Autor Thema: OVG Halle 3 L 140/24 - Aufbewahrungsgebühr für Personalausweise  (Gelesen 495 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Mr. Devious

  • Personalausweisler
  • ***
  • M
  • Beiträge: 1006
  • Dankeschön: 3305 mal
  • Karma: 154
  • Auszeichnungen Auszeichnung für 1000 Beiträge Auszeichnung für 750 Beiträge Sehr Wertvolle Beiträge! Bereits 1000 "Danke" erhalten! Wertvolle Beiträge! Schon 100 "Danke" erhalten Auszeichnung für 500 Beiträge
    • Auszeichnungen
Die Höhe der Aufbewahrungsgebühr wurde in diesem Forum vor längerem einmal diskutiert. Das VG Halle hält 3 Euro pro Tag nicht für zu hoch. Das OVG hat den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Spoiler
Das Verwaltungsgericht hat zur Rechtmäßigkeit, insbesondere Verhältnismäßigkeit der Gebührenhöhe in seinen Entscheidungsgründen Folgendes ausgeführt (Urteilsabdruck S. 9 ff):

Randnummer13
„Schließlich ist nichts gegen die einschlägige Gebührenhöhe zu erinnern. Auch soweit der Kläger auf den Fall hinweist, dass ein Personalausweis für eine längere Zeit, etwa mehrere Monate oder Jahre, von der Behörde in Verwahrung genommen wird und hierfür bei einem Gebührensatz von 3 € pro Tag eine sehr hohe Gebühr entsteht, führt dies nicht zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Gebühr. Für eine Verletzung des sog. Gesamtkostendeckungsprinzips des § 3 Abs. 2 Satz 1 VwKostG LSA sind keine greifbaren Gesichtspunkte ersichtlich. Nach dieser Vorschrift sind die Gebühren in den Gebührenordnungen so festzusetzen, dass ihr Aufkommen den auf die Amtshandlungen entfallenden durchschnittlichen Aufwand des Verwaltungszweiges, soweit er nicht durch die Erstattung von Auslagen gedeckt ist, nicht übersteigt. Nach diesem Gesamtkostendeckungsprinzip ist die Gesamtheit des Gebührenaufkommens aus der Tarifstelle 157a nicht nur dem auf die Verwahrung von Pässen und Personalausweisen entfallenden Aufwand, sondern dem Aufwand für die Gesamtheit der in dem entsprechenden Verwaltungszweig anfallenden Amtshandlungen gegenüberzustellen. Das Kostenüberschreitungsverbot in § 3 Abs. 2 Satz 1 VwKostG LSA verlangt nur, dass die veranschlagten Einnahmen die veranschlagten Ausgaben für die wahrzunehmende Aufgabe in ihrer Gesamtheit nicht überschreiten (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 8. Juni 2000 - A 1 S 168/97 - juris Rn. 21). Unter Verwaltungszweig ist dabei im vorliegenden Fall die gesamte Ordnungsverwaltung zu verstehen. Dass die für diesen Verwaltungszweig entstehenden Gesamtkosten durch das Aufkommen aus der Gebühr gemäß Tarifstelle 157a und weiterer für die Ordnungsverwaltung einschlägiger Gebührentatbestände überschritten wird, ist nicht ersichtlich.

Randnummer14
Verletzung des § 3 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA liegt ebenfalls nicht vor. Hiernach sind die Gebühren nach dem Maß des Verwaltungsaufwandes, dem Wert des Gegenstandes der Amtshandlung, dem Nutzen oder der Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner zu bemessen. Die Bemessung der Gebühr nach dem Maß des Verwaltungsaufwandes enthält das Kostendeckungsprinzip, während die Bemessung der Gebühr nach dem Wert des Gegenstandes der Amtshandlung eine einfachrechtliche Ausformung des Äquivalenzprinzips darstellt. Die verschiedenen Ansätze sind alternativ vorgesehen (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 8. Juni 2000 - A 1 S 168/97 - a.a.O. Rn. 26; OVG Lüneburg, Urteil vom 4. Dezember 2019 - 10 LC 261/17 - juris Rn. 105). Das Bemessungskriterium des Wertes des Gegenstands der Amtshandlung ist dabei nicht auf den Gesichtspunkt der Vorteilsabschöpfung reduziert, sondern offen für den Gebührenzweck der Verhaltenslenkung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2012 - OVG 1 B 50.11 - juris Rn. 15). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können auch Lenkungszwecke die Bemessung einer Gebühr rechtfertigen. Die Gebührenbemessung darf auch in diesem Fall nicht in einem groben Missverhältnis zu dem verfolgten Gebührenzweck stehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 - juris Rn. 60 ff.). Die Gebührenhöhe ist so anzupassen, dass sie den objektiven Wert des Gegenstandes der Amtshandlung in Sinne der damit erstrebten Lenkungsfunktion erfasst. Der Gesichtspunkt der Deckung des Verwaltungsaufwands als gebührenbegrenzender Bemessungsfaktor tritt dahinter jedoch nicht völlig zurück. Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips liegt indessen erst bei einem groben Missverhältnis zwischen der Höhe der durch die Leistung verursachten Kosten und der durch die - 11 - Berücksichtigung anderer Gebührenzwecke bedingten Gebührenhöhe vor (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. März 2012 - OVG 1 B 50.11 - a.a.O. Rn. 18 f.).

