So hat die Zeugin PKin Q. bekundet, dass der Beklagte ihr gegenüber immer mal wieder geäußert habe, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existent sei bzw. so nicht existiere, Polizeibeamte vielleicht nicht einschreiten dürften, weil die Bundesrepublik noch besetzt sei und der Personalausweis dementsprechend keine Gültigkeit habe. Die Zeugin bekundete weiter, dass sie die Ausführungen des Beklagten als penetrant empfunden habe, es sich aus ihrer Sicht aber eher um einen Versuch des Meinungsaustauschs gehandelt habe und nicht um Überzeugungsversuche.
112
Gegenüber seinem Vorgesetzten, dem Zeugen EPHK M. hat der Beklagte einmal die Frage aufgeworfen, ob Deutschland überhaupt einen Friedensvertrag habe. Ansonsten hat der Beklagte nach der Aussage des Zeugen M. keine Ausführungen über die Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland oder die Gültigkeit des Personalausweises getätigt. Der Zeuge M. hatte - wie er bekundet hat - aufgrund des Gesprächs mit dem Beklagten auch nicht den Eindruck, dass dieser seinen Dienst nicht ordnungsgemäß wahrnehme oder irgendein Problem mit der Legitimität der Bundesrepublik Deutschland habe.
113
Der Zeuge PHK D. , der Wachdienstführer des Beklagten war, hat bekundet, dass ihm durch einzelne Mitarbeiter mitgeteilt worden sei, dass der Beklagte zum Teil merkwürdige Gedanken hege, die politisch nicht einzuordnen seien. Im Wesentlichen handele es sich um abstruse Verschwörungstheorien. Der Beklagte selbst habe ihm gegenüber Zukunftssorgen geschildert, für die er sich und seine Familie so weit wie möglich absichern wolle. Bezogen waren diese Sorgen darauf, dass es Deutschland einmal schlechter gehen könnte oder in einen Krieg verwickelt würde. Der Beklagte habe ihm gegenüber erwähnt, dass es noch keinen Friedensvertrag mit den damaligen Besatzungsmächten gäbe. Der Zeuge PHK D. habe den Beklagten direkt gefragt, ob dieser „Rechter" sei oder mit diesen Tendenzen sympathisiere. Dies habe der Beklagte strikt verneint. Er habe ihn weiter gefragt, ob er sich an Recht und Gesetz halte. Dies habe er bejaht und erklärt, dass das Grundgesetz für ihn maßgeblich sei, auch wenn kein Friedensvertrag vorhanden sei. Der Beklagte habe ihm in einem Gespräch über den Personalausweis auch einmal mitgeteilt, dass er sich Sorgen mache, dass sein Personalausweis mal keine Gültigkeit mehr haben werde. In seinem Personalausweis stehe unter Staatsangehörigkeit nur „deutsch". Deshalb und um zu dokumentieren, dass er Deutscher sei, wolle er einen Staatsangehörigkeitsausweis bei der Stadt M. beantragen. Der Zeuge PHK D. habe dem Beklagten später mitgeteilt, dass gem. § 3 Abs. 2 StAG kein Unterschied zwischen dem Bundespersonalausweis und dem Staatsangehörigkeitsausweis bestehe. Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen D. steht zudem fest, dass der Beklagte ihm gegenüber nach der Suspendierung wiederholt geäußert hat, dass ihm das alles für die Dienstgruppe leid täte und er dies nicht so gewollt habe. Letztlich ging es bei den Gesprächen mit dem Beklagten nach dem Eindruck des Zeugen D. um Meinungsaustausch und Diskussion, auch wenn der Beklagte von seinen Ausführungen sehr überzeugt schien. Eine Wesensveränderung konnte der Zeuge bei dem Beklagten nicht feststellen. Seine Leistungen seien gleichbleibend und dienstlich korrekt gewesen, auch Personalausweise habe er bei Verkehrskontrollen immer akzeptiert.
