Autor Thema: OVG SH 4 LA 96/21 Beschluß 11.9.2023 kein KWS für Preußen  (Gelesen 376 mal)

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Online Reichsschlafschaf

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Die Behörde hat das getan, was sie gesetzlich soll, nämlich zu unserem stolzen Preußen „im Internet“ recherchiert (obwohl es das zu Zeiten des guten Kaisers noch gar nicht gab) und hat ihm dann den Kleinen Waffenschein wieder weggenommen.

Und das OVG macht da auch noch mit!


Zitat
Gericht:   Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein 4. Senat
Entscheidungsdatum:   11.09.2023
Aktenzeichen:   4 LA 96/21
ECLI:   ECLI:DE:OVGSH:2023:0911.4LA96.21.00
Dokumenttyp:   Beschluss
Normen:   § 45 Abs 2 S 1 WaffG 2002, § 117 Abs 2 S 2 VwG SH, § 116 Abs 4 VwG SH, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 4 Abs 1 Nr 2 WaffG 2002, § 5 Abs 2 Nr 3 Buchst a WaffG 2002, § 5 Abs 2 Nr 3 Buchst c WaffG 2002, § 5 Abs 1 Nr 2a WaffG 2002, § 5 Abs 2 Nr 2b WaffG 2002, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO

    Anfechtung eines Widerrufs des Kleinen Waffenscheins; ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils

Leitsatz

    1. Für den Fall des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts enthält § 45 Abs 2 S 1 WaffG (juris: WaffG 2002) gegenüber § 117 Abs 2 LVwG SH (juris: VwG SH 2019) eine abschließende Sonderregelung. Die in § 117 Abs 2 S 2 i.V.m. § 116 Abs 4 LVwG SH (juris: VwG SH 2019) vorgesehene Jahresfrist, binnen derer ein Widerruf nur zulässig ist, gilt hier nicht. (Rn.10)

    2. Das Waffengesetz bietet keinen Anhaltspunkt, bei Widerruf oder Rücknahme wegen fehlender Zuverlässigkeit zwischen einem Kleinen und einem Großen Waffenschein zu differenzieren. (Rn.12)

    3. Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs 2 Nr 1 VwGO) ergeben sich daraus, dass das Verwaltungsgericht die Zuverlässigkeitsprüfung gemäß § 4 Abs 1 Nr 2 i.V.m. § 5 WaffG (juris: WaffG 2002) nicht wie die Behörde auf die Tatbestände des § 5 Abs 2 Nr 3a aa und c WaffG (juris: WaffG 2002), die zu einer regelmäßig anzunehmenden Unzuverlässigkeit führen, sondern auf § 5 Abs 1 Nr 2a und 2b WaffG (juris: WaffG 2002) und damit auf absolute Unzuverlässigkeitsgründe stützt. (Rn.13)

    4. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO wegen Vorliegens eines Verfahrensfehlers kommt nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge über § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO zu einer Zulassung führen würde. (Rn.16)
Spoiler
erfahrensgang
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, 29. April 2021, 7 A 42/21, Urteil
Tenor

    Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2021 ergangene Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichterin - vom 29. April 2021 wird abgelehnt.

    Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

    Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

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    Der Kläger wendet sich gegen das im Tenor bezeichnete verwaltungsgerichtliche Urteil, mit welchem seine Klage gegen den vom Beklagten verfügten Widerruf seines ihm am 29. Februar 2016 erteilten Kleinen Waffenscheins gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG wegen waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit durch Bescheid vom 27. Oktober 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2020 als unbegründet abgewiesen worden ist. Die Verhaltensweise des Klägers lege es nahe, dass er als der sogenannten Reichsbürgerbewegung zugehörig oder nahestehend angesehen werden könne.

