Autor Thema: VG Regensburg RN 10A DS 23.356 - Ahndung von Reichsbürgerei bei Ruhestandsbeamte  (Gelesen 639 mal)

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Interessant ist weniger die Ablehnung des Änderungsantrags als die Wiedergabe der Entscheidungsgründe des vorangegangenen Beschlusses, den ich nirgends finden konnte.

Zitat
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem (erneuten) Antrag auf Aussetzung der vorläufig angeordneten Einbehaltung von Dienstbezügen gegen eine Disziplinarverfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 01.07.2022.
I.
2
Der am …1953 geborene Antragsteller war bis zum 30.06.2018 als stellvertretender Personalamtsleiter bei der Stadt … im aktiven Beamtenverhältnis. Durch Urkunde vom 13.11.2007 wurde er zuletzt mit Wirkung zum 01.12.2007 zum Verwaltungsoberamtsrat (später: Verwaltungsrat) ernannt. Mit Urkunde vom 15.05.2018 wurde er mit Ablauf des 30.06.2018 antragsgemäß in den Ruhestand versetzt. Er bezieht seitdem ein Ruhegehalt aus der Besoldungsgruppe A 13 (Stufe 11). Die Höhe des Ruhegehalts betrug im Juli 2022 4.011,77 EUR.
II.
3
Mit Schreiben vom 29.11.2021 informierte die Stadt … als ehemalige Beschäftigungsbehörde die zuständige Disziplinarbehörde (Landesanwaltschaft Bayern, Art. 19 Abs. 1 Satz 1, Art. 18 Abs. 5 BayDG in Verbindung mit §§ 3 Nr. 1, 4 Abs. 2 S. 1 DVKommBayDG), dass kriminalpolizeiliche Erkenntnisse über den Antragsteller vorlägen (mit Schreiben vom 20.08.2021 war die Stadt … von der Kriminalpolizeiinspektion (Z) … über ein entsprechendes Strafverfahren aufgrund einer Reichsbürgerverdachtsmeldung in Verbindung mit dem Verdacht der Nötigung informiert worden), wodurch der Verdacht der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung bestehe. Insoweit bestehe der Verdacht auf das Vorliegen eines Dienstvergehens, es werde um Prüfung und gegebenenfalls Einleitung eines Disziplinarverfahrens gebeten. Die Stadt … legte der Disziplinarbehörde die entsprechenden Unterlagen aus den strafrechtlichen Ermittlungen, die Personalakte einschließlich der darin enthaltenen Unterlagen des Personalsenats zu Übertragung der Disziplinarbefugnis vor, ferner übertrug sie mit Schreiben vom 09.05.2022 auch die disziplinarrechtlichen Befugnisse nach §§ 2 Abs. 1 Nummer 1 und 4 Abs. 2 Satz 1 DVKommBayDG.