114
Nach der Aussage des Zeugen POK X. hat der Beklagte mit ihm im Sommer 2014 über das Thema GEZ-Gebühren gesprochen und ihm zudem einen Musterbrief als Vorlage und Argumentationshilfe per E-Mail gesandt, um diese Gebühren nicht zahlen zu müssen. Es ging dabei darum, ob das Erheben der Gebühren rechtmäßig und die Sendungen des ZDF mit dem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag des Deutschen Fernsehens vereinbar seien. Der Beklagte habe ihm gegenüber auch einmal über das Nichtvorhandensein der Verfassung gesprochen. An den genauen Inhalt konnte der Zeuge sich im Rahmen seiner gerichtlichen Vernehmung nicht mehr erinnern. Auf Vorhalt erklärte er, dass seine Ausführungen im Rahmen der früheren behördlichen Vernehmung - nämlich, dass der Beklagte über das Nichtvorhandensein der Verfassung doziert und immer wieder Gesetzespassagen, rechtliche Zitate und teilweise Auszüge aus dem Grundgesetz genannt habe - zutreffend sein müssten, auch wenn er sich heute nicht mehr genau erinnern könne. Er habe die Ausführungen des Beklagten damals aber nicht dahingehend verstanden, dass die Verfassung für ihn persönlich keine Gültigkeit habe.
115
POK X1. gegenüber hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass ihn das Wort „Personal“ im Personalausweis störe, weil er nicht Personal der Bundesrepublik Deutschland sei. Zudem habe er Thesen über die Existenz bzw. Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt. Er selbst - so der Zeuge - habe das für Unsinn gehalten, aber nicht den Eindruck gehabt, dass der Beklagte mit diesen Thesen fest verwurzelt gewesen sei; vielmehr habe er sich wohl intensiv damit beschäftigt. Sorgen bezüglich einer möglichen Verfassungsuntreue des Beklagten habe er sich nach dem Inhalt seiner Äußerungen nicht gemacht, ansonsten hätte er dies mitgeteilt.
116
Nach den Bekundungen des Zeugen PK X2. haben der Beklagte und er einmal über die GEZ-Gebühren gesprochen, was damals ein aktuelles Thema gewesen sei. Der Beklagte habe ihm per E-Mail ein Schreiben übersandt, welches man als Widerspruch bei der GEZ einreichen könne, um die Gebühren nicht zahlen zu müssen. PK X2. hat in seiner behördlichen Vernehmung weiter angegeben, dass der Beklagte in dem Gespräch über die GEZ auch erwähnt habe, dass es unter anderem auch die Meinung gäbe, dass die BRD nicht rechtmäßig sei und diese Theorie auch von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestützt würde. PK X2. hatte das aber nach seiner behördlichen Aussage so verstanden, dass der Beklagte es nicht auf sich persönlich bezogen, sondern nur eine Theorie wiedergegeben habe. In seiner gerichtlichen Vernehmung hatte der Zeuge bezüglich dieser Ausführungen auch auf Vorhalt keine Erinnerung mehr.
117
Auch gegenüber PKin X3. hat der Beklagte den Personalausweis zum Thema gemacht und ihr einen Link aus dem Internet, wonach auf dem Personalausweis ein „Satanskopf" zu sehen seien soll, übersandt. Er habe ihr gegenüber ‑ so die Zeugin X3. - erklärt, dass im Personalausweis „Deutsch“ stehe, in allen anderen Ländern aber die Bezeichnung des Landes als Substantiv. Daran, dass der Beklagte ihr im Rahmen einer Streifenfahrt seine im Garten gehisste Reichsflagge in schwarz-weiß-rot gezeigt und ihr gegenüber ausgeführt habe, dass Gesetze nicht rechtskräftig seien, da kein Friedensvertrag geschlossen worden sei, konnte sich die Zeugin in ihrer gerichtlichen Vernehmung - im Gegensatz zu ihrer behördlichen - nicht mehr erinnern. Auch habe er ihr das Musterschreiben für die GEZ geschickt. PKin X3. führte in ihrer Vernehmung aus, sie habe während eines Einsatzes mit einem aggressiven Schwarzafrikaner ein sehr beeindruckendes und positives Verhalten bei dem Beklagten festgestellt, der dem Schwarzafrikaner im Rahmen einer Auseinandersetzung um Rückgeld bei einem Einkauf den Restbetrag aus eigener Tasche gab, um die Situation zu beruhigen. Die Zeugin hat weiter bekundet, dass ihr in dem Verhalten des Beklagten nie etwas aufgefallen sei, was auf rechtsextreme Tendenzen schließen lasse. Auch hatte sie nicht den Eindruck, dass der Beklagte Zweifel an der Verfassung hege.
118
Auch gegenüber den Zeugen PKin I3. , PHK C1. und PK K. machte der Beklagte ihren Aussagen zufolge Angaben über falsche Angaben im Personalausweis, dass er staatenlos sei, da Deutschland eigentlich kein Staat sei, wir „fremdgesteuert" seien und über Enteignung durch den Staat. In seiner behördlichen und gerichtlichen Vernehmung hat der Zeuge K. zudem ausgesagt, dass er nicht den Eindruck gehabt habe, dass diese Ausführungen seiner Einstellung zum Bestand der Bundesrepublik entsprochen hätten, vielmehr habe er nur aus dem, was er gelesen habe, zitiert und sich kritisch damit auseinandergesetzt.
