Ein erster Versuch zur Kritik freigegeben:
Einleitung"Reichsdepp", mag sich der Leser dieses Buches denken, "ist das nicht eine grobe Beleidigung einer Gruppe von Mitbürgern, die zwar möglicherweise seltsame Ansichten vertreten, aber vielleicht dennoch den Respekt der Andersdenkenden verdienen?"
Ja, es ist eine Beleidigung, aber die so Gescholtenen haben sich diese Invektive durch ihre nun eine erhebliche Anzahl von Jahren andauernden Belästigungen von öffentlichen Stellen redlich verdient. Zum anderen hat sich der Begriff hauptsächlich bei den Gegenkräften im Internet eingebürgert und spiegelt auch die Rezeption bei den Betroffenen wieder.
So meldet einer derjenigen, welche das Phänomen mit am ausführlichsten beobachtet, Frank Schmidt in seinen
KRR-FAQ vom 14. Dezember 2004:
- Bericht in Frankfurter Rundschau
Die "Frankfurter Rundschau" (Artikel inzwischen leider nicht mehr zugänglich) berichtet über den leitenden Kriminaldirektor und Chef der Polizeidirektion im sächsischen Grimma, Bernd Merbitz. Merbitz war u.a. der erste ostdeutsche Staatsschutzleiter und kenne, so die FR, die Neonaziszene in Sachsen vermutlich besser als jeder andere Polizist. Da verwundert es nicht, daß Bernd Merbitz auch die "Reichsregierungen" nicht unbekannt sind. In dem Bericht der FR heißt es zu diesem Thema:
"Im Muldentalkreis treten seit längerem Leute in Erscheinung, die sich zu einer "Deutschen Reichregierung" zählen. Ein Haufen Spinner, der die Bundesrepublik nicht anerkennt, eigene Pässe und Führerscheine ausstellt, bundesrepublikanische Gesetze missachtet und eine eigene Regierung gebildet hat. "Das ist längst kein Spaß mehr", sagt Merbitz. Unter den "Reichsdeutschen" seien lauter Handwerker aus seiner Gegend, zum Teil angesehene Leute. "Reichsdeutsche" und NPD, das würde sich munter überschneiden."
http://www.krr-faq.net/archiv1.phpDer Ausdruck Spinner, der bei geplagten Behörden gängige Ansicht sein dürfte, weist bereits begrifflich in die Richtung der Reichsdeppen.
Dennoch war zu dem frühen Zeitpunkt der Begriff "Reichsbürger" auch in öffentlichen Verlautbarungen generalisierend die Regel:
09. Oktober 2004:
- Verhaftung eines "Reichsbürgers".
Während sich einige Behörden immer wieder von "Reichsbürgern" auf der Nase herumtanzen lassen, hat man in Bayern nun hart durchgegriffen. Alles fing damit an, daß ein selbsternannter "Reichsbürger" ein Bußgeld in Höhe von 35 EUR nicht bezahlen wollte (er hatte unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz geparkt). Nach einer Gerichtsverhandlung war schließlich eine Rechnung i.H.v. 104,08 EUR fällig. Der "Reichsbürger" zahlte nicht, die Staatsanwaltschaft beantragte Erzwingungshaft von 2 Tagen, das Gericht zeigte sich großzügig und verhängte 3 Tage Erzwingungshaft. Am 7. Oktober berichtete der Betroffene auf seiner Internetseite von seiner Verhaftung am Freitag der vorangegangenen Woche (Screenshot). Einsichtig zeigt sich der "Reichsbürger" allerdings nicht: er werde auf keinen Fall zahlen und weiterkämpfen.
Quelle: ebenda
Noch weiter zurück dokumentiert der Doyen der Reichsdeppenforschung,
Willi Reichling bereits aus dem Jahre 2008 die Umtriebe verschiedener Reichsregierungen in ihrem Bemühen der einschlägigen Klientel aus Querulanten und verzweifelten Verlierern der Gesellschaft Geld mit dem Verkauf von "Reichspersonenausweisen" aus der Tasche zu ziehen.
http://reichling.wordpress.com/2008/12/Bereits damals ist das Internet das Medium der Wahl um schnell einen großen Kreis von Interessierten zu erreichen.
Aus dieser frühen Epoche stammt also der Bezug zum "Reich", der die Haupt-Namenskomponente unseres Untersuchungsgegenstandes bildet. Dieser Bezug ist bei den Reichsdeppen im weiteren Sinne nicht zwingend, er bildet aber die Basis des staatskritisch motivierten Querulantentums und ist darüber hinaus bei den Haupt- und Großaktivisten der Szene in überraschend unveränderter Form anzutreffen.
Bei den genannten frühen Großmeistern der Dokumentation und Forschung der Reichsbürger kommt der Begriff Reichsdeppen noch nicht vor, hauptsächlich deshalb, weil sich die genannten weniger satirisch als besorgt mit dem Phänomen befassten.
Als Taufpate für den Namen Reichsdepp dürfte das
Anti-Reichsdeppenforum des nach Brasilien ausgewanderten
Herbert Waldherr - besser bekannt als
Hebinho gestanden haben.
Das 20.. gegründete Forum bündelte neben den ernsten Forschern der Szene die Gegenkräfte in satirisch dokumentierender Form, begünstigt durch das Format des Internet-Forums bei dem zuletzt mehrere hundert Forenmitglieder sämtliche dunkle Ecken des Internets, aber auch der bürgerlichen Presse durchforsteten und so ein immenses Archiv an Äusserungen der Reichsdeppen zusammentrugen und kritisch-satirisch kommentierten.
Hier verfestigte sich der Begriff Reichsdepp und wurde so neben der weiterwirkenden despektierlichen Anredefunktion gewissermaßen zum Fachbegriff, der auch dieser Arbeit zugrunde liegt.
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