4
Mit Verfügung vom 07.06.2022 leitete der Antragsgegner daraufhin ein Disziplinarverfahren ein. Dem Antragsteller wurde zur Last gelegt, dass er in zwei Briefen vom 18.07.2016 sowie vom 04.10.2016 gegenüber der Leiterin des Finanzamtes … in einer für Angehörige der „Reichsbürgerbewegung“ typischen Weise sich geäußert und dabei die Staatseigenschaft der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt hätte. Anlass des Schreibens vom 08.07.2016 sei die Frage der rechtsstaatlichen Legitimation der Steuererhebung gewesen. Diese habe der Antragsteller dadurch infrage gestellt, dass er die Souveränität und hoheitliche Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt habe und sie als NonGovernment-Organisation (NGO) angesehen habe. Der Antragsteller habe ausgeführt, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Firmenkartell zur Verwaltung des vereinten Wirtschaftsgebietes im Auftrag der Alliierten sei. Die vormalige auf Art. 43 der Haager Landkriegsordnung (HLKO) beruhende hoheitliche Zuständigkeit der Staatsexekutive sei durch die Herrschaft des Zivil und Handelsrechts entfallen. Das Grundgesetz sei im Geiste des andauernden Besatzungsstatuses zur höchsten AGB der BRD-NGO mutiert. Die Bundesrepublik Deutschland sei internationalen Finanz und Wirtschaftsinteressen entsprechend entstaatlicht und privatisiert worden. Dem Bürger gegenüber werde von offizieller Seite die Illusion bzw. Rechtstäuschung eines Staates mit seinen hoheitlich agierenden Behörden aufrechterhalten. Bei der Finanzverwaltung handelt es sich daher um Firmen, die im Auftrag der BRD-NGO Gelder beschaffen und sich dabei auf Gesetze und Verordnungen berufen würden, die nach geltendem Handelsrecht nur als AGBs zu definieren seien. Eine Besteuerung aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung sei nicht legitim. Darüber hinaus habe der Antragsteller die Leiterin des Finanzamtes … aufgefordert, sich bzw. ihr Unternehmen und Handeln rechtsstaatlich zu legitimieren und dies schriftlich innerhalb von 3 Wochen zu beweisen.
5
Anlass für ein weiteres Schreiben am 04.10.2016 sei die Tatsache gewesen, dass das Schreiben des Antragstellers vom 18.07.2016 bis dahin unbeantwortet geblieben sei. Der Antragsteller habe in dem zweiten Schreiben unter anderem wiederholt Nachweise einer rechtsstaatlichen Legitimation von der Leiterin des Unternehmens Finanzamt … thematisiert, aus der Nichtbeachtung seines ersten Schreibens verschiedene Schlussfolgerungen abgeleitet mit der Konsequenz, dass eine strafbare Handlung mit dem Ziel des landesweiten Betrugs und der Vermögensschädigung von Bürgern bestehe.
6
Beide Schreiben wurden in der Einleitungsverfügung vollständig, wortwörtlich wiedergegeben.
7
Dadurch bestehe der Verdacht des Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue bzw. die politische Treuepflicht. Dabei handle es sich um beamtenrechtliche Kernpflichten. Unter Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung wurde ausgeführt, dass diesen Pflichtanforderungen der Antragsteller nicht genüge, wenn er als Reichsbürger oder Anhänger der Reichsbürgerbewegung die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland infrage stelle. Deshalb sei der konkrete Verdacht eines Dienstvergehens gegeben und ein Disziplinarverfahren durchzuführen.
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Der Antragsteller wurde hiervon mit dem Hinweis in Kenntnis gesetzt, dass nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG eine disziplinarrechtliche Sanktionierung auch bei Ruhestandsbeamten möglich sei. Ruhestandsbeamten würde das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müssten. Sofern durch einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht das mit dem Dienstherrn verbundene Vertrauensverhältnis zerstört sei, das für das ordnungsgemäße Funktionieren des öffentlichen Dienstes unerlässlich sei, wären diese Voraussetzungen gegeben. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit gegeben sich hierzu, sowie zur beabsichtigten voraussichtlichen Aberkennung des Ruhegehalts und Einbehaltung desselben in Höhe von 30%, auch unter Darlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, zu äußern.
9
Der Antragsteller wies mit Schreiben vom 14.06.2022 darauf hin, dass eine Disziplinarmaßnahme wegen Zeitablauf nach Art. 16 Abs. 2 BayDG nicht mehr möglich sei, und nach Vollendung einer 43-jährigen vorbildlichen Dienstzeit auch nicht angemessen.
10
Das strafrechtliche Verfahren wegen des Versuches einer Nötigung (durch die beiden Schreiben an das Finanzamt …) wurde in der mündlichen Verhandlung am 30.03.2022 vom Amtsgericht Landshut (Aktenzeichen …28/21) nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
III.
11
Mit Verfügung vom 01.07.2022 ordnete der Antragsgegner den Einbehalt von 30 v. H. des Ruhegehalts des Antragstellers an.