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    Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO ist nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

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    I. Für die Darlegung des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) muss ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten zumindest insoweit in Frage gestellt werden, dass der Erfolg des Rechtsmittels bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (OVG Schleswig, Beschl. v. 14.10.1999 - 4 L 83/99 -, juris Rn. 3; BVerfG, Beschl. v. 16.01.2017 - 2 BvR 2615/14 - in juris Rn. 19 m.w.N.). Hierfür bedarf es einer substantiierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung. Der Sach- und Streitstoff ist in einer Weise zu durchdringen und aufzuarbeiten, die im Einzelnen verdeutlicht, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen den entscheidungstragenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden kann (VGH Mannheim, Beschl. v. 24.11.2020 - 10 S 2012/19 -, juris Rn. 3). Darzulegen ist, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf – aus Sicht des Antragstellers fehlerhaften – tragenden Erwägungen beruht, d.h. die dargestellten Zweifel müssen im konkreten Fall entscheidungserheblich sein. Aus ihnen muss sich die Unrichtigkeit der Entscheidung im (allein relevanten) Ergebnis ergeben; betrifft der Zweifel nur die Begründung oder nur einen von mehreren, die Entscheidung tragenden Gründen, kann eine Zulassung nicht erfolgen (OVG Schleswig, Beschl. v. 14.05.1999 - 2 L 244/98 -, juris Rn. 20).

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    Daran gemessen erfüllt der Kläger die Darlegungsanforderungen nicht.

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    1. In rechtlicher Hinsicht macht er geltend, das erstinstanzliche Gericht habe in Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG verkannt, dass der Waffenbehörde im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit „nachträglich“ überhaupt keine „neuen Tatsachen“ bekannt geworden seien, da ihm der Staatsangehörigkeitsausweis bereits am 24. März 2015, also gut ein Jahr vor Erteilung des Kleinen Waffenscheins am 29. Februar 2016, ausgestellt worden sei. Schon dieses Argument wäre isoliert betrachtet vollkommen ausreichend, um seiner Berufung stattgeben zu müssen, zumal festzustellen gewesen wäre, dass der Antrag bereits im Jahre 2014 gestellt worden sei und der Kläger seitdem unstreitig nie einen zweiten Schritt unternommen habe, um seinen Austritt aus der Rechtsordnung der BRD zu erklären. Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ergebnisrelevanten Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

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    a. Zutreffend ist, dass der Widerruf einer Erlaubnis nach dem Waffengesetz gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG nur für den nachträglichen Eintritt von Tatsachen, die zur Versagung hätten führen müssen, vorgesehen ist (während bei nachträglicher Kenntniserlangung von Tatsachen, die bereits eine Versagung der beantragten Erlaubnis geboten hätten, die Erlaubnis gemäß § 45 Abs. 1 WaffG zurückgenommen wird). Der Kläger übergeht an dieser Stelle jedoch den Umstand, dass das Innenministerium und die von diesem durch Schreiben vom 3. August 2020 unterrichtete Waffenbehörde den Verdacht, dass der Kläger Anhänger der Reichsbürgerbewegung sei, an erster Stelle auf den gemeinsamen Newsletter des Klägers und seiner Ehefrau vom 18. Februar 2020 wegen Meldung als „Verdachtsfall Reichsbürger“ stützten und dass der Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit aus dem Jahre 2014 sowie die Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises im Jahre 2015 in diesem Newsletter als eine von mehreren Ursachen für diese Meldung angeführt wurden. In dem gemeinsamen Newsletter wird außerdem Bezug genommen auf ein Youtube-Interview der Ehefrau vom 5. Februar 2020, welches sie nach den Feststellungen des Innenministeriums mit einem in der Reichsbürgerszene angesiedelten Moderator führte. Auf dieser Grundlage hat das Verwaltungsgericht zwar „insbesondere“ auf den vom Kläger im Jahre 2014 gestellten Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit abgestellt, allerdings ebenso auf die Rückgabe des Personalausweises am 28. November 2016 – mithin auf eine Tatsache, die sich nach Erteilung des Kleinen Waffenscheins ereignete und die sich gemeinsam mit weiteren Tatsachen nach Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises zu einem Gesamtbild fügt. Dass der Kläger seit der Antragstellung „unstreitig nie einen zweiten Schritt unternommen hat, um seinen Austritt aus der Rechtsordnung der BRD zu erklären“, trifft daher nicht zu.

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    b. Nur vorsorglich merkt der Senat an, dass das Urteil auch für den Fall, dass man die Voraussetzungen des Widerrufstatbestandes des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG aus den vorgenannten Gründen verneinen wollte, keinen ernstlichen Zweifeln unterläge, da es dann jedenfalls aus anderen Gründen offensichtlich richtig wäre.

