Wie weiter PEGIDA?
20Apr2015
Die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, kurz PEGIDA– eine Bewegung, die in den vergangenen Monaten nicht nur die Medien beherrschte, sondern auch, unabhängig von Ort und Zeit, die alltäglichen Gespräche zwischen Arbeitskollegen, Bekannten und Freunden. PEGIDA ermöglicht es, dass die Menschen offen darüber diskutieren und sprechen, welchen Bedenken, Sorgen und Ängsten sie ausgesetzt sind, dass sie sich Montag für Montag bei einem Abendspaziergang unter wehenden Fahnen einfanden und immer noch einfinden, um ihrer Unzufriedenheit mit der herrschenden Politik Ausdruck zu verleihen.
Rückblickend betrachtet erlebte PEGIDA – wenigstens in Dresden – bis Mitte Januar 2015 einen phänomenalen Aufstieg. Vor allem zu Beginn verdoppelten sich die Teilnehmerzahlen von Woche zu Woche. Der Staat verpasste es, frühzeitig die Notbremse zu ziehen und so half eine Kriminalisierung und Diffamierung der Teilnehmer, selbst das unerbittliche Schwingen der so genannten „Nazi-Keule“ nicht mehr, um die Bewegung aufzuhalten. Es bedurfte härterer Maßnahmen, wie etwa der bewussten Spaltung oder gar eines angeblich geplantem Terroranschlages, um den weiteren Aufstieg von PEGIDA erfolgreich zu untergraben. Nach ihrer Erholungsphase hält sich die Volksbewegung kontinuierlich – doch wie weiter? Die Entwicklung von PEGIDA eröffnet ein weites Feld politischer Interpretationen. Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer diskutierten dazu am 16.04.2015 im Steiger am Landhaus. Rund 150 Teilnehmer folgten der Einladung des Monatsmagazins „COMPACT“ zur zweiten Auflage der gleichnamigen Veranstaltungsreihe „COMPACT live“. Kryptonit.cc war mit dabei.
Die Spannung an diesem Abend lag im Wesentlichen darin, dass sich Analysen und Denkformen aus rechts-konservativer Sicht seitens Götz Kubitschek mit den vorwiegend linken Ansichten Jürgen Elsässers trafen, teils ergänzten, aber auch widersprachen. Einigkeit bestand vor allem in der Verortung des Widerstandes gegenüber dem Establishment als Wegbereiter für die Systemfrage.
Mit seinen einleitenden Worten ging Götz Kubitschek, selbständiger Verleger (Verlag Antaios) und Chef-Redakteur der Monatszeitschrift „Sezession“, auf seine grundlegenden Thesen zu PEGIDA ein. Er verdeutlichte die bereits angesprochene Entwicklung der PEGIDA in Dresden sowie ihrer bundesweiten Ableger. Im weiteren Verlauf sprach er auch über die Entwicklung und Wirkung von PEGIDA und über die Erfolge, die diese Volksbewegung bis heute zu verzeichnen hat.
An die Worte Kubitscheks knüpfte Jürgen Elsässer – seines Zeichens sich selbst als Nationalbolschewist bezeichnender Chefredakteur der Monatszeitschrift „COMPACT“ – an. Er beleuchtete die angesprochenen Themen Kubitscheks, erweiterte diese aber auch um ein paar Worte zum Auftritt Geert Wilders am 13.04.2015 in Dresden oder der Themenerweiterung, welche PEGIDA im Verlauf ihrer bisherigen Entwicklung aufgenommen hat.
Elsässer sah in vier Schlüsselpunkten die entscheidenden Themen unserer Zeit, die durch die PEGIDA geöffnet werden müssen: die Überfremdung, das Gesellschaftsexperiment Gender Mainstreaming einhergehend mit der Abschaffung der Familie, die Euro-Frage sowie die Amerikanisierung. Das „I“ in PEGIDA bereite ihm immer ein wenig Bauchschmerz, so Elsässer, da eine Reduzierung auf die Islamisierung nicht ausreichend Raum für einen generellen Prozess der Erneuerung des Volkes unter Bezugnahme auf seine positiven Traditionslinien ermögliche. Diese Gefahr bestehe deutlich und sei durch den Wilders-Auftritt weiter gestiegen. Allerdings, auch hier bestand Einigkeit zwischen Elsässer und Kubitschek, stellte Wilders Rede einen schon beinahe verzweifelten Versuch dar, die Schweigemauer der Medien bzw. die durch diese betriebene Kleinschreiberei zu durchbrechen. Wilders unelegantes Pro-Israel-Bekenntnis zum Schluss seiner Rede traf bei beiden Diskussionspartnern auf deutliche Ablehnung. Der Niederländer habe sich damit außerhalb der Interessen einer deutschen Nationalbewegung gestellt, so Elsässer.Götz Kubitschek
Für Kubitschek liegen die wesentlichen Linien des weiteren Erfolges der Bewegung darin, das große Fragezeichen zu bleiben und sich dabei virulent zu halten. Einer thematischen Einengung und strategischen Festlegung steht er kritisch gegenüber.