12
Es bestünde ein hinreichender Tatverdacht, dass der Antragsteller ein schweres Dienstvergehen begangen habe. Insoweit wurden die in der Einleitungsverfügung dargestellten Vorwürfe nochmals aufgeführt.
13
Dieser Verstoß gegen die Verfassungstreue bzw. politische Treuepflicht sei schwerwiegend. Der Antragsteller habe mit seinen Ausführungen noch während des aktiven Dienstverhältnisses sich die Ideologie der Reichsbürgerbewegung inhaltlich zu eigen gemacht und unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass er die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere deren Existenz als souveräner Staat, nicht anerkenne. Dadurch habe er auch außerdienstlich gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verstoßen. Für diesen vorsätzlichen Verstoß lägen Rechtfertigungs- oder schuldausschließende Gründe nicht vor. Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens sei eine Aberkennung des Ruhegehalts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Infolgedessen könne die Disziplinarbehörde nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG bei voraussichtlicher Aberkennung des Ruhegehalts die Einbehaltung von bis zu 30 vom Hundert des Ruhegehalts anordnen. Dies ergebe sich aus der Schwere des Dienstvergehens.
14
In der Gesamtschau sei festzuhalten, dass durch die schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die zugleich ein schweres Dienstvergehen darstellen, das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Ruhestandesbeamten verloren gegangen ist. Im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld und auch aus generalspräventiven Erwägungen wäre die Verhängung der Höchstmaßnahme, nämlich die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG angezeigt, falls er noch aktiv im Dienst werde. Diese disziplinarrechtliche Folge erscheine angemessen, erforderlich und geboten. Unter Ausübung sachgerechten Ermessens werde die Einbehaltung des Ruhegehalts in Höhe von 30 vom Hundert angeordnet. Hierbei sei eine gewisse Einschränkung der Lebenshaltung gegeben, jedoch keine existenzgefährdende wirtschaftliche Beeinträchtigung. Der Antragsteller habe zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen bislang keine Angaben gemacht. Aus den vorliegenden Bezügesimulationen gehe hervor, dass dem Ruhestandsbeamten bei einem Einbehalt von 30 vom Hundert ein monatliches Ruhegehalt in Höhe von 2.808,24 EUR brutto, bzw. ca. 2.400,99 EUR netto verbleibe. Der Abstand zur Regelbedarfstufe 1 nach § 28 SGB XII in Höhe von 449,00 EUR sei in jedem Fall ausreichend gegeben.
IV.
15
Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Bezügeeinbehaltung am 26.07.2022.
16
Hinsichtlich des in der Wertung bestrittenen Dienstvergehens sei bereits eine Disziplinarmaßnahme wegen dem Disziplinarmaßnahmenverbot wegen Zeitablaufs nach Art. 16 Abs. 2 BayDG nicht möglich. Zudem liege der Vorfall ca. 6 Jahre zurück und habe weder zum damaligen Zeitpunkt noch später die tatsächliche Dienstausübung des Antragstellers gestört. Diese Schreiben seien in der Eigenschaft als Steuerpflichtiger an das Finanzamt versandt worden. Die Leiterin des Finanzamtes sei auch ausdrücklich dazu aufgefordert worden, die Recherche als unzutreffend zu entkräften. Dadurch sei kein tatsächlicher Schaden jedweder Art für irgendjemanden entstanden. Insoweit läge auch keine verfassungsfeindliche Handlung vor, welche bewusst und erkennbar nach außen betätigt worden sei, sodass keine Außenwirkung vorgelegen habe. Auch sei es unterlassen worden, vom langjährigen Dienstherrn der Stadt … eine ausführliche Stellungnahme über Führung und Leistung sowie ein entsprechendes Persönlichkeitsbild einzuholen. Wegen der Abgabe des Vorgangs an die Landesanwaltschaft habe auch eine mögliche Beteiligung der Personalvertretung nicht stattfinden können. Ferner sei das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör in Form einer Anhörung nach Art. 106 BayBG missachtet worden. Dies stelle einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht dar. Auch bestehe kein öffentliches Interesse an der Verfolgung dieses Vorgangs. Wenn ein Vorgang der vorgenannten Art mit einer lebenslänglich exorbitanten Geldstrafe in Höhe einer Ruhegehaltskürzung von 30 vom Hundert sanktioniert werde, sei dies unverhältnismäßig, vor allem auch im Hinblick auf die 48-jährige, beanstandungfreie Dienstzeit. Zudem hätten die Schreiben vom 08.07.2016 und 04.10.2016 nicht verwandt werden dürfen, da sie dem Steuergeheimnis unterliegen.