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    § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, verlangt jedoch nicht, die Berufung wegen eines Fehlers zuzulassen, der für den Ausgang des Berufungsverfahrens und damit für das Ergebnis des Prozesses mit Sicherheit bedeutungslos bleiben wird. Das Oberverwaltungsgericht soll sich zu seiner Entlastung nicht mehr mit den Rechtssachen befassen müssen, in denen dies mit Blick auf die zu gewährleistende Gerechtigkeit im Einzelfall nicht erforderlich erscheint und von denen sich ohne den Aufwand eines Berufungsverfahrens schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen lässt, das Verwaltungsgericht habe sie im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben. Das Oberverwaltungsgericht kann demgemäß im Zulassungsverfahren jedenfalls auf solche anderen Gründe abstellen, deren Heranziehung nicht über den Aufwand hinausgeht, der in einem Zulassungsverfahren mit Blick auf dessen Zweck vernünftigerweise zu leisten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Rn. 8 - 10). So läge es hier.

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    Ein anderer Grund, aus dem das angefochtene Urteil unter der oben genannten Prämisse im Ergebnis richtig wäre, liegt in der Tatsache, dass sich der streitige Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zwanglos in eine Rücknahme nach § 45 Abs. 1 WaffG umdeuten ließe für den Fall, dass es maßgeblich auf Tatsachen ankommen sollte, die bereits bei Erteilung des Waffenscheins vorlagen und, wären sie bekannt gewesen, zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 45 Rn. 3a). Dies ergibt sich nach schleswig-holsteinischem Landesrecht aus § 115a Abs. 1 LVwG. Widerruf und Rücknahme wären auf das gleiche gefahrenabwehrrechtliche Ziel gerichtet, die Rücknahme hätte von der Waffenbehörde des Beklagten in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden können und die Voraussetzungen für deren Erlass wären erfüllt. Rechtliche Gründe, die gemäß § 115a Abs. 2 oder 3 LVwG gegen eine Umdeutung sprechen, bestünden nicht. Auch die Rücknahme entspräche der erkennbaren Absicht der Behörde, ohne dass die Rechtsfolgen für den Kläger ungünstiger wären als die des Widerrufs. Schließlich hat der Gesetzgeber die in § 45 Abs. 1 und 2 Satz 1 WaffG normierten Grundregeln des Widerrufs und der Rücknahme waffenrechtlicher Erlaubnisse mit Blick auf die gefahrenabwehrrechtliche Zielsetzung des Waffengesetzes beide als zwingende „gebundene“ Entscheidung ausgestaltet. Beide zielen darauf ab, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 06.07.2015 - 4 MB 16/15 -, juris Rn. 4 m.w.N.).

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    2. Ohne Erfolg bleibt auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, das Gericht habe das Vertrauensschutzinteresse des Klägers angemessen berücksichtigen müssen, weil der Beklagte den Kläger erst mehr als viereinhalb Jahre nach Erteilung des Kleinen Waffenscheins und mehr als fünfeinhalb Jahre nach der Erteilung des Staatsangehörigkeitsausweises wegen des beabsichtigten Widerrufs angeschrieben habe. Es ist allerdings weder dargelegt noch ersichtlich, dass der Beklagte einen Vertrauenstatbestand dahingehend schuf, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht einzuschreiten. Für einen Vertrauensschutz, wie ihn der Kläger geltend macht, findet sich auch im Gesetz kein Anhaltspunkt. Für den Fall des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts enthält § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG gegenüber § 117 Abs. 2 LVwG eine abschließende Sonderregelung. Die in § 117 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 116 Abs. 4 LVwG vorgesehene Jahresfrist, binnen derer ein Widerruf nur zulässig ist, gilt hier nicht. Die Pflicht, Gefahren durch Waffen in der Hand unzuverlässiger Personen zu vermeiden, verbietet deren Anwendung (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 24.06 -, juris Rn. 71; Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 45 Rn. 6). Mit der zwingenden Ausgestaltung von Widerruf und Rücknahme speziell auf dem Gebiet des Waffenrechts hat der Gesetzgeber dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unbedingten Vorrang eingeräumt, um so einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der inneren Sicherheit zu leisten (vgl. VGH München, Beschl. v. 28.04.2021 - 24 CS 21.494 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Mit dieser Zielsetzung wäre die Gewährung eines Vertrauensschutzes unvereinbar.

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    Letztlich aus dem gleichen Grund käme auch eine Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung, die der Kläger ebenfalls anspricht, nicht in Frage (VGH München, Beschl. v. 28.04.2021 - 24 CS 21.494 -, juris Rn. 15 m.w.N.).

