Autor Thema: VG Greifswald, Urteil 26.6.2019, 6 A 647/18 HGW, RD verliert Waffen  (Gelesen 949 mal)

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Die 2013 erhaltene waffenrechtliche Erlaubnis hat man 2017 schon wieder verloren und somit auch die Waffen.
Hilfreich war wieder einmal eine OWi. Die Belehrung der Behörde durch den Antragsteller, die Jurisprudenz unterscheide zwischen Mensch und Person, war dabei überaus hilfreich.

;D


Zitat
Beurteilung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von Reichsbürgern

1. Die Beurteilung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ist grundsätzlich ein individuell zu prüfender Umstand, bei dem aber auch die Gruppenzugehörigkeit einer Person – ein personenbezogenes Merkmal – als Tatsache heranzuziehen sein kann, um die Annahme der Unzuverlässigkeit zu stützen.
2. „Reichsbürger“ werden vom Verfassungsschutz als eine organisatorisch und ideologisch äußerst heterogene, zersplitterte und vielschichtige Szene bezeichnet, die überwiegend aus Einzelpersonen ohne strukturelle Anbindung besteht. Die Zuordnung zu einer Gruppe „Reichsbürger“ ist demnach kaum möglich.
3. Wer sich aber die verbindende Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zu Eigen gemacht hat, ist in der Regel bereits deshalb waffenrechtlich unzuverlässig, weil er sich in Wort und Tat gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland stellt.
4. Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch sein Verhalten gegenüber Behörden gezeigt, dass er die in der Bundesrepublik Deutschland geltende Rechtsordnung für sich als nicht verbindlich ansieht und für sich ein Rechtsverständnis konstruiert hat, nach dem alleine er darüber entscheiden kann, welchen behördlichen Anordnungen er nachzukommen hat und welchen nicht.

VG Greifswald 6. Kammer, Urteil vom 26.06.2019, 6 A 647/18 HGW

§ 45 Abs 2 S 1 WaffG 2002, § 46 Abs 1 S 1 WaffG 2002, § 46 Abs 2 S 1 WaffG 2002, § 10 Abs 1 WaffG 2002, § 4 Abs 1 Nr 2 Alt 1 WaffG 2002, § 5 Abs 1 Nr 2 WaffG 2002

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Spoiler
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse.

2
Der Kläger war seit dem 7. November 2013 im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis für Sportschützen, erteilt in Form der Waffenbesitzkarte Nr. 00091/2013. Am 24. Mai 2016 wurde ihm eine zweite waffenrechtliche Erlaubnis mit der Waffenbesitzkarte Nr. 00013/2016 erteilt. In der Folge erwarb der Kläger zwei Langwaffen, zwei Kurzwaffen und ein Wechselsystem.

3
Im Rahmen von Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren der Stadt Sassnitz gab der Kläger in einer Einlassung vom 8. Mai 2017 an, die Stadt Sassnitz arbeite nach Firmen- und Vertragsrecht und im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland. Das behördliche Schreiben bezeichnete er als „Angebot“ und gab an, keinen Vertrag mit dem „Unternehmen“ (der Stadt Sassnitz) geschlossen zu haben. Er verbot der Behörde, seinen Vor- und Familiennamen „in Form einer fiktiven juristischen Person“ zu benutzen. Zudem gab er an, kein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Laut seines Personalausweises sei die Staatsangehörigkeit „DEUTSCH“ und er sei Staatsangehöriger eines anderen Staates.

4
In einer weiteren Einlassung vom 11. Oktober 2017 führte der Kläger unter dem Absender „Mensch aus dem Mannesstamme A., Rufname “ u.a. aus:

5
„[…] Die Jurisprudenz unterscheidet zwischen den Rechtsebenen „Mensch“ und „Person“. Mensch ist das mit Verstand und Sprachvermögen begabte Lebewesen von seiner Geburt bis zum Tod. […]. Person ist, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Der wesentliche Unterschied zwischen den genannten Rechtsebenen besteht darin, daß der Mensch „lebendig“ ist und ausschließlich Rechte inne hat. Die fiktive […] juristische Person ist „tot“ und ihr können deshalb (als Objekt) Rechte vorenthalten werden, während eine natürliche Person im Sinne von § 1 BGB Rechtssubjekt ist. […]. Alle Behörden, Firmen und die Justiz in der Bundesrepublik Deutschland, arbeiten nach Firmen- und Vertragsrecht. Um den „Menschen“ zur Annahme eines Vertragsangebotes zu bewegen, das ihn benachteiligt, versuchen sie daher, ihn dazu zu bringen, sich mit dem „Namen“ der fiktiven „Person“ zu identifizieren. Tut er das – auch unbewußt –, ist er im Vertrag. Die von Ihnen beabsichtigte Identifikation mit dem Personalnamen durch Akzeptanz des o.a. Vertragsangebots wird deshalb vom am 27.02.1948 geborenen Menschen aus dem Mannesstamme A. zurückgewiesen.“