119
Nach der Aussage des Zeugen PHK A. , der privat engen Kontakt zu dem Beklagten hatte und mit dem er zwölf Jahre gut befreundet gewesen war, hat der Beklagte ihm gegenüber in privaten Gesprächen außerhalb der Dienstzeit ebenfalls geäußert, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existent sei, weil wir immer noch unter Besatzung stünden und sie auch nur eine GmbH, also ein Wirtschaftsunternehmen, sei. Der Beklagte habe sich in diese Themenkreise verstrickt. In ihrer damaligen privaten WhatsApp-Gruppe habe der Beklagte entsprechende Chatbeiträge mit politischem Inhalt eingestellt. Ob der Beklagte über diese Thesen nur diskutieren wollte oder ob sie seiner tatsächlichen Überzeugung entsprachen, vermochte der Zeuge nicht zu beurteilen. Auch wenn der Beklagte immer wieder mit diesen Themen angefangen habe, so wisse er nicht, so der Zeuge A. auf Vorhalt, ob man aus seinen Äußerungen den Schluss auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung des Beklagten ziehen könne. Er selbst habe keine Mitteilung an Kollegen oder Vorgesetzte gemacht, weil er nicht den Eindruck gehabt hätte, dass der Beklagten seinen Dienst nicht ordnungsgemäß versehen würde.
120
Diese Feststellungen beruhen auf der gerichtlichen Vernehmung der Zeugen D. , X. , X1. , X2. , X3. , K. und A. . Das Gericht hatte keinen Anlass an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln. Sämtliche Zeugen waren ersichtlich bemüht, nichts Falsches zu bekunden. Ihre Aussagen waren in sich widerspruchsfrei und wurden auch weder von der Klägerseite noch von dem Beklagten in Frage gestellt. Auch standen sie - abgesehen von Erinnerungslücken - im Einklang mit ihrer Vernehmung im behördlichen Disziplinarverfahren.
121
III. Die Würdigung der zugrunde zu legenden Feststellungen ergibt, dass der Beklagte durch seine an das Bürgerbüro der Stadt M. gerichteten Schreiben und Anträge vom 00.00.0000, 00.00.0000, 00.00.0000 und 00.00.0000 sowie durch sein dortiges Auftreten und die in diesem Zusammenhang getätigten Äußerungen gegenüber den Mitarbeitern am 00.00.0000, 00.00.0000, 00.00.0000, 00.00.0000 und am 00.00.0000 gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ein - einheitliches - Dienstvergehen begangen hat, welches die Disziplinarmaßnahme eines Verweises nach sich zieht.
122
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Beklagte hat durch die ihm vorgehaltenen Handlungen gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verstoßen (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Ein Verstoß gegen die Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) kann dem Beklagten demgegenüber nicht nachgewiesen werden.
123
1. Zu den beamtenrechtlichen Kernpflichten des Beamten gehört es, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Diese Verpflichtung ist umfassend; sie betrifft gleichermaßen sein dienstliches wie sein außerdienstliches Verhalten.
124
Vgl. BVerwG , Urteil vom 10. Mai 1984 - 1 D 7.83 -, juris, Rn. 12.
125
Die politische Treuepflicht gebietet, dass der Beamte den Staat und seine Verfassungsordnung bejaht, sie als schützenswert begreift, sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Die Treuepflicht fordert mehr als eine nur formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.
126
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rn. 42 (sog. Radikalenbeschluss).
127
Dies ist nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als sogenannter "Reichsbürger" oder Anhänger der "Reichsbürgerbewegung" die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßigen Strukturen und Organe der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt.
128
Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. Mai 2015 - 10 M 4/15 -, juris, Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Februar 2017 - 35 K 12521/16.O -, juris, Rn. 13.
129
Ein Verstoß gegen diese Dienstpflicht folgt nicht schon aus der „mangelnden Gewähr“ des Beamten dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern in der nachgewiesenen Verletzung jener Amtspflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, stellt keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht.
130
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rn. 45; BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 ‑ 1 DB 15.01 -, juris, Rn. 30; VG Münster, Urteil vom 19. Februar 2013 - 13 K 1160/12.O - juris, Rn. 38.
131
Mit der politischen Treuepflicht als Kern der Treueflicht ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Gemeint ist vielmehr die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik üben zu dürfen, für Änderungen der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden.