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    Unerheblich bleibt schließlich, dass der Kleine Waffenschein „nur“ zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen berechtigt und diese ausschließlich der Selbstverteidigung und/oder der Notfallsignalgebung dienen. Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt, bei Widerruf oder Rücknahme wegen fehlender Zuverlässigkeit zwischen einem Kleinen und einem Großen Waffenschein zu differenzieren. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG ist für den Kleinen Waffenschein lediglich der Sachkunde-, Bedürfnis- und Haftpflichtversicherungsnachweis (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 WaffG) entbehrlich, die Zuverlässigkeitsprüfung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG hat hingegen uneingeschränkt zu erfolgen.

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    3. Weiter stellt der Kläger zutreffend fest, dass das Gericht die Zuverlässigkeitsprüfung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 WaffG nicht wie der Beklagte auf die Tatbestände des § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) aa) und c) WaffG, die zu einer regelmäßig anzunehmenden Unzuverlässigkeit führen, sondern auf § 5 Abs. 1 Nr. 2a) und 2b) WaffG und damit auf absolute Unzuverlässigkeitsgründe stützt. Ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) aa) und c) WaffG vorliegen, hat das Gericht ausdrücklich offengelassen. Selbst wenn es an diesen Voraussetzungen fehlen sollte, weil die maßgeblichen Tatsachen bereits länger als fünf Jahre zurückliegen, hätte das Gericht aber nicht, wie der Kläger meint, den angefochtenen Bescheid aufheben müssen. Denn auch wenn die Waffenbehörde gehalten ist, eine eigenständige Wertung über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu treffen, bleibt es dem Gericht doch unbenommen, die Annahme der Unzuverlässigkeit mit einer anderen rechtlichen Begründung zu bestätigen. Der Kläger verkennt, dass die durch § 5 Abs. 1 und 2 WaffG definierte Unzuverlässigkeit einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt und der Waffenbehörde ebenso wenig wie die Einschreitensvorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG einen Ermessensspielraum eröffnet. Die im Einzelfall zu treffende Entscheidung ist allein durch die Unterordnung des festgestellten einschlägigen Sachverhalts unter die in Absatz 1 und Absatz 2 gesetzlich festgelegten Tatbestandsmerkmale zu treffen und gerichtlicherseits uneingeschränkt überprüfbar (VG München, Beschl. v. 26.04.2023 - M 7 S 23.1898 -, juris Rn. 21 f.; Papsthart in: Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 WaffG Rn. 12 m.w.N.). Gründe, die wegen der zeitlichen Dimension gegen die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG sprechen, führt der Kläger nicht an.

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    4. Das Verwaltungsgericht geht bei seiner rechtlichen Würdigung von folgendem maßgeblichen Rechtssatz aus: „Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und damit letztlich die auf dem Grundgesetz fußenden Rechtsordnungen generell nicht als für sich verbindlich anerkannt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffenrechtes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen und Munition ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Verwendung und Aufbewahrung der Waffen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a) und 2b) WaffG)“. Diesen oder andere entscheidungstragende Rechtssätze greift der Kläger nicht explizit an.

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    5. Gegenstand seines weiteren Vorbringens ist vielmehr eine Kritik am Verfahrensgang, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes und der darauf fußenden Subsumtion in Bezug auf seine Person, dass er dieser Ideologie folge. Auch insoweit ergeben sich allerdings keine ernstlichen Zweifel:

Randnummer16

    a. Soweit der Kläger gelegentlich eine Verletzung des Gebotes zur Gewährung rechtlichen Gehörs rügt und darauf die Annahme ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stützt, bleibt dies ohne Erfolg. Zwar lässt sich annehmen, dass sich eine Verletzung dieses dem Verfahrensrecht zuzuordnenden Gebots zugleich auf die tatsächlichen Grundlagen und damit auf die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung auswirken kann. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen Vorliegens eines Verfahrensfehlers kommt aber nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge über § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu einer Zulassung führen würde (OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 17.02.2021 - 4 LA 208/19 -, juris Rn. 52; speziell zum rechtlichen Gehör: VGH München, Beschl. v. 14.02.2018 - 2 ZB 16.1842 -, juris Rn. 20). Dies ist geboten, um die Konsistenz der Zulassungsgründe im Berufungsrecht zu sichern (Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 43. EL August 2022, § 124 Rn. 26g).