6
Am 10. Oktober 2017 teilte das Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern dem Beklagten mit, dass der Kläger der extremistischen Szene der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ zuzuordnen sei und die Zuverlässigkeit des Klägers hinsichtlich der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Frage stehe.

7
Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten zum beabsichtigten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers vom 18. Dezember 2017 äußerte sich dieser in seinem Schreiben vom 26. Dezember 2017 dahingehend, dass die Zuordnung der Person A. zur“ Reichsbürgerbewegung“ haltlos sei. Die Eintragung der Stadt Sassnitz im internationalen Firmenregister UPIK könne nur die Absicht haben, nach Firmen- und Vertragsrecht arbeiten zu wollen. Der nur Naturgesetzen unterworfene Mensch/Mann besitze die Freiheit, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob und wann er seine juristische Person nutzen wolle, um am Rechtsverkehr teilzunehmen. Echte Leistungen von Staat, Banken, Versicherungen, Ärzten oder sonstigen Vertragspartnern seien in Form der Gegenleistung der Bezahlung stets von ihm beglichen worden. Besser könnten „rechtliche Verbindlichkeiten“ nicht anerkannt und zum Ausdruck gebracht werden.

8
Mit Bescheid vom 19. Januar 2018 widerrief der Beklagte die dem Kläger ausgestellten Waffenbesitzkarten (Ziffer 1 des Bescheides). Dem Kläger wurde aufgegeben, die Waffenbesitzkarten innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung an die untere Waffenbehörde zurückzugeben (Ziffer 2) und binnen jener Frist die auf ihn eingetragenen Waffen und gegebenenfalls in dessen Besitz befindliche Munition Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen (Ziffer 3). Für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffer 3 wurde die Anordnung der Sicherstellung der Waffen und der Munition (Ziffer 4), für die Nichtbefolgung der Zurückgabe der Waffenbesitzkarten ein Zwangsgeld in Höhe von 300 Euro angedroht (Ziffer 5) und die Kosten wurden dem Kläger auferlegt (Ziffer 6). Zur Begründung des auf § 45 Abs. 2 Waffengesetz (WaffG) gestützten Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse gab der Beklagte an, dass der Kläger unzuverlässig im Sinne der §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG sei. Dies ergebe sich aus seiner Zuordnung zur „Reichsbürgerszene“. Seine im Bußgeldverfahren gegenüber der Stadt Sassnitz geäußerten Ansichten, dass die Stadt Sassnitz ein Unternehmen sei, das nach Firmen- und Vertragsrecht arbeite, lediglich Angebote zu einem Vertragsschluss unterbreite, seine Vorstellung der Aufspaltung in eine natürliche und fiktive juristische Person und die Angabe Angehöriger eines anderen Staates zu sein, ließen – trotz seines Bestreitens – eine Zuordnung zur „Reichsbürger- und Selbstverwalter“- Szene zu. Zudem stelle er die Bindung an in der Bundesrepublik Deutschland geltende Rechtsvorschriften in Abrede beziehungsweise dessen Einhaltung unter Vorbehalt, woraus zu schließen sei, dass er auch waffenrechtliche Vorschriften nicht als bindend erachte. Jene Zweifel an der Rechtstreue würden sich auch daraus ergeben, dass er im Bußgeldverfahren durch sein Verhalten gezeigt habe, dass er Behörden als Unternehmen und nicht als legitimierte staatliche Einrichtungen ansehe und sich die Entscheidung vorbehalte, welchen Regelungen er Folge leiste.

