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VG Cottbus 8. Kammer
Entscheidungsdatum: 19.02.2020
Aktenzeichen: 8 K 1194/19
ECLI: ECLI:DE:VGCOTTB:2020:0219.8K1194.19.00
Dokumenttyp: Beschluss
Quelle: juris Logo
Normen: § 2 Abs 1 UVG, § 2 Abs 2 UVG, § 68 Abs 1 S 1 VwGO, § 74 VwGO, § 79 Abs 1 Ziff 1 VwGO ... mehr
Unterhaltsvorschussrecht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach diesem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung von Kindergeld im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
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Der Kläger ist Vater des am 12. Dezember 2012 geborenen T.... Von der Kindesmutter lebt er getrennt. T... ist bei dem Kläger gemeldet.
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Mit Schreiben vom 21. Februar 2019 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Unterhaltsvorschuss für seinen Sohn. Zur Begründung wies er im Wesentlichen darauf hin, dass er und sein Sohn nachgewiesene deutsche Staatsangehörige seien. Der Umgang mit dem Kind werde durch beide Eltern individuell geregelt, der Lebensmittelpunkt von T... befinde sich bei dem Kläger. Unterhaltszahlungen beziehe er nicht. Das Kindergeld werde auf das Konto seines Sohnes ausgezahlt.
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Mit Bescheid vom 29. April 2019 bewilligte der Beklagte dem Kläger für dessen Sohn ab dem 1. Februar 2019 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von monatlich 212 Euro. Die Unterhaltsvorschussleistung in Höhe des gesetzlichen Mindestunterhaltes der 2. Altersstufe (6 bis 12 Jahre) von 406 Euro mindere sich um das für das Kind gezahlte Kindergeld in Höhe von 194 Euro.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 2. Mai 2019 Widerspruch, zu dessen Begründung er nochmals darauf verwies, dass er und sein Sohn nachgewiesene deutsche Staatsangehörige seien und deshalb das Kindergeld nicht angerechnet werden dürfe.
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Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2019, dem Kläger zugestellt am 29. Mai 2019, unter Hinweis auf die Regelung des § 2 Abs. 2 des Unterhaltsvorschussgesetzes zurück.
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Mit Bescheid vom 29. Mai 2019 setzte der Beklagte zudem die Unterhaltsvorschussleistungen ab dem 1. Juli 2019 auf einen Betrag in Höhe von monatlich 202 Euro neu fest, nachdem sich aufgrund des Familienentlastungsgesetzes vom 29. November 2018 und der damit verbundenen Änderung von § 6 Bundeskindergeldgesetz das Kindergeld auf monatlich 204 Euro erhöht habe.
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Mit Schreiben vom 17. Juni 2019 erhob der Kläger bei dem Beklagten wörtlich Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2019, den er erneut mit seiner deutschen Staatsangehörigkeit begründete. Es bestehe zudem ein Anspruch nach „§ 133 SGB XII Übergangsregelung für besondere Hilfen an Deutsche nach Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes.“
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Diesen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2019, dem Kläger zugestellt am 21. August 2019, als unzulässig. Das Vorverfahren sei bereits abgeschlossen und zulässiges Rechtsmittel daher die Klage zum Verwaltungsgericht.
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Am 16. September 2019 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben.
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Er trägt im Wesentlichen vor, dass er seit dem 27. Oktober 2016 nachgewiesener deutscher Staatsangehöriger nach Art. 116 des Grundgesetzes und als solcher zu behandeln sei. Er lebe, da er in der DDR geboren sei, in einem besetzten Land und habe deshalb Anspruch auf Unterhalt, da sonst die Haager Landkriegsordnung keine Geltung mehr hätte. Unterhaltsvorschussleistungen habe er nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen beantragt, da er und sein Sohn sonst längst nicht mehr „unter den Lebenden“ wären.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2019 insoweit sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2019 zu verpflichten, für seinen Sohn Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ohne Anrechnung des von ihm bezogenen Kindergeldes zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist zum einen darauf, dass gegen einen Widerspruchsbescheid kein Widerspruch stattfinde. Zudem nimmt er nochmals Bezug auf die Regelung des § 2 Abs. 2 des Unterhaltsvorschussgesetzes, wonach sich die Unterhaltsleistung um das für ein erstes Kind zu zahlende Kindergeld mindere, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebe, für dieses Anspruch auf volles Kindergeld habe. Das Vorbringen des Klägers liege neben der Sache.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang (1 Heft) ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die aufgrund des Beschlusses vom 25. November 2019 die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheidet, ist bereits unzulässig, soweit sich der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 29. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2019 wendet. Denn insoweit hat der Kläger mit seiner erst am 16. September 2019 erhobenen Klage die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht gewahrt. Diese endete vielmehr nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 29. Mai 2019 gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit Ablauf des 1. Juli 2019. Über die Klage als statthaften Rechtsbehelf und die Klagefrist ist der Kläger in dem Widerspruchsbescheid auch ordnungsgemäß im Sinne von § 58 Abs. 1 VwGO belehrt worden. Dass die Rechtsbehelfsbelehrung mit der Wendung „Gegen diesen Bescheid (…)“ als Gegenstand der Klage den Widerspruchsbescheid bezeichnet, obwohl gemäß der für Verpflichtungsklagen entsprechend geltenden Bestimmung des § 79 Abs. 1 Ziff. 1 VwGO der Ausgangsbescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, den Klagegegenstand bildet, ist jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch sind, unschädlich (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 1. September 1988 – 6 C 56/87 -, juris Rn. 10; Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 1. April 2004 – 1 L 234/03 -, juris Rn. 33).
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Der Bescheid vom 29. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2019 ist damit bereits bestandskräftig.
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Der von dem Kläger am 17. Juni 2019 erhobene Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2019 war demgegenüber unstatthaft und deshalb nicht geeignet, eine Rechtsbehelfsfrist zu wahren bzw. den Eintritt der Bestandskraft zu hindern. Denn der Widerspruch dient gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 69 VwGO der Einleitung eines Vorverfahrens zwecks Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines (Ausgangs-)Verwaltungsaktes. Dieses Vorverfahren, dessen Durchführung grundsätzlich zwingende Prozessvoraussetzung für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ist, endet, wenn die Behörde dem Widerspruch nicht abhilft, mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides, § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der sodann den Klageweg eröffnet; ein nochmaliger Widerspruch ist nicht vorgesehen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. August 2014 – 1 C 2/14 -, juris Rn. 12 ff.). Hierauf hat der Beklagte in seiner Klageerwiderung zutreffend hingewiesen.
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Im Hinblick hierauf ist die Klage des Klägers, soweit er sich damit ersichtlich auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 20. August 2019 wendet, jedenfalls unbegründet. Der Beklagte hat den Widerspruch des Klägers gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2019 vielmehr zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
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Nur höchst ergänzend weist die Kammer zudem darauf hin, dass die durch den Beklagten erfolgte Anrechnung des dem Kläger für seinen Sohn gezahlten Kindergeldes auf die Unterhaltsleistung keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Dies entspricht vielmehr der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes. Der von dem Kläger hiergegen redundant vorgebrachte Einwand, er sei „nachgewiesener deutscher Staatsangehöriger“, steht dem nicht entgegen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Seit Bremen sind die Unterhaltsanträge ja selten geworden, aber gelegentlich kommt doch einer daher.