132
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rn. 42.
133
Ein Verstoß gegen diese beamtenrechtliche Kernpflicht kann dem Beklagten nicht nachgewiesen werden. Die in der Disziplinarklage vorgeworfenen Einzelsachverhalte belegen - auch im Zusammenhang betrachtet - nicht, dass der Beklagte sich offenkundig zur Ideologie der sog. „Reichsbürger“ bekannt und auch sein tatsächliches Handeln nach dieser Ideologie ausgerichtet hat und damit das Leugnen der Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und der davon ausgehenden staatlichen Gewalt verbunden ist. Auch die Äußerungen gegenüber seinen Kollegen lassen nicht zwingend auf eine entsprechende verfassungsfeindliche Gesinnung des Beklagten schließen.
134
Die „Reichsbürger“ berufen sich auf das Fortbestehen des Deutschen Reiches, welches juristisch niemals untergegangen sei und stellen die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie ihrer Organe in Frage. Sie zweifeln die Legitimität des Grundgesetzes an, da das deutsche Volk niemals darüber abgestimmt habe.
135
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017 - 3d B 296/17.O -, juris, Rn. 7 unter Bezugnahme auf den Beschluss des VG Münster vom 15. Februar 2017 - 20 L 254/17.O -.
136
Sie halten die Bundesrepublik Deutschland für eine Art GmbH, welche von den Alliierten regiert wird und behaupten, dass das Deutsche Reich weiter fortbestehe. Ihr Ziel ist es, die vermeintliche Fremdherrschaft zu beenden und dem Deutschen Reich wieder Geltung zu verschaffen. Gesetze akzeptieren sie nicht, weil sie die BRD für nicht existent halten. Insofern besteht nach ihrer Ansicht auch keine Pflicht zur Zahlung von Steuern oder Gebühren. Auch das Thema Staatsangehörigkeit ist zentraler Inhalt dieser Ideologie.
137
Vgl. zum Ganzen: Caspar/Neubauer, LKV 2012, S. 529 ff.; Justizministerium NRW, Handreichung zum Umgang mit schwierigen Verfahrensbeteiligten, Stand: April 2017, Seite 3 f.;
http://www.verfassungsschutz.branden-burg.de/cms/detail.php/bb1.c.428011.de.
138
Das Gericht verkennt nicht, dass eine Anzahl von Indizien dafür spricht, dass der Beklagte einem der „Reichsbürgerbewegung“ nahestehenden Gedankengut folgen könnte. Gleichwohl verdichten sich insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme diese Indizien nicht zu der Gewissheit, dass der Beklagte die Geltung des Grundgesetzes und die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und deren Erhaltung ablehnt.
139
a. Dafür, dass der Beklagte einem der „Reichsbürgerbewegung" nahestehenden Gedankengut folgen könnte, spricht sein erstes an das Bürgerbüro der Stadt M. gerichtete Anschreiben vom 00.00.0000, in dem er um rechtsverbindliche Auskunft bat, wie genau der Staat (als Substantiv bezeichnet) heiße, in dem er lebe, und gleichzeitig das Bürgeramt aufforderte, ihm für diesen Staat dessen amtliche Legitimation zu erbringen. Das Bürgeramt der Stadt M. ist unzweifelhaft durch das gemäß Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Recht der kommunalen Selbstverwaltung in Verbindung mit den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen (§ 1 Abs. 2, 12 Abs. 1 Nr. 4) im Rahmen der mittelbaren Staatsverwaltung gegenüber dem Bürger nach außen legitimiert. Durch seine Forderung hinsichtlich einer genauen Staatsbezeichnung und einem Legitimationsnachweis stellt der Beklagte die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Verwaltungsorganisation im Sinne der Art. 28 Abs. 2, 30 und 83 ff. GG in Frage. Ein solches Handeln entspricht dem Handlungsmuster der „Reichsbürger-Bewegung“, zu deren Aktivitäten gerade auch gehört, dass behördliche Zuständigkeiten in Frage gestellt werden. Angehörige der „Reichsbürger-Bewegung“ versuchen in erster Linie mit dem Vorbringen, das Deutsche Reich existiere fort und die heutigen Behörden seien nicht legitimiert, die Behördenmitarbeiter zu verwirren und zu irritieren.
140
Vgl. Handbuch Verfassungsschutz Brandenburg, a.a.O., S. 95; Berliner Verfassungsschutz - Flyer, im Internet veröffentlicht unter
http://www.berlin.de/sen/inne-res/verfassungsschutz/publikationen/infoflyer/.