9
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 28. Januar 2018 Widerspruch ein. Darin führte er aus, dass juristisch nicht bestimmt sei, was „Reichsbürger“ seien. Der Begriff „Reichsbürger“ sei zudem auf das menschenverachtende und intolerante NS-Gesetz gleichen Namens vom 15. September 1935 zurückzuführen. Damit sei eine persönliche und nicht hinnehmbare Entehrung verbunden. Die alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges hätten zwar sämtliches NS-Recht aufgehoben, aber im Zusammenhang mit dem Entzug der Waffenbesitzkarten werde auf jenes Gesetz offensichtlich durch die Verwendung des Wortes „Reichsbürger“ sinngemäß Bezug genommen. Eine Bestätigung des Entzugs der Waffenbesitzkarten mit der ungeheuerlichen Beziehung auf ein verbotenes NS-Gesetz werde er zum Anlass nehmen, den Schriftverkehr dem Royal High Court of England and Wales und der russischen Botschaft in Berlin mit Bitte um Hilfe gegen den Angriff auf die persönliche Integrität, zu übersenden. Anders als im Bescheid unterstellt werde, akzeptiere er die bestehende Rechtsordnung selbstverständlich als verbindlich und halte vertragliche Verpflichtungen peinlich genau ein. Dies zeige er dadurch, dass er die Verfahrenskosten fristgemäß überweisen und die Waffen unter Übersendung der Waffenbesitzkarten innerhalb der sechswöchigen Frist an einen Berechtigten übergeben werde.

10
Mit Schreiben vom 14. Februar 2018 beantragte der Kläger, die sechswöchige Frist zur Überlassung der Waffen an einen Berechtigten und zur Aushändigung der Waffenbesitzkarten erst mit Zustellung des Widerspruchsbescheides wirken zu lassen. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Falls bis zum 19.02.2018 keine gegenteilige Mitteilung vorliegen sollte, wird diesseits davon ausgegangen, daß der Antrag positiv entschieden wurde.“ Mit Schreiben vom 20. Februar 2018 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass mangels Äußerung bis zum vorangegangenen Tag konkludent festgestellt werde, dass der Termin 7. März 2018 hinfällig geworden sei. Mit weiterem Schreiben vom 25. Februar 2018 teilte er dem Beklagten mit: „Da der gestellte Antrag vom 14. bzw. 20. d. M., den Beginn der sechs-Wochenfrist auf den Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids zu verlagern, nicht angesprochen bzw. beschieden wurde, gilt er im Wege der Konklusion als genehmigt, wofür ebenfalls gedankt wird.“

11
Der Beklagte wies den Widersprich mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2018, zugestellt am 17. März 2018, zurück. Es wurde zudem die sofortige Vollziehung der Ziffern 2 und 3 des Ausgangsbescheids angeordnet und in Ziffer 3 bestimmt, dass die im Ausgangsbescheid gesetzte sechswöchige Frist am 7. März 2018 abgelaufen ist. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Begründung des Ausgangsbescheids ergänzend ausgeführt, dass die Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerszene“ und die zweifelhafte Rechtstreue des Klägers durch dessen Einlassungen im laufenden Widerspruchsverfahren noch verstärkt worden seien. Der Antrag, den Beginn der Sechswochenfrist auf die Zustellung des Widerspruchsbescheides zu verschieben, verbunden mit der Annahme durch das Schweigen des Beklagten darauf sei eine Genehmigungsfiktion („Konklusion“) eingetreten, zeige, dass er nicht die Behörde, sondern sich selbst als regelsetzungs- und anweisungsbefugt ansehe. Der Hinweis am Ende des Schreibens vom 28. Januar 2018, im Falle des endgültigen Entzugs der Waffenbesitzkarten die Verwaltungsvorgänge auszugsweise den ehemaligen Siegermächten mit der Bitte um Hilfe zu übersenden, verhärte den Eindruck der zweifelhaften Rechtstreue. Die Tatsache, dass sich der Kläger in bestimmten, ihm opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhalte, belege nicht dessen Zuverlässigkeit.