Randnummer15
Nach diesen Grundsätzen ist die Gebührenhöhe im vorliegenden Fall nicht ausschließlich nach dem Maß des Verwaltungsaufwands oder nach dem Wert des Gegenstands der Amtshandlung im Sinne einer Vorteilsabschöpfung zu bemessen. Denn der Verordnungsgeber verfolgte mit der Einführung der Verwaltungsgebühr für die Verwahrung von Pässen und Personalausweisen gemäß Tarifstelle 157a durch die Zehnte Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung des Landes Sachsen-Anhalt (AllGO LSA) vom 4. September 2019 (GVBl. S. 272) nicht allein der Zweck, die den Kommunen für die Verwahrung entstehenden Kosten zu decken, sondern auch den (Lenkungs-)Zweck, die Bereitwilligkeit zur Abgabe der Ausweise zu senken. Dies wurde in einer Presseerklärung des Ministeriums für Inneres und Sport vom 4. Juni 2018 klargestellt, in der die anstehende Änderung der AllGO LSA mit der Zunahme von Fällen begründet wird, in denen sog. „Reichsbürger“ trotz bestehender Ausweispflicht ihre Personaldokumente an die Ausweisbehörden zurückgeben. Um die den Kommunen dadurch entstehenden Kosten zu decken und diesen Trend einzudämmen, sollte für die Verwahrung der Ausweise ein Gebührentatbestand und -satz in die AllGO LSA eingefügt werden (vgl. Presseerklärung des Ministeriums für Inneres und Sport vom 4. Juni 2018: „Sachsen-Anhalt - Reichsbürger: Verwahrung von Reisepass und Ausweis künftig gebührenpflichtig“, abrufbar unter: https://mi.sachsen-anhalt.de/das-ministerium/presse/details?tx_tsarssinclude_single%5Buid%5D=84781&cHash=c39ebbf20c266f14d7cdc41e738f1f2a). Zuvor war die Einführung einer „Aufbewahrungsgebühr“ aufgrund der Rückgabe von Personalausweisen und Reispässen durch „Reichsbürger“ Gegenstand einer Kleinen Anfrage im Landtag (vgl. LT-Drs. 7/2277, S. 3). Vor diesem Hintergrund durfte die Gebühr für die Verwahrung von Pässen und Personalausweisen so bemessen werden, dass sie zur Erreichung des Lenkungszwecks geeignet ist. Allerdings durfte hierdurch kein grobes Missverhältnis zur Höhe der durch die Leistung verursachten Kosten hervorgerufen werden.

Randnummer16
Diese Vorgaben werden durch die in der Tarifstelle 157a vorgesehene Gebührenhöhe von 3 € je angefangenem Tag beachtet. Die Gebühr von 3 € pro angefangenem Tag wird regelmäßig - unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Lenkungszwecks - nicht außer Verhältnis zum Aufwand der damit abgegoltenen Verwaltungsleistung stehen. Das gilt auch dann, wenn die höchste nach dieser Tarifstelle mögliche Gebühr in den Blick genommen wird (vgl. zu diesem Erfordernis: OVG Lüneburg, Urteil vom 4. Dezember 2019 - 10 LC 261/17 - a.a.O. Rn. 108). Diese beträgt, ausgehend von einer Verwahrung eines Personalausweises ab dem ersten Tag seiner Gültigkeit, einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren gemäß § 6 Abs. 1 PAuswG und einem Gebührensatz von 3 € pro Tag, insgesamt 10.950 € (10 x 365 Tage x 3 €/Tag). Zwar erscheint diese Gebühr außerordentlich hoch mit der Folge, dass sie die Kosten für die Verwahrung des Dokuments einschließlich Festsetzung und Beitreibung der Gebühr regelmäßig übersteigen dürfte. Gleichwohl steht sie nicht außer Verhältnis mit dem durch sie verfolgten Lenkungszweck. Denn dieser zielt darauf ab, dass die Ausweisdokumente gar nicht erst in Verwahrung gegeben werden bzw. nach möglichst kurzer Zeit wieder abgeholt werden, so dass der jeweilige Gebührenschuldner es selbst in der Hand hat, durch ein entsprechendes Verhalten eine derart hohe Gebühr zu vermeiden.“

