Autor Thema: Amtsgericht Langen: Drohbrief im Reichsbürgerjargon als versuchte Nötigung  (Gelesen 461 mal)

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Offline Mr. Devious

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Drohbrief im Reichsbürger-Jargon: Gesundheitsamt erstattet Anzeige gegen Vater, der seine Kinder nicht impfen lassen will

Ein 53-jähriger Vater will verhindern, dass seine Kinder gegen Masen geimpft werden. Deshalb schreibt er einen Brief in Reichsbürger-Jargon an das Kreisgesundheitsamt. Das Amt erstattet Anzeige.

Dietzenbach – Um der Masernimpfpflicht seiner drei Kinder zu entgehen, hat ein 53-jähriger Ober-Röder einen skurrilen Brief in Reichsbürgermanier an das Dietzenbacher Kreisgesundheitsamt geschrieben. Das Schreiben richtete sich direkt an die zuständige Sachbearbeiterin, die ihn an die Rechtsabteilung weiter leitete. Dort erstattete man Anzeige wegen versuchter Nötigung. Nun wurde der Fall vor dem Amtsgericht Langen verhandelt. Ergebnis: die Einstellung des Verfahrens inklusive einer Geldauflage über 2.500 Euro.

Ohne Verteidiger Ralf Dalla Fini wäre der EDV-Techniker wohl nicht so glimpflich davon gekommen. Gleich nach Verlesung der Anklage verliest der Anwalt eine umfassende Erklärung für seinen Mandanten: „Es ist zutreffend, dass er das Schreiben übermittelt hat. Er hat sich große Sorgen um seine Kinder wegen der Impfung gemacht, hat den Vordruck in einem Chatkanal gefunden und einfach übernommen. Das würde er heute nicht mehr machen.“

Natürlich sei die Rechtsauffassung in diesem Brief bloßer Unfug. In diesem wurde die Sachbearbeiterin aufgefordert, eine amtliche Legitimation in notariell beglaubigter Form vorzubringen, wofür, wie, wodurch und von wem sie Rechte zur Vornahme hoheitlicher Handlungen übertragen bekommen habe. Sie sollte nachweisen, auf welchen Staat und welches Bundesland sie vereidigt worden sei. Für die Beantwortung gab es eine Frist von 21 Tagen.

Verteidiger sieht keine Nötigung, da es keine Drohung gegeben habe
Der im Reichsbürger-Jargon verfasste Brief mündete darin, dass die Sachbearbeiterin bei Verstreichen der Frist unter anderem einem privaten kommerziellen Pfandrecht in Höhe von 700 000 Euro zugunsten des Absenders sowie dem Eintrag in ein internationales Schuldnerverzeichnis zustimmen würde – außerdem ein Pfandrecht über sieben Millionen Euro für den Kreis Offenbach. „Er war damals unter Druck, hat gar nicht richtig verstanden, was er da unterschrieben hat. Später hat er sich dann über die Sache informiert“, sagt Dalla Fini. Der Brief erkläre nur sein Rechtsverständnis. Er sei keine Nötigung. Denn die gehe immer mit der Drohung eines empfindlichen Übels einher. Das sei hier nicht der Fall, begründet der Anwalt.

Richter Volker Horn sieht das anders: „Grundsätzlich muss der Absender eines solchen Briefes immer damit rechnen, dass der Empfänger das Übel ernst nimmt. Die Kreismitarbeiterin musste mit einem Mahnbescheid rechnen. Sie ist ja keine Juristin und kann das nicht einordnen!“ Außerdem sei das nicht sein erstes Vergehen. Im Mai 2022 habe der Ober-Röder schon mal ein ähnliches Schreiben versendet.

Richter stellt Verfahren ein - Angeklagter bittet um Verzeihung
Die 66-jährige Sachbearbeiterin sieht die Sache relativ gelassen. „Wir bekommen auf unsere Anfragen einige unschöne Sachen zurück. In einer Informationsbroschüre wird diese Sache hier beschrieben.“ Die Mitarbeiter seien verpflichtet, solche Schreiben sofort an die Rechtsabteilung weiterzuleiten. „Wenn ich mir bei allem etwas denken würde, dann wäre ich wahrscheinlich nicht mehr im Amt. Ich probiere, so etwas nicht persönlich zu nehmen.“ Mit einer Haftung beziehungsweise zivilrechtlichem Nachteil habe sie nicht gerechnet. Der Angeklagte bittet die Zeugin um Verzeihung.

Für Richter Horn hängt der Tatbestand einer Nötigung also auch davon ab, inwieweit der Empfänger das Schreiben einordnen kann. In diesem Fall konnte die 66-Jährige scheinbar souverän damit umgehen. Er gibt dem Vorschlag des Verteidigers, das Verfahren einzustellen, nach. Staatsanwältin Nina Steinmetz willigt ebenfalls ein, wenn auch mit Bauchschmerzen. Für sie ist die entschuldigende Erklärung des Angeklagten eher albern als für die Sache entschuldbar.

https://www.op-online.de/region/dietzenbach/drohbrief-im-reichsbuerger-jargon-gesundheitsamt-erstattet-anzeige-gegen-vater-92860304.html
Ich weiß nicht immer, was ich will, aber ich weiß immer, was ich nicht will.
 