Randnummer17

    Ein Verstoß gegen die verfahrensmäßigen Gewährleistungen des Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht dargelegt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (BVerwG, Beschl. v. 15.09.2011 - 5 B 23.11 -, juris Rn. 3). Bei dem entgegengenommenen Vorbringen des Beteiligten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dies geschehen ist. Das Gericht ist nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschl. v. 14.09.2016 - 1 BvR 1304/13 - juris Rn. 22; v. 27.05.2016 - 1 BvR 1890/15 - juris Rn.14 m.w.N.).

Randnummer18

    Für die Annahme, dass diese Pflicht verletzt worden sein könnte, gibt der Vortrag des Klägers nichts her. Er behauptet u.a., dass die Urteilsbegründung nur so strotze „vor lauter höchst einseitigen Beurteilungen und haltlosen Unterstellungen, und Einlassungen des Klägers in der Verhandlung wie die, dass er ein Pazifist sei, deshalb den Kriegsdienst verweigert habe und niemals auf die Idee käme, außerhalb einer Notwehrsituation auch nur eine Schreckschusswaffe gegen einen Menschen zu richten“, suche man in den Urteilsgründen vergeblich. Dies trifft nicht zu. Ausdrücklich hat sich das Verwaltungsgericht auf S. 12 des Urteils mit dem „ansonsten“ bisher tadellosen Verhalten des Klägers befasst (der seinen Bürgerpflichten nachkomme, ein unbescholtener Bürger sei, Steuern zahle und auch ein berufliches / soziales Engagement für ein gemeinnütziges Projekt in Kenia zeige). Dass an dieser Stelle das Wort Pazifist nicht fällt, bedeutet nicht, dass das Gericht diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Im Übrigen führt der Kläger selbst aus, dass die Einzelrichterin ihn zwar „dem äußeren Anschein nach“ zu Wort kommen lassen und angehört habe, aber ausweislich der Urteilsgründe nicht bereit gewesen sei, seinen Vortrag objektiv, unbefangen neutral, umfassend und fair zu würdigen. Wie das Gericht einen zur Kenntnis genommenen Sachverhalt würdigt, ist jedoch keine Frage des rechtlichen Gehörs.

Randnummer19

    b. Bei der dem Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO aufgegebenen Sachaufklärungspflicht handelt es sich ebenfalls um eine Verfahrensvorschrift. Sollen sich aus ihrer behaupteten Verletzung zugleich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben, kommt dies wiederum nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge über § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu einer Zulassung führen würde (OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 27.01.2021 - 4 LA 165/19 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Eine Verfahrensrüge wiederum erfordert die Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Außerdem muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder auf Grund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der ersten Instanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen zu kompensieren (BVerwG, Beschl. v. 10.08.2017 - 9 B 68/16 -, juris Rn. 8; VGH Mannheim, Beschl. v. 24.11.2020 - 10 S 2012/19 -, juris Rn. 3 m.w.N.; OVG Schleswig, Beschl. v. 11.07.2018 - 2 LA 95/16 -, juris Rn. 8). Dies leistet das Zulassungsvorbringen nicht.

Randnummer20

    Der Kläger bezeichnet zwar einzelne Tatsachen, die er selbst für aufklärungsbedürftig hält, legt aber nicht dar, dass dies auch nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu gelten hat. Vor allem aber finden sich an keiner Stelle seiner Antragsbegründung Ausführungen dazu, dass der anwaltlich vertretene Kläger selbst im erstinstanzlichen Verfahren aktiv auf eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte, indem er etwa die in Rede stehenden Newsletter vorgelegt oder Beweisanträge gestellt hätte.