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Mit Beschluss vom 23.09.2022 (Aktenzeichen RN 10 ADS 22.1877) lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg den Antrag ab. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt:
„Der Beamte kann bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der Einbehaltung von Ruhegehalt beantragen (Art. 61 Abs. 1, Satz 2 BayDG).
Die Einbehaltung von Ruhegehaltsbezügen ist ganz oder zum Teil auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (Art. 61 Abs. 2 BayDG). Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Hinblick auf Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist zu prüfen, ob die Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, was der Fall ist, wenn im Rahmen des Eilverfahrens aufgrund der vorhandenen Feststellungen die Möglichkeit der Verhängung der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind insoweit ernstliche Zweifel i.S.d. Art. 61 Abs. 2 BayDG zu bejahen. Hinsichtlich des dem Beamten zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass er dieses mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 16a DS 13.706 – juris Rn. 18).
Beim Antragsteller ist hinreichend wahrscheinlich, dass als Disziplinarmaßnahme die Aberkennung des Ruhegehalts erfolgen wird, da er ein Dienstvergehen mit einer Schwere begangen hat, das bei einem aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst bedingen würde.
Aus den vorgelegten Unterlagen (die beiden Schreiben sind unstreitig vom Antragsteller) geht hervor, dass der Antragsteller im Jahr 2016 gegenüber dem Finanzamt … in zwei Schreiben eine Ideologie und Einstellung zum Ausdruck brachte, die ihn als Reichsbürger kennzeichnen, bzw. belegen, dass er dieser Ideologie nahesteht. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut sowie der reichsbürgertypischen Diktion. Der Antragsteller hat sich im Nachgang auch zu keinem Zeitpunkt hiervon distanziert oder klargestellt, dass er dieser Ideologie nicht nahestehe. Aufgrund der eindeutigen Diktion handelt es sich bei den vorgelegten Schreiben auch nicht um spontane, gegebenenfalls aus Ärger oder Wut heraus erstellten unbilligen Unmutsbekundungen, sondern ausführliche reichsbürgertypische Ausführungen zur Frage der Legitimität der Bundesreplik Deutschland, sowie der rechtsstaatlichen Organisation. Auch wenn von dem Antragsteller in der Folgezeit keine weiteren „reichsbürgertypischen“ Äußerungen dokumentiert sind, lässt sich auch eine Distanzierung hiervon nicht annehmen. Noch in seinem Schreiben vom 14.06.2022 führte der Antragsteller während des Disziplinarverfahrens fragend aus, welche Maßnahmen denn die Landesanwaltschaft gegen die Richter des EuGH unternommen hätten, welche am 27.05.2019 geurteilt hätten, dass die BRD mangels Gewaltenteilung kein Rechtsstaat sei.
Damit bestehen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue in schwerwiegender Weise verstoßen hat und verstößt.