12
Der Kläger hat am 13. April 2018 Klage erhoben. Er meint, der Schluss, ein „Reichsbürger“ lehne stets die Rechtsordnung ab und sei daher unzuverlässig, treffe nicht zu. Es sei zudem zu bezweifeln, ob die von dem Beklagten bezeichneten „Vorbehalte“ gegen die Rechtsordnung überhaupt ernst gemeint seien, da sie als legitime Ankündigung einer Abwehrbereitschaft dahingehend zu verstehen seien, dass sich der Bürger vom Staat grundsätzlich nichts gefallen lassen müsse. Die Prognose, dass er Vorschriften des Waffengesetzes missachten würde, sei fernliegend und auch nach den Regeln des Anscheinsbeweises nicht haltbar. Er erkenne das gesamte Rechtssystem mit allen Rechtsvorschriften vorbehaltlos an. Als beseeltes Lebewesen besitze er ausschließlich Rechte auch „gegenüber dem Staat“, wie etwa die Verweigerung der Zahlungen an die Stadt Sassnitz, wenn dadurch niemand einen Schaden erleide. Sofern er diese Rechte nutze, könne ihm keine Negierung von Gesetzen unterstellt werden. Mit der Instrumentalisierung der „Reichsbürger“- Sekten und deren Ideologie werde darüber hinaus die Unschuldsvermutung ausgehebelt und eine Beweislastumkehr eingeführt. Die Wahrheit seiner Behauptungen stehe zudem aufgrund seines an das Gericht versandten „Affidavits“ vom 27. Dezember 2018 fest, weil der Beklagte den darin enthaltenen selbst beeideten Tatsachen nicht innerhalb einer Frist von sieben Tag in Form eines Gegenaffidavits widersprochen habe.

13
Der Kläger beantragt,

14
den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2018 aufzuheben.

15
Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

17
Er verteidigt seine getroffene Entscheidung und ergänzt, dass die vorliegende Einschätzung durch das vom Kläger ausgestellte „Affidavit“, mit dem der Kläger zu erkennen gebe, dass er sich auch über prozessuale Regeln hinwegsetze, besonders deutlich werde. Zudem gebe es Einlassungen des Klägers zwischen Dezember 2018 und Februar 2019 gegenüber dem Zweckverband Wasser und Abwasser Rügen (ZWAR), in denen sich der Kläger, statt die Gebührenforderung zu begleichen, als öffentlicher Kreditgeber geriere und den ZWAR mit einem Haftungsakzept abspeisen wolle. Dies sei für die „Reichsbürgerszene“ typisch und belege die weiter fortschreitende Radikalisierung des Klägers. Gleiches gelte für das klägerische Verhalten gegenüber dem Landesamt für Finanzen.

18
Am 28. Mai 2018 ist die Sicherstellung der beim Beklagten vorgefundenen Waffen, Waffenteile und Munition erfolgt.

19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird im Übrigen auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
20
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

21
Die Klage hat keinen Erfolg. Die nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid vom 19. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2018 ist rechtmäßig und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

22
Der Widerruf der Waffenbesitzkarten gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG in Ziffer 1 des Bescheides vom 19. Januar 2018 ist rechtmäßig.

23
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Missbräuchlich handelt grundsätzlich, wer von einer Waffe oder Munition einen Gebrauch macht, der vom Recht nicht gedeckt ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. November 2016 – 21 ZB 15.648 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2013 – 16 A 2255/12 –, juris; Papsthart, in: Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, 9. Aufl., § 5 Rn. 9 m.w.N). Eine missbräuchliche Verwendung ist insbesondere dann zu befürchten, wenn die Gefahr besteht, dass der Erlaubnisinhaber „sein Recht“ außerhalb oder neben der bestehenden Rechtsordnung durchsetzen wird (vgl. BayVGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 21 B 12.964 –, juris; Papsthart, a.a.O., § 5 Rn. 9 m.w.N). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ein individuell zu prüfender Umstand ist (vgl. Papsthart, a.a.O., § 5 Rn. 2 m.w.N.). Auch die speziell von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verlangte Prognose ist deshalb konkret auf diejenige Person zu beziehen, deren Zuverlässigkeit in Frage steht. Die Unzuverlässigkeit anderer, auch nahestehender Personen, rechtfertigt als solche nicht den Schluss auf ihre Unzuverlässigkeit. Individuelle Verhaltenspotentiale werden zwar durch das soziale Umfeld mitbestimmt, weswegen auch die Gruppenzugehörigkeit einer Person – ein personenbezogenes Merkmal – als Tatsache heranzuziehen sein kann, um die Annahme der Unzuverlässigkeit zu stützen. Erforderlich ist dann allerdings, dass zwischen der Annahme der Unzuverlässigkeit und der Gruppenzugehörigkeit eine kausale Verbindung besteht. Gerade die Gruppenzugehörigkeit der Person muss die Prognose tragen, dass diese künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen wird. Nicht ausreichend ist hingegen, dass solche Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe regelmäßig vorgekommen sind oder noch immer vorkommen. Vielmehr müssen bestimmte Strukturmerkmale der Gruppe die Annahme rechtfertigen, dass gerade auch die Person, die in Rede steht, sie künftig verwirklichen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1/14 –, juris, vgl. zu Vorstehendem im Übrigen Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 S 1470/17 –, juris).