Randnummer21

    c. Die Verpflichtung des Gerichts, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist nach der überwiegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Revisionsrecht regelmäßig dem materiellen Recht zuzuordnen, da sie den inneren Vorgang der richterlichen Rechtsfindung, aber nicht den äußeren Verfahrensgang betrifft (stdRspr BVerwG, Beschl. v. 01.12.2021 - 2 B 37.21 -, juris Rn. 14 f., Beschl. v. 30.06.2015 - 3 B 47.14 -, juris Rn. 24). Im Verfahren auf Zulassung der Berufung stellen Einwände gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst dann in Frage, wenn schlüssig aufgezeigt wird, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind, weil gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt werden. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung der festgestellten Tatsachen und Beweise genügt dagegen zur Begründung ernstlicher Zweifel nicht. Insbesondere ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nur dann vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht aber schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der favorisierte Schluss vielleicht sogar näherliegt als der vom Gericht gezogene (OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 17.02.2021 - 4 LA 208/19 -, juris Rn. 59; VGH Mannheim, Beschl. v. 24.11.2020 - 10 S 2012/19 -, juris Rn. 3 m.w.N.; OVG Magdeburg, Beschl. v. 15.09.2017 - 2 L 23/16 -, juris Rn. 8; Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 43. EL August 2022, § 124 Rn. 26g), denn es ist die dem Gericht durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO übertragene Aufgabe, sich unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung zu bilden (OVG Schleswig, Beschl. v. 29.03.2018 - 4 LA 37/17 -, juris Rn. 4).

Randnummer22

    Diesen Anforderungen werden die umfangreichen Ausführungen des Klägers nicht gerecht. Sie sind gespickt mit unsachlichen Angriffen gegen das Innenministerium, die Waffenbehörde und die Einzelrichterin und setzen sich vielfach nur in polemischer Art und Weise mit den Urteilsgründen auseinander, statt sich inhaltlich mit den vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen zu befassen. Letztere werden vielfach in unsubstantiierter Weise bestritten oder mit Gegenfragen kommentiert. Sie lassen sich letztlich auf die Behauptung reduzieren, dass der festgestellte Tatbestand „faktenfrei“ sei, weil es für die maßgeblichen tatsächlichen Annahmen und die daraus gezogenen Schlüsse „keinen einzigen konkreten Nachweis“ gebe, sondern dass mit „Unterstellungen, Ungenauigkeiten und Umdeutungen“ gearbeitet werde. Durchgreifende Gründe für die Annahme, dass die gerichtliche Würdigung ernstlichen Richtigkeitszweifeln unterliegt, folgen daraus nicht. Die Gesamtwürdigung betrifft eine Tatsachenfrage - ob jemand der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen ist - und nicht die anschließende Prognose. Steht die Zugehörigkeit fest, ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens in Bezug auf Waffen oder Munition zu prognostizieren (OVG Schleswig, Beschl. v. 16.07.2021 - 4 MB 16/21 -, juris Rn. 23 m.w.N.).

Randnummer23

    An einer plausiblen Erklärung, warum die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen sollten und an einer schlüssigen Darlegung, warum die vorgenommene Würdigung fehlerhaft im o.g. Sinne sein sollte, fehlt es.

Randnummer24

    So behauptet der Kläger, er und seine Ehefrau hätten in dem Newsletter vom 18. Februar 2020 nicht um „Unterstützung“ gebeten, sondern nur informiert. Zu dem vom Innenministerium mitgeteilten und aktenkundigen Inhalt, wonach es in dem Newsletter u.a. heißt: „Wenn Sie unsere Meinung teilen und uns unterstützen möchten, würden wir uns freuen, wenn Sie mittels eines 3-Zeilers …“. äußert sich der Kläger sich jedoch nicht.

Randnummer25

    Nicht bestritten wird, den Staatsangehörigkeitsausweis im Jahre 2014 beantragt und in dem Antrag als Geburtsstaat und Wohnsitzstaat „Preußen“ sowie als weitere Staatsangehörigkeit „Preußen“ angegeben zu haben sowie, dass er – der Kläger – die deutsche Staatsangehörigkeit unter Verweis auf § 4 RuStAG erworben habe durch „Abstammung vom Vater“. Ebenso wenig stellt er in Abrede, seinen Personalausweis zurückgegeben zu haben. Wenn das Verwaltungsgericht ausführt, dass derartige Handlungsweisen reichsbürgertypisch seien und daraus den Schluss zieht, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung nahestehe, wird diese Würdigung nicht dadurch in Frage stellt, dass der Kläger meint, sich zur Notwendigkeit eines solchen Antrages nicht erklären zu müssen, weil er lediglich eine von der Rechtsordnung eingeräumte Option wahrgenommen habe und wenn er darauf verweist, dass der Beklagte den Antrag positiv beschieden habe.

