Mir sind die Artikel in Frühwalds Postille ja schon öfter aufgefallen, aber jetzt muss ich die doch mal kommentieren.
Es geht um
http://staseve.wordpress.com/2014/06/26/fukushima-weiterhin-erhohte-strahlenwerte-in-sud-und-mitteldeutschland/Hier behauptet Frühwald, dass wegen irgenwelcher Ereignisse in Japan in Deutschland die gemessene Ortsdosisleistung steigt. Mal abgesehen von naheliegenden Dingen wie die große Entfernung nach Japan, aufgrund derer es gar nicht sein kann, dass ein Ereignis in Japan binnen Stunden/Tagen zu meßbaren Ereignissen in Deutschland führen, ist das aber auch ansonsten die übliche Reichi-Verdummung.
Zum Thema Fukusima werde ich mich erst einmal nicht weiter äußern, bei Interesse kan ich aber auch gerne dazu etwas schreiben.
Zurück zum Thema Ortsdosisleistung. Was versteht man unter Dosis (siehe auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Dosisleistung)? Strahlendosis ist eine Größe, die die Wirkung von ionisiernder Srahlung auf Materie beschreibt. Je höher die Dosis umso größer die Auswirkungen. Die Höhe der Auswirkunen richtet sich dabei zum Einen nach der von der Materie aufgenommenen Strahlungsenergie und zum Anderen nach der Art der Strahlung.
Die von der Materie aufgenommene Strahlungsenergie wird durch die Energiedosis D (
http://de.wikipedia.org/wiki/Gray) beschrieben. Die Einheit dafür ist das Gray oder kurz Gy. Dabei gilt 1 Gy = 1 J/kg. Eine Energiedosis von 1 Gy liegt also vor, wenn ein Körper der Masse 1 kg eine Strahlungsenergie von 1 J absorbiert hat.
Je nachdem, ob es sich um Alpha-, Beta- oder Gamma-Strahlung handelt, wird die Energiedosis noch mit einem Wichtungsfaktor multipliziert. Für die in Frühwalds Bericht betrachtete Gammastrahlung ist dieser Faktor 1. Im Ergebnis erhält man die Äquivalentdosis H (
http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84quivalentdosis). Die Einheit der Äquivalentdosis ist das Sievert oder kurz Sv, wie Frühwlad in seinem Artikel richtig geschrieben hat.
Es gilt H = w * D, wobei hier w = 1 ist.
Die Äquivalntdosis gibt an, wie schädlich die Strahlung für den Menschen ist. Frühwald hat richtig geschrieben, dass die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland im Mittel bei 2 mSv im Jahr liegt und dazu etwa 1 mSv pro Jahr aus antropogenen Quellen (Kernkrafweke, Atombombentest, medizinische Anwenungen kommen). Siehe auch:
http://www.bfs.de/de/ion/faq_istrahlung.html/#3Was Frühwald aber verschweigt ist, dass die natürliche Strahlenbelastung stark schwanken kann. In Deutschland kann sie bis zu 10 mSv im Jahr betragen, in Brasilien oder Indien sogar bis 40 mSv im Jahr (unsere armen Nationalspieler).
Woher kommt das? Für die natürliche Strahlendosis gibt es drei Quellen:
1. Ionisierende Strahlung aus der Sonne (Höhenstrahlung)
2. Langlebige natürliche radioaktive Stoffe im Boden wie Uran, Thorium und ihre Zerfallsprodukte, wie zum Beispiel Radium (terrestrische Strahlung)
2a. Beim Zerfall natürliche radioaktive Stoffe entstehende gasförmige Radionuklide: Radon (Rn)
3. Ständig in der Atmosphäre von der Höhenstrahlung neu gebildete kurzlebigere radioaktive Stoffe wie K-40, C-14, H-3 etc.
Die Höhenstrahlung hängt hauptsächlich von der Höhe über dem Boden und der geographischen Breite ab. Die Höhenstrahlung besteht hauptsächlich aus geladenen Teilchen. Sie wird durch das Erdmagnetfeld abgeschirmt (daher hat Tina Wendt recht, wenn sie vor einem Zusammenbruch des Erdmagnetfelds warnt, ein Polsprung, also eine Umpolung des Erdmagnetfelds, wäre aber für die Abschirmwirkung belanglos).
