Hach, das waren noch Zeiten, als einem als Strafrichter ein Fritz Teufel gegenübersitzen konnte, der erst nicht aufstehen wollte und es dann mit den unsterblichen Worten "Wenn's der Wahrheitsfindung dient" doch tat. Gut, vor dem AG Hamburg-Barmbek begegnete man wohl auch früher nicht dem Teufel. Dafür begegnet man dort heute gelegentlich Reichsdeppen. Die unterscheiden sich von Fritz Teufel nicht nur dadurch, dass sie ebenso blöd sind, wie der Teufel gescheit war, sondern jedenfalls in einem Fall, der schließlich sogar das OLG Hamburg (Beschluss vom 07.02.2018 - 2 Ws 22/18) beschäftigt hat, auch durch die Art und Intensität ihrer Ungebühr: Vor dem AG Hamburg-Barmbek wollte der Angeklagte sich nämlich nicht hinsetzen und tat das auch nach mehrfacher Aufforderung nicht. Statt dessen wollte er, dass die Vorsitzende ein von ihm mitgebrachtes Formular ausfüllt und überreichte ihr als "Infoblätter" bezeichnete Zettel, deren ungefähren Inhalt die hiesige Leserschaft erahnen dürfte. Die Vorsitzende nahm die "Infoblätter" zur Akte, das Verhalten des Angeklagten ins Protokoll auf und schließlich so ernstlichen Anstoß daran, dass sie dem Angeklagten ein Ordnungsgeld von 300 Euro, ersatzweise 6 Tage Ordnungshaft, erst androhte und selbiges schließlich auch verhängte. Die weitere Drohung, den Angeklagten aus dem Saal zu entfernen, musste hingegen nicht umgesetzt werden, weil der Angeklagte dies wenig später selbst tat.
Das OLG hatte sich nun mit der Beschwerde gegen die Ordnungsstrafe zu beschäftigen, und hier schaffte unser Reichsdepp immerhin, was wenige Reichsdeppen schaffen: Er bekam eine mit Leitsätzen versehene Entscheidung. Dies lag allerdings weniger am Reichsdepp selbst, sondern daran, dass die Richterin den Deppen vor der Verhängung der Ordnungsstrafe nicht noch einmal förmlich angehört und ihren Beschluss dann nicht ausdrücklich begründet hatte. Bei Angeklagten dieses Kalibers geht beides in Ordnung, meinte das OLG Hamburg, wenn man sich das vorherige Theater nur lange genug antut und fleißig protokolliert. Und so lauten die beiden Leitsätze:
1. Ein angefochtener Ordnungsmittelbeschluss hat bei Nichtangabe des veranlassenden Geschehens in den Beschlussgründen nur Bestand, wenn nach allen gemäß § 182 GVG protokollierten möglichen veranlassenden Geschehensalternativen die Ordnungsmittelverhängung von Rechts wegen veranlasst war.
2. Es kann davon abgesehen werden, einem Betroffenen vor Festsetzung eines Ordnungsmittels rechtliches Gehör zu gewähren, wenn dem Gericht mit Rücksicht auf Intensität oder Art der Ungebühr eine solche Anhörung nicht zugemutet werden kann , etwa wenn Ungebühr und Ungebührwille völlig außer Frage stehen und eine Anhörung nur Gelegenheit zu weiteren Ausfälligkeiten gäbe oder wenn die betroffene Person bereits wiederholt verwarnt oder mit Ordnungsmitteln bedroht worden ist.
Den Volltext der Entscheidung des OLG gibt es unter
http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bsharprod.psml?showdoccase=1&doc.id=JURE180003717&st=ent