Randnummer26

    Die gerichtliche Frage nach einem nachvollziehbaren Grund für den Antrag ist kein „Gedankenkonstrukt“, mit dem dem Kläger etwas unterstellt werden soll, sondern dient gerade der Prüfung, ob der Schluss von der Antragstellung mit besagtem Inhalt auf ein reichsbürgertypisches Verhalten berechtigt ist. Zudem macht auch § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit und damit die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises (§ 30 Abs. 3 Satz 1 StAG) aktuell von der Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses abhängig. Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn die antragstellende Person einen deutschen Pass besitzt und ihr die deutsche Staatsangehörigkeit nicht bestritten wird (Kluth/Bohley in: BeckOK, AuslR, 38. Ed. 01.07.2023, § 30 StAG Rn. 3 m.w.N.). Mit dieser Ergänzung durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (v. 12.08.2021, BGBl. I 3538) sollten anlasslose Anträge auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, deren Bestehen sonst offensichtlich von niemandem angezweifelt wird, vermieden und die nicht notwendige Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen unterbunden werden. Sie vollzieht die bis dahin bereits bestehende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nach, die für einen derartigen Feststellungsantrag bereits zuvor ein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse verlangte (BT-Drs. 19/28674, 22 f. mit zahlreichen Rspr.-Nachweisen). Ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung oder ein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse lässt sich also gerade nicht damit begründen, dass man den Antrag nur „aus Jux“ oder „aus Neugierde“ stellt, um zu sehen, wie die zuständige Behörde darauf reagiert. Dass der Beklagte den Ausweis dennoch ausstellte, ändert an dem klägerischen Motiv und an seinen Angaben, die zu der Ausstellung geführt haben, nichts; insbesondere geht es nicht darum, die Antragstellung als legal oder illegal („wird faktisch zur Straftat“) zu bewerten. Ob die Ausstellung des Ausweises rechtmäßig war, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant und muss daher nicht entschieden werden.

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    Als schlicht unglaubhaft wertet der Senat im Übrigen die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, er habe bei Antragstellung ernsthaft geglaubt, „Preußen“ als Geburtsstaat und Wohnsitzstaat angeben zu müssen, weil sein Vater „unstreitig vor der Gründung der BRD geboren worden ist und es damals keine andere Staatsangehörigkeit gab“ und dass er – als ein Mensch mit akademischer Bildung – nicht habe erkennen können, „dass diese Angaben ggf. nicht korrekt sind“. Wenn er außerdem behauptet, diese Angaben als juristischer Laie nur deshalb gemacht zu haben, „weil er – aus seiner Sicht – im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfGs von einer völkerrechtlichen Fortexistenz des Deutschen Reichs ausgegangen ist und er auf Grund seiner historischen Kenntnisse davon ausgegangen ist, dass dieses Deutsche Reich erst durch die ihm angehörenden Bundesstaaten – darunter insbesondere auch Preußen – konstituiert ist“, so entbehrt auch das jeglicher Überzeugungskraft. Es belegt vielmehr, dass eine Nähe zur gängigen, aber verkürzten und deshalb zweifelhaften Argumentation der Reichsbürgerbewegung besteht (vgl. nur dpa-factchecking.com/germany/221031-99-332972/).

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    Schließlich stellt auch der Hinweis auf die eigene Gesetzestreue die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Würdigung nicht in Frage. Auf das Vorliegen einer strafbaren Handlung kommt es bei alledem nicht an (vgl. nur OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.09.2021 - 11 LA 69/21 -, juris Rn. 25, 29).

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    Dass das Verwaltungsgericht aus dem Vortrag des Klägers nicht die von ihm gewünschten rechtlichen Schlüsse gezogen hat und nicht zu dem von ihm erstrebten Ergebnis gelangt ist, begründet, wie ausgeführt, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

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    II. Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht.

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    Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erfordert u.a., dass eine Rechts - oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, die klärungsfähig und -bedürftig ist, mithin für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war und dies auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren sein wird sowie, dass sie bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen, ist u.a. auszuführen, dass die aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht; das Aufzeigen einer bloß fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt insoweit nicht (OVG Schleswig, Beschl. des Senats v. 17.02.2021 - 4 LA 208/19 -, juris Rn. 67 m.w.N.).

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    Eine diesen Anforderungen entsprechende klärungsfähige und -bedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Kläger nicht auf.