Erfolgreich war PEGIDA bereits bei der Ausdehnung des Resonanzraumes der generellen Unzufriedenheit und damit mit der Ausweitung der Kampfzone, so Kubitschek. Wege wie eine Volkswahl des Oberbürgermeisters in Dresden seien strategisch schlau sowie sinnvoll – eine Parteigründung jedoch nicht. PEGIDA müsse der große Unruhefaktor bleiben und dabei den politischen Prozess der Absorbierung durch das bestehende System unterlaufen. Die eigene Rolle sei dabei immer wieder zu hinterfragen und die Bewegung als eigenständiger Machtfaktor in der Auseinandersetzung zu begreifen. Diesen Ansatz ergänzte Jürgen Elsässer mit Hinweisen auf die Mittel des Plebiszits. Bürgerbegehren auf Gemeinde- und Landesebene könnten PEGIDA als eine Art Verhinderer in Stellung bringen, beispielsweise mit dem Sturz eines Oberbürgermeisters Burkhard Jung in Leipzig, der im Volke viel Missmut erregt.
Beide Diskutanten waren sich zwar einig, dass die Berechtigung von PEGIDA mit der Frage „Echte Opposition oder Anpassung?“ steht oder fällt, die nur in Verbindung von so genannten „rechten“ und „linken“ Spektren – also einer Querfront – denkbar ist. Klar unterschieden sie sich hierbei jedoch in Bezug auf die Bewertung rechter und linker Strömungen. Elsässer hält diese „politische Gesäßgeografie“ für ein überholtes Konstrukt aus dem 19. und 20. Jahrhundert, das aus dem nationalen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit resultiere. Durch die Globalisierung sei dieser jedoch verschoben und stehe heute bei 99 Prozent des Volkes gegen ein Prozent der Profiteure des internationalen Finanzkapitals. Für Kubitschek hingegen besteht neben der Notwendigkeit einer Querfront der Kern des Disputs zwischen „Linken“ und „Rechten“ im Menschenbild. Die „Linke“ bemühe sich hierbei um eine „Neukonstruktion des Menschen“, während die „Rechte“ von der Bindung des Menschen an Raum, Zeit, Volk und Kultur ausgehe, die nicht beliebig verschiebbar und abänderlich sei. Laut Kubitschek kann eine Entdämonisierung der Rechten nur durch die Linke betrieben werden.
An das Gespräch zwischen Kubitschek und Elsässer schloss sich eine offene Fragerunde an, die vielfältig, aber auch teilweise kritisch genutzt wurde, jedoch wie in einigen Veranstaltungen zuvor nur wenig Raum bekam, um den zahlreichen Fragen der Anwesenden Antworten zu geben. Und obwohl die offene Fragerunde – trotz der immer noch zahlreich bestehenden Meldungen – offiziell beendet wurde und Diskussionsleiter Martin Müller-Mertens die anwesenden Gäste bereits Katrin Oertelverabschiedete, unterbrach er seine Worte, um einer weiteren Wortmeldung Gehör zu verschaffen. Katrin Oertel griff zum Mikrofon. In ihrem sechsminütigen Redebeitrag versuchte Oertel den Vorwurf des „Spaltpilzes“ von sich zu weisen. Sie habe die Bewegung aus Überzeugung mit gegründet, aber auch aus Überzeugung wieder verlassen. Die Vorwürfe, sie sei gekauft worden, wies sie zurück. Weiterhin sprach sie von einer zunehmenden Radikalisierung der Bewegung, die sie nicht habe mittragen wollen.
Götz Kubitschek konterte, dass Oertel entsprechend seines Eindrucks durch die mit ihr bereits im Vorfeld geführten Gespräche schlicht unter dem öffentlichen Druck zusammengebrochen sei – obwohl dies jedoch nicht das Schlimme an sich und eine fast logische Konsequenz im Ringen von PEGIDA mit dem herrschenden System sei. Er betonte hierbei deutlich, dass dies lediglich das Zucken des Skorpionstachels dieses Systems darstellte, das noch zu wesentlich mehr in der Lage ist, um unliebsame Oppositionelle aus dem Weg zu räumen.
Als Fazit der Gesprächsrunde im Rahmen der zweiten Ausgabe von „COMPACT-live“ in Dresden bleibt somit festzuhalten, dass Entwicklung sowie Deutungshoheit der PEGIDA nach wie vor offen sind. Eine ausführliche Nachbetrachtung inklusive Videodokumentation zur Diskussion zwischen Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek bietet das Magazin „COMPACT“.
Quelle:
http://alt.jn-buvo.de/wie-weiter-pegida/Ein eingebundener Link im Text zum Beitrag im Compact- Magazin zur ausführlichen "Nachbetrachtung" war der:
https://www.compact-online.de/pegida-redivivus-forte-zu-risiken-und-nebenwirkungen-fragen-sie-ihren-neurechten-oder-ihren-nationalbolschewiken/