In unseren Breiten ist die Höhenstrahlung als konstant anzusehen. Sie spielt vor allem in großer Höhe (Berge, Flugzeug eine Rolle).
Bei den natürlichen radioaktiven Stoffen im Boden sieht es anders aus. Hier richtet sich die Dosis nach der Zusammensetzung des Bodens. Wenn viele natürliche radioaktive Stoffe enthalten sind, dann ist die Äquivalentdosis an diesem Ort hoch, wenn nur wenige radioaktive Stoffe enthalten sind, dann ist sie niedrig.
Die Ortsdosisleistung ist somit die an einem bestimmten Ort gemessene Äquivalentdosis für eine gegebene Zeit. Im Mittel liegt die Ortsdosisleistung in Deutschland bei 2 mSv im Jahr = 0,00023 mSv pro Stunde. Diese Zahlen sind schlecht zu handhaben, daher verwendet man das Mikrosievert bzw. Nanosievert als kleinere Einheiten. Es gilt:
1 mSv = 1.000 µSv = 1.000.000 nSv
Die mittlere Ortsdosisleistung in Deutschland liegt demnach bei 230 Nanosievert pro Stunde (nSv/h).
Die 2 mSv im Jahr nennt Frühwald selbst in seinem Artikel, behauptet dann aber etwas von einem Schwellenwert von 120 nSv/h. Das die beiden Zahlen nicht zusammenpassen dürfte einleuchten (Mario würde sagen, dass es sich um offenkundige Tatsachen handelt).
Ich könnte also hier bereits meinen Artikel beenden mit dem Fazit: Reichsdeppen können kein Mathe.
(Wer den tatsächlichen Grund für die verschiedenen Schwellenwerte erfahren will, der kann hier nachlesen:
http://odlinfo.bfs.de/faq.phpKurzfassung: Es handelt sich lediglich um einen Wert, bei dessen Überschreitung die Daten des automatischen Systems überprüft werden, ob zum Beispiel eine Sonde defekt ist oder tatsächlich ein radiologisches Ereignis vorliegt. Ein solcher Wert muss sinnvollerweise oberhalb der normalen Messwerte liegen, sonst käme es ja ständig zu Alarmen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Schwellenwerte an jeder Messstelle anders sind und diese auch hochgesetzt werden, wenn ein langfristiger Trend zu höheren Messwerten festzustellen ist und dies nicht durch technische Probleme verursacht ist.)
Aber Frühwald hat noch einen zweiten Punkt. Er behauptet, dass bei Regen die Dosisleistung kurzzeitig stark ansteigt. Dies ist richtig (siehe auch
http://odlinfo.bfs.de/interpretation.php#Natur und hier Abbildung 2) stellt aber kein Grund zur Besorgnis dar. Warum?
Kommen wir zurück zu den natürlichen radioaktiven Stoffen im Boden. Diese geben beim Zerfall von Radium (als Folgeprodukt des Uranzerfalls) das radioaktive Gas Radon ab (siehe
http://www.bfs.de/de/ion/faq_istrahlung.html/#6 und
http://de.wikipedia.org/wiki/Radon). Radon in der Form von Rn-222 hat eine Halbwertzeit von knapp 4 Tagen. Dies bedeutet, dass nach 4 Tagen die Hälfte des Radon zerfallen ist, nach 8 Tagen ist nur noch ein Viertel der ursprünglichen Radonmenge vorhanden (die Hälfte der Hälfte) usw., allerdings wird durch den Radiumzerfall ständig neues Rn-222 gebildet, so dass die Zerfallsaktivität von Rn-222 konstant bleibt (Zerfall und Neubildung halten sich im Gleichgewicht).
Das gebildete Radon sammlt sich zunächst im Boden, steigt durch Hohlräume im Boden nach oben oder wird durch Grundwasser an die Oberfläche gebracht. Dies ist zum Beispiel auch ein Probem bei der Nutzung der tiefen Geothermie. Geothermie ist quasi ein natürliches Atomkraftwerk. Die Erdwärme entsteht durch den Zerfall natürlicher radioaktiver Stoffe im Erdinneren.
