vernau berufen. Sie wollte ihrer Nachfolgerin nicht vorgreifen.
Ist die ARD-Mediathek konkurrenzfähig gegenüber Netflix und Amazon, die gerade unter Jugendlichen sehr angesagt sind?
Die Ambition der ARD ist es schon, konkurrenzfähig zu werden. Wir haben im Fiktionalen nicht annähernd die finanzielle Power wie Netflix und Amazon. Aber es gibt vieles, was wir Öffentlich-Rechtlichen gar nicht machen würden, selbst wenn wir Geld hätten. Wir wollen eine starke Plattform sein mit hochwertigen Inhalten aller Genres für die Zielgruppen, die linear nicht mehr fernsehen. Der RBB macht für die ARD Mediathek Programme aus der Region. Die regionale Nähe – das ist unsere Stärke.
Martina Zöllner: „Eines Tages werde ich wieder Romane schreiben, denn das ist ein Teil von mir.“
Sie haben 2003 und 2009 zwei Romane geschrieben, die von Liebesaffären im Promi-Milieu handeln und von einer Frau, die zugunsten ihrer Karriere als Journalistin auf Kinder und Familie verzichtet. Sammeln Sie derzeit Stoff für einen dritten Roman?
Ich habe tatsächlich vor Jahren einen dritten Roman angefangen, musste mir aber eingestehen, dass mich der Beruf so ausfüllt, dass ich nicht nebenher noch schreiben kann. Den Faden werde ich hoffentlich eines Tages, wenn ich mehr Zeit habe, wieder aufnehmen, denn das ist ein Teil von mir.
Was sagen Sie zur heiklen Liaison zwischen der Bildungssenatorin in Berlin und dem Regierenden Bürgermeister?
Das ist sicher ein Sujet, wie es gern auch einmal in einem Roman oder einem Film vorkommt. Im Arbeitsleben entstehen nun einmal Affären oder Beziehungen. Das ist sehr menschlich. Man wird sehen, ob die Zusammenarbeit in diesem hierarchischen Verhältnis auf Dauer gelingen kann.
Karim Saab
MAZ