Randnummer17
Hierauf geht die Zulassungsbegründung nicht konkret ein. Insbesondere wird mit dem Vergleich zu anderen Verwahrgebühren nach der Anlage zur AllGO LSA nicht aufgezeigt, dass ein grobes Missverhältnis zur Höhe der durch die Leistung verursachten Kosten hervorgerufen wird, nur, weil die Gebühr - wovon auch das Verwaltungsgericht ausgeht - die Kosten für die Verwahrung des Dokuments einschließlich der Festsetzung und Beitreibung der Gebühr regelmäßig übersteigen dürfte. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, dass bereits nicht erkennbar sei, dass die Gebührenfestsetzung gegenüber dem Kläger geeignet wäre, ihn zur Rücknahme des „alten Ausweises“ zu bewegen, führt dies nicht weiter. Denn es kommt nicht darauf an, ob der Kläger durch die Festsetzung der Gebühr zur Rücknahme des Ausweisdokuments bewegt wird, sondern, ob die allgemeine Bereitschaft zur Abgabe gültiger (Personal-)Ausweise aufgrund der Gebührenpflichtigkeit gesenkt wird. Entgegen der Darstellung der Zulassungsbegründung ist die Kostenfestsetzung auch nicht aus „Schikane“ gegenüber dem Kläger wegen des von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahrens erfolgt, sondern aufgrund der Rückgabe eines Personalausweises, dem noch Gültigkeit beizumessen ist. Für das Verwaltungsverfahren auf Ausstellung eines „neuen“ Personalausweises hätte es der Übersendung des „alten“, noch gültigen Personalausweises - wie ausgeführt - nicht bedurft.

Randnummer18
Soweit die Zulassungsbegründung vorträgt, das Verwaltungsgericht habe sich bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Gebührenhöhe auf das Feststellen der Geeignetheit des Lenkungszwecks beschränkt, trifft dies schon nicht zu (vgl. Urteilsabdruck S. 9 [4. Absatz] bis S. 12). Dessen ungeachtet bedarf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) sowie zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 u.a. - BVerfGE 144, 369 juris Rn. 62 m.w.N.). Zwischen der kostenverursachenden Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner muss eine besondere Beziehung bestehen, die es gestattet, ihm die Leistung individuell zuzurechnen. Unter Beachtung dieser Kriterien verfügt der Gebührengesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausreichenden Zwecke, etwa des Vorteilsausgleichs, einer begrenzten Verhaltenssteuerung oder sozialer Zwecke, er mit einer Gebührenregelung anstreben will (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 - 9 C 1.20 - juris Rn. 16). Das Äquivalenzprinzip ist die gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Dieses Prinzip verlangt, dass die Höhe der Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu dem gebotenen Vorteil steht, den sie abgelten soll, und dass einzelne Abgabenpflichtige im Verhältnis zu anderen nicht übermäßig belastet werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2019 - 10 C 1.18 - juris Rn. 26). Dass das Verwaltungsgericht diese Grundsätze bei seiner rechtlichen Prüfung nicht beachtet hätte, zeigt die Zulassungsbegründung nicht auf.

Randnummer19
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils folgen auch nicht aus der pauschalen Behauptung des Klägers, dass die „konkrete Gebührenhöhe […] ersichtlich Sanktionscharakter [habe]“. Die Zulassungsbegründung zeigt schon nicht auf, dass durch die Gebührenbemessung das Verhalten des Gebührenschuldners zugleich sanktioniert werde, wenn - wie hier - mit dem in zulässigerweise verfolgten Lenkungszweck der Veranlasser der Verwahrung angehalten werden soll, von einer Abgabe gültiger Ausweispapiere bei der Behörde Abstand zu nehmen bzw. diese zügig wieder in Besitz zu nehmen. Der Betroffene hat es mithin selbst in der Hand, durch ein entsprechendes Verhalten eine derart hohe Gebühr zu vermeiden (so auch Urteilsabdruck S. 12). Dass der Kläger die Gebührenhöhe als Bestrafung wahrnimmt, führt für sich betrachtet nicht dazu, dass der Gebühr ein etwaiger Strafcharakter zukommt. Dies zugrunde gelegt kommt es auf die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Erwägungen der Zulassungsschrift nicht mehr an.
[close]

https://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/bsst/document/NJRE001593088
Liberté, Egalité, FCKAfDé
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: SchlafSchaf, Neubuerger, Reichsschlafschaf