Der Antragsteller vertritt und teilt jedenfalls in wesentlichen Aspekten das Gedankengut der Reichsbürger-Ideologie; seine Ansichten sind inhaltsgleich mit sogenannten reichsbürgertypischen Denkansätzen (zur fehlenden Verfassungstreue bei sog. Reichsbürgern, vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2021 – 16a D 19.989 – juris Rn. 60 m.w.N.). Er legt typische Verhaltensweisen der Reichsbürgerszene an den Tag, die aus unterschiedlichen Motiven und mit differierenden Begründungen, unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“- Staatsfeinde, Geschäftemacher, Verschwörungstheoretiker, Stand: Dezember 2018, S. 6; dies aufgreifend: BVerwG, B.v. 20.12.2019 – 2 WDB 5.19 – juris Rn. 11).
Dieser Pflichtenverstoß ist innerdienstlicher Art. Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht, die als beamtenrechtliche Kernpflicht schon wegen ihrer Unteilbarkeit nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt ist, sondern auch das außerdienstliche Verhalten des Beamten betrifft, ist also wegen ihrer Dienstbezogenheit stets als Vergehen innerhalb des Dienstes zu werten (BayVGH, U.v. 28.7.2021 – 16a D 19.989 – juris Rn. 78). Demnach spielt es keine Rolle, ob die pflichtwidrige Handlung am Dienstort und während der Dienstzeit oder – wie im vorliegenden Fall – außerhalb geschehen ist. Die besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG für die Qualifizierung eines außerhalb des Dienstes gezeigten Verhaltens als Dienstvergehen müssen nicht vorliegen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 29.10.1981 – 1 D 50.80 – juris Rn. 56).
Nach der Schwere des begangenen Dienstvergehens sowie im Hinblick auf den durch die Verletzung der Verfassungstreuepflicht eingetretenen Vertrauensverlust kann als angemessene Disziplinarmaßnahme im Regelfall nur auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die nicht verfassungstreu sind (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 91; Leugnen der rechtlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland kann bei einem Beamten aufgrund der dadurch bedingten schwerwiegenden Verletzung der Verfassungstreuepflicht sowie der Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen, U.d. BVerwG v. 02.12.2021 – 2 A7.21-). Inwieweit die konkrete Dienstausübung hierdurch beeinträchtigt war, wie der Antragsteller vorbringt, ist dabei rechtlich nicht relevant.
Dass der Antragsteller zwischenzeitlich in den Ruhestand versetzt wurde, führt ebenfalls nicht zu einem mildernden Umstand (BayVGH, U.v. 28.7.2021 a.a.O. juris Rn. 94). Im Übrigen sind mildernde Umstände im Sinne von anerkannten klassischen Milderungsgründen beim Antragsteller nicht ersichtlich. Der Aberkennung des Ruhegehalts (als Folgemaßnahme zu Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Eintritt in den Ruhestand) ist auch nicht aufgrund eines Maßnahmeverbotes unzulässig. Ein solches ist bei Verhängung der Höchstmaßnahme gesetzlich in Art. 16 BayDG nicht vorgesehen. Eine Personalratsbeteiligung bzw. die Einholung eines Persönlichkeitsbildes hat bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bis zum Ende des Disziplinarverfahrens zu erfolgen. Zum Zeitpunkt des Einbehalts des Ruhegehalts müssen diese Maßnahmen noch nicht erfolgt sein. Eine Anhörung im Rahmen des Disziplinarverfahrens nach den Vorgaben des BayDG (im jetzigen Verfahrensstadium Bekanntgabe der Einleitung eines Disziplinarverfahrens mit den erhobenen Vorwürfen, sowie der Möglichkeit hierzu Stellung zu nehmen) ist ordnungsgemäß erfolgt. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Steuergeheimnis vor. Die Dienstbehörde hat aufgrund einer Mitteilung nach der Bekanntmachung der Anordnung über Mitteilungen in Strafsache (MiStra) auf gesetzlich geregeltem Weg von den Strafverfolgungsbehörden aufgrund einer strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens Kenntnis von den Schreiben erhalten.
Mithin ist der Antragsteller dringend eines Dienstvergehens verdächtig, das mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Aberkennung des Ruhegehalts führen wird.