24
Personen, die sich die Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zu Eigen gemacht haben, sind in der Regel bereits deshalb waffenrechtlich unzuverlässig, weil sie sich in Wort und Tat gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland stellen. „Reichsbürger“ werden vom Verfassungsschutz als eine organisatorisch und ideologisch äußerst heterogene, zersplitterte und vielschichtige Szene bezeichnet. Sie besteht überwiegend aus Einzelpersonen ohne strukturelle Anbindung, aber auch aus kleinen Gruppierungen, virtuellen Netzwerken und überregional agierenden Personenzusammenschlüssen, wobei verbindendes Element die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehende Rechtsordnung ist (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2017, S. 90). Die Bundesrepublik ist für sie nicht existent, nicht souverän oder eine Firma (Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2016, S. 92). Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Gemein ist der Szene, dass sie sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches beruft. Die Vertreter der Bewegung fühlen sich nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetzen Folge zu leisten, da sie der Ansicht sind, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit nicht existent. Die „Reichsbürgerbewegung“ wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 182). Wer der Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ folgend die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (so auch VG Schwerin, Beschluss vom 6. September 2018 – 7 B 583/18 SN).

25
Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen im Fall des Klägers die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Der Beklagte hat den Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im Ergebnis zu Recht als waffenrechtlich unzuverlässig angesehen. Zu diesem Zeitpunkt war die Prognose gerechtfertigt, dass der Kläger Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden würde. Durch sein Verhalten im Rahmen der Bußgeldverfahren der Stadt Sassnitz 2017 und dem sich anschließenden Verwaltungsverfahren zum Entzug der Waffenerlaubnisse hat er gezeigt, dass er die Bindung an die Rechtsordnung durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise begründete Zweifel daran erweckt, ob er die waffenrechtlichen Vorschriften auch dann noch einhalten würde, wenn sie ihm nicht (mehr) opportun erscheinen. Soweit der Beklagte zusätzlich auf das klägerische Verhalten nach Erlass des Widerspruchsbescheids gegenüber dem ZWAR und dem Landesamt für Finanzen abgestellt hat, ist dies für die Frage der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ohne Bedeutung, verdeutlicht jedoch die Haltung des Klägers zur Rechtsordnung.

26
Die vom Kläger im Bußgeldverfahren gegenüber der Stadt Sassnitz geäußerte Ansicht, dass jene nur ein nach Firmen- und Vertragsrecht arbeitendes Unternehmen sei, das Vertragsangebote unterbreite und es zu einem Vertragsschluss nur dann komme, wenn sich die natürliche Person mit der fiktiven juristischen Person identifiziere, zeigt bereits, dass der Kläger Behörden nicht als legitimierte staatliche Einrichtungen ansieht. Er behält sich durch diese Sichtweise selbst die Entscheidung vor, welchen Regelungen er durch eine Annahme des vermeintlichen Vertragsangebots Folge leisten möchte und welchen nicht. Die in seinen Schreiben verwendete Angabe „Mann mit dem Rufnamen aus dem Mannesstamme A.“, um die angeblich existierende Aufspaltung in eine natürliche und juristische Person zu demonstrieren, verdeutlicht ebenfalls seine Abkehr von der Rechtsordnung.

27
Der Einwand des Klägers, er akzeptiere die bestehende Rechtsordnung selbstverständlich als verbindlich und seine Vorbehalte seien nicht ernst gemeint, verfängt nicht. Dies zeigt sich besonders deutlich in seinem Verhalten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens. In seinem Widerspruch vom 28. Januar 2018 kündigte der Kläger noch als Zeichen seiner Rechtstreue an, seine Waffenbesitzkarten innerhalb der vom Beklagten gesetzten sechswöchigen Frist an diesen zurückzusenden und die Waffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen. Mit Schreiben vom 14. Februar 2018 versuchte er dagegen die entsprechende Frist erst mit Zustellung des Widerspruchsbescheids beginnen zu lassen und ging aufgrund des Schweigens des Beklagten davon aus, dass jene Fristverlängerung als genehmigt gilt. Indem er dabei dem Schweigen eine rechtserhebliche Bedeutung zumisst, die sowohl dem deutschen Verwaltungsrecht als auch der gesamten deutschen Rechtsordnung grundsätzlich fremd ist, demonstriert er seine Unfähigkeit, sich an materielle und prozessuale Rechtsvorschriften zu halten. Er konstruiert damit zudem ein Rechtsverständnis, nach dem es in bedenklichem und von der Rechtsordnung nicht gedecktem Maße in seinem Ermessen liegt, der Behörde rechtserhebliche Erklärungen in den Mund zu legen und sein Verhalten anschließend daran auszurichten. Waffen und Munition mussten schließlich nach Ablauf der Frist beim Kläger sichergestellt werden, das Recht somit aufgrund seines Widerstands zwangsweise durchgesetzt werden.