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    1. Von grundsätzlicher Bedeutung soll die Frage sein, ob die vom Verwaltungsgericht zitierte „sehr weit gefasste Rechtsprechung“ des VGH München „in Schleswig-Holstein — oder sonst wo in Deutschland – wirklich den Maßstab vorgeben darf, wenn man damit – wie es hier geschehen ist – faktisch jeden Bürger willkürlich in die Ecke der „Reichsbürger" stellen bzw. ihm zumindest ein „Nahstehen“ zur Reichsbürgerszene unterstellen darf, um ihm den Kleinen Waffenschein abnehmen zu können“. Offenbar sieht der Kläger insoweit einen Klärungsbedarf, damit das angerufene Berufungsgericht „durch konkret fassliche Kriterien ein rechtsstaatliches Prüfungsprogramm“ vorgibt, an dem sich das Verwaltungsgericht in Schleswig-Holstein auszurichten hat, wenn es auf Grund des Verdachts einer „reichsbürgerrechtlichen Gesinnung“ über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit eines Bürgers zu befinden hat.

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    Diese Frage ist zum einen nicht entscheidungserheblich. Zum anderen bedarf es für ihre Beantwortung keiner Durchführung eines Berufungsverfahrens. Dabei sei vorab klargestellt, dass sich das Verwaltungsgericht nicht „ausnahmslos“ auf die Rechtsprechung des VGH München bezogen hat; vielmehr zitiert es auch Entscheidungen anderer Gerichte. Dessen ungeachtet entscheiden die erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte unabhängig auf der Grundlage geltender Gesetze (Art. 97 Abs. 1 GG). Ob sie im Rahmen der Rechtsfindung der Rechtsprechung eines anderen Obergerichtes folgen und warum, ist ihnen überlassen. Entsprechend ist auch das Verwaltungsgericht Schleswig in Anwendung eines Bundesgesetzes weder an die Rechtsprechung des VGH München noch an die des OVG Schleswig gebunden; diese geben weder einen Maßstab noch ein Prüfprogramm vor. Hat sich das dem Verwaltungsgericht im Instanzenzug übergeordnete Oberverwaltungsgericht zu einer entscheidungserheblichen Frage noch nicht geäußert, ist es Sache der Beteiligten, durch einen entsprechend begründeten Zulassungsantrag eine tatsächlich klärungsfähige und -bedürftige inhaltliche Frage zu formulieren, um eine Klärung in zweiter Instanz herbeizuführen. Gleiches gälte für den Fall, dass sich das im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO divergenzfähige Oberverwaltungsgericht zu einer tatsächlich entscheidungserheblichen Frage schon einmal geäußert hätte, das Verwaltungsgericht aber davon abweicht. Für beide Varianten fehlt es an den erforderlichen Darlegungen.

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    2. Weiter sei zu klären, „ob ein Antrag in einem rechtsstaatskonformen Verfahren gegenüber einer bundesdeutschen Behörde, dem von dieser Behörde stattgegeben worden ist, wirklich schon – isoliert betrachtet – ausreichend sein kann, einem Bürger eine Nähe zur Reichsbürgerszene zu unterstellen, und dies vor dem Hintergrund, dass gerade auch das BVerfG in seiner Rechtsprechung zum Grundlagenvertrag selbst die völkerrechtliche (!) – also rein juristische – Fortexistenz des ‚Deutschen Reichs‘ bestätigt hat“. Auch diese Frage führt nicht auf eine entscheidungserhebliche und verallgemeinerungsfähige Frage. Welche Schlüsse aus der Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gezogen werden können oder müssen, lässt sich – unabhängig von seinem Erfolg – nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entscheiden.

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    3. Schließlich sei obergerichtlich zu klären, ob ein Verwaltungsgericht die „Einschätzungen“ eines Verfassungsschutzes, die hochstrittig sind und deren abschließende gerichtliche Beurteilung in einem noch anhängigen parallelen Verfahren noch aussteht, einfach ungeprüft wie eine „Tatsache“ behandeln und seiner Entscheidung zugrunde legen darf. Diese Frage hat sich dem Verwaltungsgericht nicht gestellt. Vielmehr hat es auf der Grundlage der behördlichen Erkenntnisse eine eigene Bewertung vorgenommen, diese eigenständig gewürdigt und daraus die seines Erachtens für das waffenrechtliche Verfahren relevanten Schlüsse gezogen. Warum ein anderes gerichtliches Verfahren insoweit vorgreiflich sein sollte und das Gericht bei der ihm obliegenden Würdigung an dessen Ausgang gebunden sein sollte, legt der Kläger im Übrigen nicht dar.

Randnummer37

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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    Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

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    Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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