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Offline lobotomized.monkey

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Ergänzend ein aktueller Fall: https://www.spiegel.de/panorama/masernausbruch-im-vogtlandkreis-erkrankte-kinder-waren-nicht-geimpft-a-fa6a939d-5403-4b87-a880-eda6f433e76c

Zitat
Masernausbruch im Vogtlandkreis: Erkrankte Kinder waren nicht geimpft
29.02.2024, 14.32 Uhr

Im sächsischen Vogtlandkreis hat es einen größeren Masernausbruch gegeben. Betroffen seien zwölf Kinder im Alter von unter einem bis 13 Jahren aus dem Umfeld zweier Familien, teilte das Landratsamt mit.

Der Ausbruch ist offenbar auf eingeschleppte Fälle zurückzuführen, wie der MDR berichtet.  Demnach soll es sich um Kinder aus dem Ausland handeln, die nicht oder nicht ausreichend geimpft worden waren. Wenn Kinder durchgeimpft seien, müssten die Eltern vor Ort nicht mit einer Ansteckung rechnen, sagte Stefan Mertens vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Sachsen dem Sender.

Die Erkrankten befinden sich den Angaben zufolge während der Ansteckungszeit in häuslicher Isolation. Laut aktueller Gesetzeslage müssen Kinder, die Kindergärten, Horte oder Schulen besuchen die Impfung gegen Masern nachweisen.

Gesundheitsamt darf Nachweis für Masernimpfung fordern und Zwangsgeld androhen
Nach Angaben des Landratsamtes ist der Großteil der erkrankten Kinder jünger als sechs Jahre und hat keine Kindertagesstätte besucht. Laut Landratsamt wurde für die kranken Kinder während der Ansteckungszeit eine häusliche Isolation verhängt und die Schulpflichtigen wurden vom Unterricht ausgeschlossen.

Masern zählen den Angaben zufolge zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten und können bei Kindern unter fünf Jahren und Jugendlichen zu schweren Komplikationen führen. Symptome sind etwa Fieber, Bindehautentzündung und der typische Hautausschlag. Wer einmal Masern hatte, ist immun.

Wenigstens 1x möchte ich noch klugshicen: Masern sind deshalb so tückisch, weil sie langfristig das Immunsystem "resetten", d. h. das Immunsystem vergisst die Erreger, mit denen es in Kontakt gekommen war. Die Maserimpfung hat nicht diesen Effekt. Mit der Maserimpfung haben sich deutlich andere Erkrankungen bei Kindern reduziert; somit hat die Masern-Impfung tatsächlich eine (positive) Nebenwirkung.
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Offline Schattendiplomat

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Was sind das für Menschen die ungelesen irgendwelche Vordrucke unterschreiben und versenden?
Warum wird so ein Verhalten zu Gunsten des Beklagten aus?

Ich persönlich finde es ähnlich verwerflich Äußerungen die ich tätige, egal ob mündlich oder schriftlich, nicht vorher zu prüfen als wenn ich diese bewusst tätige.
Das ist einfach eine Frage der Sorgfalt die jeder walten lassen sollte so er mit seinen Mitmenschen interagiert.
Bei anderen Straftatbestände wäre das zumindest eine grobe Fahrlässigkeit, da ein Schreiben zu lesen und zu verstehen bevor man es abschickt eigentlich zum gesunden Menschenverstand gehört.

War aber vermutlich nur ein besorgter Bürger. ::)
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Offline Habra

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Wenigstens 1x möchte ich noch klugshicen: Masern sind deshalb so tückisch, weil sie langfristig das Immunsystem "resetten", d. h. das Immunsystem vergisst die Erreger, mit denen es in Kontakt gekommen war. Die Maserimpfung hat nicht diesen Effekt. Mit der Maserimpfung haben sich deutlich andere Erkrankungen bei Kindern reduziert; somit hat die Masern-Impfung tatsächlich eine (positive) Nebenwirkung.

Ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen: Nach der Masernerkrankung (es gab noch keine Impfung) hatte ich innerhalb der nächsten 18 Monate noch  "Kinderkrankheiten" erwischt: Mumps, Keuchhusten (obwohl ich vor der Masernerkrankung den bereits durchmachte), Windpocken etc.
Und als die Schluckimpfung gegen Polio rauskam, hat mich meine Mutter sofort impfen lassen.

Off-Topic:
Das war noch in der Zeit, als Röntgenbusse in die Ortschaften fuhren und Reihen(pflicht)untersuchungen auf TB machten. Ich möchte das Geschrei heutzutage erleben, wenn es so etwas noch gäbe. Achso, und es gab ja noch die Pockenschutzimpfung, gegen Pocken Geimpfte sind noch an den gerade noch sichtbaren Narben an den Oberarmen zu erkennen, und das war eigentlich auch gewollt(?).  :whistle:

Ich weiß, Opa erzählt vom Krieg. ;D
 
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Ich darf noch ergänzend darauf hinweisen, dass eine erlebte Masern-Infektion auch das Risiko einer SSPE, also einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (4-10 Jahre nach durchgemachter Infektion) bedinhaltet. Eine SSPE verläuft regelhaft letal.
Die Impfung vermag eine SSPE zu verhindern. Ich habe schon ein Kind mit SSPE im Studium gesehen.

http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/55190/SSPE-Risiko-von-toedlicher-Masernkomplikation-haeufig
Nobody except for Goedel became famous by saying it can't be done.
 
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Offline Lonovis

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"Sie müssen nicht alle Kinder impfen lassen. Nur die, die Sie behalten wollen."

Weiß nicht mehr, woher ich das habe.
Wer sich politisch nicht engagiert, hilft im Grunde jenen, die das Gegenteil von dem wollen, was man selber für wichtig und richtig hält. (Alain Berset)
Die Demokratie ist so viel wert wie diejenigen, die in ihrem Namen sprechen. (Robert Schuman)

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