28
Der Prognose der missbräuchlichen Verwendung von Waffen und Munition durch den Kläger kann auch nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass es bisher noch nicht zu Verstößen gegen das Waffengesetz gekommen ist oder der Kläger sich in bestimmten – ihm opportun erscheinenden – Situationen im Einklang mit der Rechtsordnung verhält. In Anbetracht des gefahrenvorbeugenden Charakters des § 5 WaffG und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, kann für eine negative Zuverlässigkeitsprognose nicht bis zu dem Zeitpunkt abgewartet werden, in dem es tatsächlich zu einer Verletzung von Vorschriften des Waffenrechts gekommen ist (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Oktober 2017 a. a. O., m. w. N.). Hinzu kommt, dass der Kläger durch sein widersprüchliches Verhalten im Zusammenhang mit der Abgabe der Waffenbesitzkarte und des Überlassens seiner Waffen und Munition an einem Berechtigten auch gerade gezeigt hat, dass er sich auch an Vorschriften bzw. Anordnungen im Bereich des Waffenrechts nicht uneingeschränkt hält.

29
Soweit der Kläger meint, die Wahrheit seiner Behauptungen und die damit verbundene Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit der Bescheide stehe aufgrund seines sogenannten Affidavits vom 27. Dezember 2018 und des Fehlens eines fristgemäßen Gegenaffidavits des Beklagten fest, wird darauf hingewiesen, dass dem deutschen Verwaltungsprozessrecht ein derartiges Institut fremd ist und insofern keine rechtserheblichen Folgen aus der Untätigkeit des Beklagten folgen. Die Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit der angegriffenen Bescheide ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus der Verwendung des Wortes „Reichsbürger“ durch den Beklagten. Die Benutzung des Wortes führt nicht zu einer Bezugnahme oder einer Anwendung des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935. Es dient lediglich zur Kategorisierung einer heterogenen Szene, deren verbindendes Element die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und deren bestehender Rechtsordnung ist (vgl. Verfassungsschutzbericht 2017, S. 90). Der klägerische Hinweis auf die Umgehung der Unschuldsvermutung verfängt ebenso nicht, da jene nur im Strafrecht und nicht im Gefahrenabwehrrecht gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 – 1 A 3/15 –, juris; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2018 – 10 B 10142/18 –, juris).

30
Aus der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten des Klägers folgt weiterhin seine Verpflichtung, die Erlaubnisurkunden gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG unverzüglich zurückgeben und die in seinem Besitz befindlichen Waffen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG entweder dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und dies dem Beklagten nachzuweisen. Die von dem Beklagten gesetzte Frist von sechs Wochen ab Zustellung des Ausgangsbescheides ist auch angemessen. Die weiteren Nebenentscheidungen des Beklagten sind ebenfalls rechtmäßig, diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Bescheid verwiesen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

32
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
[close]
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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Re: VG Greifswald, Urteil 26.6.2019, 6 A 647/18 HGW, RD verliert Waffen
« Antwort #1 am: 12. Oktober 2019, 20:39:46 »
Schweigen bedeutet niemals Zustimmung. Außer, es passt mir in den Kram.
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Re: VG Greifswald, Urteil 26.6.2019, 6 A 647/18 HGW, RD verliert Waffen
« Antwort #2 am: 12. Oktober 2019, 20:43:01 »
Diese Haltung "Schweigen bedeutet Zustimmung" finde ich ja vor allem bei den "GEZ-Verweigerern" immer wieder witzig. Wenn die ihre Brief zurückschicken und schweigen, dann stimmen sie nach dieser Logik ja vollumfänglich zu.  ;D
"Der Pfarrer predigt nur einmal!"
 
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