Somit bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einbehaltung von Ruhegehalt im Sinne von Art. 61 Abs. 2 BayDG, die entsprechende Ermessensentscheidung hinsichtlich des Einbehalts von Ruhegehalt wurde vom Antragsgegner im Hinblick auf das auszuübende Disziplinarermessen ausreichend und einzelfallbezogen nach Art. 39 Abs. 1 BayDG ausgeübt, zumal an die Ausführungen in der Interessenabwägung und deren Darlegung keine übermäßigen Anforderungen zu stellen sind, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – wie hier – die Höchstmaßnahme zu erwarten ist.
Die Anordnung zur Einbehaltung in der Höhe von 30% der Dienstbezüge des Antragstellers gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die gesetzlich gesetzte Grenze bleibt eingehalten und dem Antragsteller verbleiben monatlich 2808,24 EUR brutto, bzw. ca. 2400,99 EUR netto zum Leben.
Nachweise zu seinen wirtschaftlichen Einkommensverhältnissen bzw. Ausführungen hierzu hat der Antragsteller nicht vorgelegt, was zu seinen Lasten geht (BayVGH, B.v. 11.3.2010 – 16a DS 09.2359 – juris Rn. 42).“
18
Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 27.09.2022 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.
19
Mit Schreiben vom 27.09.2022 rügte der Antragsteller, dass seine Auffassung nach das vom ehemaligen Dienstherr erstellte Persönlichkeitsbildes nicht berücksichtigt worden sei. Nach gerichtlichem Hinweis und entsprechender Nachfrage inwieweit die Rüge als Rechtsmittel auszulegen sei, erklärte der Antragsteller mit verschiedenen Schreiben am 10.10.2022, 17.10.2022 und 06.03.2022 an die Kammer bzw. an die Gerichtsleitung weshalb die Entscheidung unter Verstoßes gegen rechtsstaatliche Prinzipien ergangen sei. Der Wille ein Rechtsmittel zu erheben wurde ausdrücklich nicht bestätigt.
20
Mit Schreiben vom 27.02.2023 beantragte der Antragsteller u.a. eine Abänderung des Beschlusses nach Art. 80 Abs. 7 VwGO. Das Persönlichkeitsbild vom 05.08.2022 sei bewusst nicht in die Entscheidung einbezogen worden, obwohl das Gericht dazu verpflichtet gewesen wäre. Eine beamtenrechtliche Verfolgung durch Behörden des F. B. anlässlich einer sowohl grundgesetzlich, als auch völkerrechtlich geschützten Meinungsäußerung in privaten Schreiben sei rechtsstaatswidrig. Das derzeit noch andauernde Disziplinarverfahren verstoße gegen die Beschleunigungsgrundsatz. Trotz gegenteiliger Ankündigung am 10.01.2023 seien die Ermittlungen und das Verfahren immer noch nicht abgeschlossen.
21
Bei den Schreiben an das Finanzamt habe es sich um private, nicht-öffentliche Meinungsäußerungen gehandelt. Ein Schriftverkehr, der erwiesenermaßen weder eine Straftat, noch ein Vergehen beinhaltete, sei grundgesetzlich und völkerrechtlich durch die europäische Menschenrechtskonvention geschützt. Es betreffe den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Deshalb werde ausdrücklich der Verwertung dieser beiden Schreiben widersprochen. Diese Schreiben seien heimlich und ohne das Wissen des Antragstellers weitergeleitet worden. Damit werde gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung sowie den Schutz der Korrespondenz durch Art. 8 EMRK verstoßen. Die Landesanwaltschaft ignoriere diese Sachverhalte bewusst, ermittle einseitig, die Ermittlungsarbeit der Landesanwaltschaft weise sachlich erhebliche Mängel auf. Die Polizei stufe den Antragsteller ohne dessen Wissen in vermeintlich eigener Deutungshoheit als sogenannten Reichsbürger ein, ohne dass hierfür eine gesetzliche Grundlage bzw. Definition bestehe. Tatsächlich handele es sich um einen geschützten, privaten, außerdienstlichen, nicht öffentlichen Meinungsvortrag, welcher von der Finanzamtsleitung beantwortet worden sei. Neben dem nachgereichten Persönlichkeitsbild habe der Vorsitzende Richter des VG Regensburg auch umfangreiche Antragsergänzungen samt Anlagen des Antragstellers ignoriert. Insoweit bestünden Verfahrensmängel.