Das an die Oberfläche gebrachte Radon gast in die Atmosphäre aus und zerfällt dort. In Gegenden mit hohem Radiumgehalt im Boden (Schwarzwald, Thüringer Wald, Erzgebirge) ist die Radonbelastung daher höher als in Gebieten mit geringem Radiumgehalt im Boden (z.B. Nordseeküste). Daher ist es nicht verwunderlich, dass es bei den gemessenen Ortsdosisleistungen ein Nord-Süd-Gefälle gibt. Die Radonbelastung ist vor allem in Gebäuden und hier besonders in Kellerräumen höher als im Freien.
Wenn es nun zu Störungen des Radongleichgewichts kommt, dann verändert sich auch die gemessene Ortsdosisleistung. Die Radonwerte können absinken, wenn der Nachschub ausbleibt. Dies passiert insbesondere im Winter, wenn der Boden gefroren oder mit Schnee bedeckt ist. Das im Boden gebildete Radon kann nicht raus und zerfällt bereits im Boden. Das in der Luft befindliche Radon kann zum Beispiel durch Regen ausgewaschen werden. Dann steigt an der Messstelle zunächst die Dosisleistung an, fällt aber nach Ende des Regens umso stärker ab.
Bei Regen füllen sich auch Hohlräume im Boden und verdrängen die darin befindliche Luft mit ihrem Radonanteil. Bei Regen steigt also die Radonkonzentration der Luft zunächst an, ehe sie durch den Auswascheffekt absinkt. Das ausgewaschene Radon fällt mit dem Regenwasser zu Boden und somit in den Erfassungsbereich der Sonden. Dies führt zu dem gezeigten Anstieg. Da aber nach dem Anstieg immer ein Abfall folgt bleibt über den gesamten Zeitraum gemittelt die Dosis (für die mathematisch Bewanderten unter uns: Integral der Dosisleistung) konstant. Im Ergebnis führt dies nicht zu einer Erhöhung der Jahresdosis für die Bevölkerung.
Fazit auch hier: Frühwald erzählt Ausscheidungen von männlichen Kühen (das englische Wort würde hier nur verherzelt stehen).
Für alle, die diesen viel zu lang gewordenen Artikel bis zu Ende gelesen haben (ist ja fast wie ein Schrieb der JOH, fehlen nur die handschriftlichen Anmerkungen) hier noch eine kurze Zusammenstellung von Dosiswerten, damit ihr ein Gefühl für die Zahlen bekommt:
Natürliche Strahlenbelastung in Deutschalnd: 2 mSv/Jahr im Durchschnitt
Künstliche Strahlenbelastung in Deutschland (inkl. medizinischer Anwendung): 1 mSv/Jahr im Durchschnitt
Zusätzliche Strahlenbelastung der Bevölkerung, die durch Anlagen mit Umgang mit radioaktiven Stoffen maximal entstehen darf: 1 mSv/Jahr (für medizinische Anwendungen gibt es keine Grenze)
Maximal zulässige Strahlendosis für beruflich strahlenexponierte Personen: 20 mSv/Jahr
Zulässige Lebensdosis: 400 mSv
Dosis für eine Flug zwischen Europa und USA: 0,1 mSv
Dosis ab der erste akute Strahleneffekte beim Menschen auftreten: 250 mSv
Dosis ab der bei 50 % der Betroffenen die Strahlenkrankheit auftritt: 1.000 mSv
Dosis bei der 50 % der Betroffenen sterben: 5.000 mSv
Durchschnittliches Krebsrisiko der Bevölkerung in Deutschland: 25 % bei Nichtrauchern, 35 % bei Rauchern
Dosis, die das Krebsrisiko um 5 Prozentpunkt steigert: 1.000 mSv
Das bedeutet: Wenn 100 Menschen einer Dosis von 1 Sv ausgesetzt werden, dann werden davon 5 zusätzlich an Krebs erkranken und 4 davon an dem Krebs sterben (siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Strahlenrisiko)
Zum Vergleich: 10 g Alkohol pro Tag steigern das Krebskisiko um 5 Prozentpunkte. Man kann also grob vereinfacht sagen, dass 1.000 mSv/Jahr = 3.650 g/Jahr Alkohol entsprechen, oder
1 mSv = 3,65 g Alkohol (das sind etwa 100 ml eines mäßig starken Bieres)
So, jetzt aber genug. Falls Interesse zu weiteren Ausführungen zu dem Thema bestehen, dann lasst es mich wissen bzw. auch, wenn ich euch mit dem Sch* in Ruhe lassen soll.
Gute Nacht.