Ich will meinen Vorposterinnen und Vorpostern keineswegs widersprechen, doch die Rechtschreibung scheint mir noch das kleinere Übel zu sein.
Bei einem Verschreiber wie diesem
[...] im öffentlichen Teil kann jeder Mann oder Frau das Rederecht durch Handzeichen gewehrt werden.
mag man ja noch lachen. Ich habe nichts dagegen, wenn Lorenz das Rederecht "gewehrt" wird.
Gut, in meinem heimatlichen Dialekt wird in der Aussprache zwischen e und ä unterschieden, in den meisten Teilen des deutschen Sprachgebietes (das über Deutschland hinaus reicht) jedoch nicht, da wird ä wie e gesprochen.
Leider, und dies scheint mir das deutlich schlimmere Problem, stimmt schon in diesem Zitat die Grammatik nicht.
Wäre "jeder Mann" ein Schreibfehler und sollte "jedermann" lauten, wäre dies immerhin grammatisch korrekt. Aber danach folgt "oder Frau". Nun gehört "gewähren" zu den zahlreichen Verben, die sowohl Akkusativ- als auch Dativ-Objekt (auch direktes und indirektes Objekt genannt) nach sich ziehen. Die grammatischen Fragen lauten: Wer gewährt wem was?
Da "Rederecht" der Akkusativ ist (was wird gewährt? - das Rederecht), muss "jeder Mann oder Frau" zwingend im Dativ stehen. "Jeder" ist zwar Dativ, aber feminin und passt daher nur zu Frau, aber nicht zu Mann. Stimmig müsste man also sagen und schreiben: "jedem Mann oder jeder Frau".
Hier aber schreibt offenbar jemand, der die grundlegenden Regeln der Kongruenz nicht beherrscht.
Das zeigt sich auch in weiteren Sätzen:
Das Ansinnen kann hier nur vermutet werden, da diese Ausführungen schon in einer Vorprüfung der Tagungen hätte stattfinden können.
Abgesehen davon, dass unklar bleibt, welche Aussage dieser Satz eigentlich machen soll, stimmt auch hier die Kongruenz wieder nicht. Dieses Mal hat der Schreiber übersehen, dass "Ausführungen" Mehrzahl ist und deshalb das zugehörige Hilfsverb "hätte" nicht in der Einzahl, sondern ebenfalls in der Mehrzahl stehen müsste, also "diese Ausführungen ... hätten stattfinden müssen".
Es kommt aber noch schlimmer:
Da Herr Lorenz nicht nur Präsidialsenat ist und somit weit reichende Befugnisse hat, sondern auch Bevollmächtigter im Bundesrath ist steht Ihm laut Verfassung Art. 9 jederzeit das Rederecht im Reichstag zu und muss gehört werden.
Dass hinter "Bundesrath ist" ein Komma stehen und "Ihm" klein geschrieben werden müsste, brauche ich nicht weiter auszuführen. Doch wiederum zeigt sich fehlende Kongruenz im Satz, denn wie gehört der Schluss: "und muss gehört werden" zum Vorausgehenden? Der Satzbau ist hier etwas komplexer, aber auch wieder nicht so undurchsichtig, dass er besonders schwierig wäre. Zunächst beginnt der Schreiber mit einem vorangestellten Kausalsatz, auf den ein zweiter Kausalsatz folgt, auch wenn das zweite bzw. dritte "da" weggelassen wurde. Die Nebensätze enden also an der Stelle des fehlenden Kommas, der Hauptsatz beginnt dann mit "steht ihm". Gäbe es keinen vorangestellten Nebensatz, der das Subjekt des Hauptsatzes aus der Anfangsposition verdrängt, könnte der Hauptsatz die normale Wortstellung haben: "Das Rederecht ... steht ihm ... zu." Subjekt dieses Hauptsatzes ist also zweifellos "das Rederecht". Da dem nachgestellten zweiten Hauptsatz hinter "und" ein ausdrückliches Subjekt fehlt, muss nach den üblichen Regeln der deutschen Sprache das Subjekt des vorangehenden Hauptsatzes auch das Subjekt dieses nachfolgenden Hauptsatzes ohne ausdrücklich erwähntes Subjekt sein. Dann ergäbe sich also: "Das Rederecht muss gehört werden", der Schreiber meint aber offensichtlich, dass Lorenz gehört werden müsse. Nur sagt er das halt nicht, denn er hat die Regeln der Kongruenz nicht beachtet und "er" als Subjekt des zweiten Hauptsatzes vergessen.
Wem das noch nicht reicht:
In der Regierung muss man davon ausgehen dürfen, das[sic!] diese gesetzlichen Grundlagen bei einem Bevollmächtigten des Bundesrathes als Wissen vorhanden sein muss.
Auch hier wieder fehlt die Kongruenz, denn "sein muss" ist fälschlich an "(das) Wissen" angeglichen statt an das eigentliche Subjekt "diese ... Grundlagen".
Hiermit stelle ich ein Misstrauensantrag gegen ... , des weiteren stelle ich den Antrag ... alle Rechte am Volks-Reichstag und Bundesrath zu entziehen und um Sie Ihrer Ämter entheben zu lassen.
Hier stimmt die Grammatik gleich mehrfach nicht: Bei "ein Misstrauensantrag" fehlt der Akkusativ des Artikels, richtig: "einen Misstrauensantrag", man kann als Abgeordneter, Mitglied o. dgl. schwerlich Rechte "am" Reichstag, Bundesrat(h) oder sonst einer politischen Einrichtung haben (Rechte hat man an einer Sache, einem Eigentum oder Besitz), an dieser Stelle wurde also eine inhaltlich unpassende Präposition verwendet, sodann wechselt der Schreiber auch noch die Satzkonstruktion "und um". Von "Antrag stellen" kann aber kein "um - zu"-Satz abhängen.
Dann kommt zum Schluss noch
der Klassiker:
Wo kein Kläger ist, da gibt es auch kein Richter!
Wie schon aus oben erwähnten Beispielen deutlich wurde, ist dem Schreiber nicht einmal der grundlegende Unterschied und Gebrauch der Kasus Nominativ und Akkusativ geläufig.
Kurz: Da fehlt es an weit mehr als nur an Rechtschreibkenntnissen, da fehlen grundlegende Kenntnisse der deutschen Grammatik. Aber solche Leute gebärden sich als "einzig wahre Deutsche".