22
Es werde daher beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses vom 23.09.2022 zugunsten des Antragstellers die rückwirkende Weiterzahlung der vollen Ruhegehalts Bezüge ab dem 01.08.2022 zu verfügen.
23
Der Antragsgegner hat die entsprechenden Behördenakten am 14.03.2023 vorgelegt, und von einer eigenen Antragstellung bislang Abstand genommen.
24
Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegte Disziplinar- und Personalakte sowie die strafrechtliche Ermittlungsakte verwiesen.
V.
25
Der Antrag ist unzulässig.
26
Aus dem Antragschriftsatz vom 27.02.2023 sowie den darauf folgenden Ergänzungen ergibt sich, dass der Antragsteller unter Aufhebung des entgegenstehenden Beschlusses vom 23.09.2022 weiterhin die Aussetzung seiner mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern erfolgten vorläufigen Einbehaltung von Dienstbezügen vom 01.07.2022 begehrt. Hiergegen hatte der Antragsteller seinerzeit trotz entsprechenden Hinweises ausdrücklich keine Beschwerde eingelegt.
27
In dieser Situation ergibt eine am Rechtsschutzziel orientierte Auslegung des streitgegenständlichen (erneuten) Antrags auf Aussetzung des vorläufigen Einbehalts der Bezüge, dass letztlich die Abänderung des inzwischen unanfechtbaren Beschlusses des Verwaltungsgerichtes Regensburg vom 23.09.2022 für die Zukunft und für die Vergangenheit begehrt wird. Ein derartiger Abänderungsantrag kann ausschließlich auf der Grundlage von Art. 61 Abs. 3 BayDG in Verbindung mit § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zum Erfolg führen. Bereits aus dem systematischen Zusammenhang von Art. 61 Abs. 1 mit Abs. 3 BayDG und seinem Verweis auf § 80 Abs. 7 VwGO folgt, dass nach einem formellen rechtskräftigen Beschluss, mit dem das Aussetzungsverfahren abgeschlossen wurde, nicht beliebig oft weitere Aussetzungsanträge gestellt werden können. Vielmehr setzt im Hinblick auf das hierfür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ein Anspruch auf erneute Entscheidung über ein Abänderungsgesuch voraus, dass der Eintritt neuer Umstände oder eine Änderung derartige Umstände geltend gemacht wird, die maßgeblich für die vorangegangene rechtskräftige Entscheidung waren (Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand August 2022, Art. 61 Rn. 8). Denn das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist ein selbstständiges, vom vorangegangenen Aussetzungsverfahren gelöstes Verfahren, dass allein der Möglichkeit dient, einer nachträglichen Änderung der Sach und Rechtslage Rechnung zu tragen. Somit ist zwar der Streitgegenstand – hier: die Vollziehbarkeit des vorläufigen Einbehalts der Bezüge – (teil-)identisch mit dem des bereits abgeschlossenen Verfahrens, jedoch ein abweichender Prüfungsmaßstab anzulegen, ob nämlich nach der aktuellen Sach und Rechtslage die („zukunftsorientierte“ hier zusätzliche „vergangenheitorientierte“) Aussetzung der vorläufigen Bezügeeinbehaltung geboten ist (stRspr BVerwG, B.v. 10.3.2011 – 8 VR 2.11 – juris Rn. 8; B.v. 25.8.2008 – 2 VR 1.08 – juris Rn. 5; B.v. 4.7.1988 – 7 C 88.87 – juris Rn. 5; Hoppe in Eyermann, a.a.O., Rn. 129; zuletzt Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Januar 2020 – 16a DS 19.2142 –, juris).
28
Im Falle eines zulässigen Abänderungsantrages wäre der im Abänderungsverfahren heranzuziehenden Prüfungsmaßstab auch keine vollumfängliche Prüfung der angefochtenen vorläufigen Bezügeeinbehaltung im Hinblick auf ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit (Art. 61 Abs. 2 BayDG), sondern nur eine Prüfung auf die geltend gemachten neuen oder veränderten Umstände. Liegt aber keine Änderung derjenigen Umstände vor, auf die die frühere Entscheidung maßgeblich gestützt war, liefe eine Entscheidung des Gerichts in der Sache auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinaus (BVerwG, B.v. 25.8.2008 – 2 VR 1.08 – juris, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Januar 2020 – 16a DS 19.2142 –, juris). Eine solche wollte im vorliegenden Fall zudem der Antragsteller auch nach gerichtlicher Nachfrage seinerzeit ausdrücklich nicht.
29
Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Vorbringen des Antragstellers nicht geeignet, einen neuen oder geänderten Sachverhalt, der eine erneute Überprüfung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 61 Abs. 3 BayDG in Verbindung mit § 80 Abs. 7 VwGO eröffnen würde, zu belegen. Der Antrag ist daher unzulässig.
30
Der Antragsteller führt im Wesentlichen aus, dass seiner Auffassung nach die gerichtliche Entscheidung vom 23.09.2022 seinen Vortrag, sein Vorbringen und seine Argumentation nicht hinreichend gewürdigt habe. Insbesondere, dass ein für ihn positives Persönlichkeitsbild nicht berücksichtigt worden sei, die beiden Schreiben vom Finanzamt nicht rechtmäßig weitergeleitet hätten werden dürfen und es sich um eine nicht sanktionierbare private Meinungsäußerung gehandelt habe, welche vom Grundgesetz und der Meinungsfreiheit gedeckt sei, und die Ermittlungen einseitig, unfair und zögerlich erfolgen würden. Der dieser Wertung zugrunde liegende Sachverhalt war bereits am 23.09.2022 im Verfahren bekannt, und ist in der Entscheidung auch – wenn auch nicht der Wertung des Antragstellers entsprechend – berücksichtigt worden. Ein neuer oder geänderter Sachverhalt liegt daher nicht vor. Inhaltliche Einwände gegen die Entscheidung hätten zudem jederzeit im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens geltend gemacht werden können. Dies hat der Antragsteller trotz gerichtlichen Hinweises und Nachfrage nicht angestrebt. Das jetzige Verfahren wäre insoweit nichts anderes als ein verspätetes „Rechtsmittelverfahren“ im Rahmen des § 80 Abs. 7 VwGO.
31
Allenfalls als neu im Rechtssinne könnte der Vortrag gewertet werden, dass das Disziplinarverfahren bislang immer noch nicht abgeschlossen ist. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass hier kein dem Beschleunigungsgebot widersprechendes Verhalten der Disziplinarbehörde zugrunde liegt. Nach Übertragung der Disziplinarbefugnis im Mai 2022 wurde dem Antragsteller zuletzt mit Schreiben vom 16.01.2023 mitgeteilt, dass ihm das Ergebnis der Ermittlungen demnächst zur abschließenden Anhörung nach Art. 32 BayDG zugeleitet werden soll. Die durch das vorliegende Verfahren und die damit bedingte Aktenversendung verursachte Verzögerung ist nicht der Disziplinarbehörde anzulasten.
32
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG).

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2023-N-5088?hl=true
Ich weiß nicht immer, was ich will, aber ich weiß immer, was ich nicht will.
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Dr. Who, Neubuerger, Bischlott, Reichsschlafschaf, Goliath