141
b. Auch mit seinem Schreiben an das Bürgeramt der Stadt M. vom 00.00.00000 stellt sich der Beklagte in den Kontext der „Reichsbürger-Bewegung“. Der gesamte Duktus seines Schreibens, insbesondere die nicht nachvollziehbaren Ausführungen zur Herleitung und „Metamorphose“ des § 1 RuStAG/StAG, die in der unverständlichen, rational nicht nachvollziehbaren Fragestellung münden, ob er immer noch die „Nazi-Staatsangehörigkeit besitze oder ob diese noch weiter ausgehöhlt worden sei, so dass er nunmehr staatenlos sei“, begründet den Verdacht, dass der Beklagte die Geltung wesentlicher Grundsätze des Staatsangehörigkeitsrechts entsprechend der Ideologie und dem Argumentationsmuster der „Reichsbürger“ in Zweifel zieht. Zudem unterstellt er in seinem Schreiben dem Gesetzgeber eine Gesetzgebung, die „nicht einmal Adolf Hitler gewagt“ hätte und die auf „heimtückischen Vorsatz“ schließe. Auffällig ist auch die Formulierung am Ende des Schreibens, wo der Beklagte unter Hinweis auf eine Haftung nach § 823 BGB mit der Erwartung schloss, eine Antwort ohne „Im Auftrag“ zu erhalten oder wenn, dann unter genauer Benennung des Auftraggebers. Nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden stellen derartige Anliegen ein typisches Vorgehen der „Reichsbürger“ dar. „Reichsbürger“ bestehen auf behördliche Schreiben ohne „im Auftrag“, wohl um eine persönliche Haftung des „Vertragspartners“ (die öffentliche Verwaltung) festzulegen.
142
Vgl. Caspar/Neubauer, LKV 2012, S. 529, 534; Handbuch Verfassungsschutz Brandenburg, a. a. O., S. 95.
143
c. Dafür, dass der Beklagte dem Gedankengut der „Reichsbürger-Bewegung“ folgen könnte, spricht zudem der vom ihm am 00.00.0000 (in Zivil) gestellte Antrag auf „Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit". In diesem bezeichnet er - unter Angabe seines Berufes als Polizist - seinen Wohnsitz, Geburtsstaat und Ort der Eheschließung durchgängig als „Preußen“ und gibt zudem an, dass er seit seiner Geburt neben der deutschen auch die Staatsangehörigkeit „Preußen“ besitze. Für eine derartige Antragstellung gibt es keinen nachvollziehbaren Grund. Weshalb die deutsche Staatsangehörigkeit des Beklagten zweifelhaft und klärungsbedürftig sein könnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Der Beklagte ist als Sohn deutscher Eltern auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland in dem Bundesland Nordrhein-Westfalen geboren. Er war bei Antragstellung im Besitz eines deutschen Personalausweises. Dass die Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte auch nur fraglich oder zum Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit gerade ein Staatsangehörigkeitsausweis erforderlich oder auch nur nützlich sein könnte, ist nicht erkennbar. Insbesondere wurde seitens des Dienstherrn an der Eigenschaft des Beklagten als Deutscher im Sinne des Art. 116 GG, § 7 Abs. 1 Nr. 1, Var. 1 BeamtStG als Ernennungsvoraussetzung nie gezweifelt. Die Einlassung des Beklagten, dass der Bundespersonalausweis und der Reisepass kein sicherer Nachweis für die deutsche Staatsangehörigkeit seien und er aufgrund des Wortlauts des Art. 116 Abs. 1 GG zu der Einschätzung gelangt sei, dass ein Mangel in der Ernennung zum Polizeibeamten vorliege, den er durch die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises habe heilen wollen, ist deshalb wenig nachvollziehbar. Wenn er tatsächlich Zweifel an seiner Ernennung gehabt haben sollte, so hätte er seine Zweifel zunächst bei seinem Dienstherrn geltend machen und sich bei diesem entsprechend informieren können. Hinweise auf eine Missbräuchlichkeit des Antrags des Beklagten auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ergeben sich aber auch schon aus den vom Beklagten bei seiner Antragstellung selber gemachten Angaben insbesondere zur Belegenheit der aufgeführten Orte im Königreich Preußen. Dies kann die Einschätzung rechtfertigen, dass der Beklagte aufgrund dieser Angaben der „Reichsbürger-Bewegung“ zuzurechnen sein könnte.
144
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017 - 3d B 296/17.O -, juris, Rn. 7 i. V. m. dem Beschluss des VG Münster vom 15. Februar 2017 - 20 L 254/17.O -; zur Missbräuchlichkeit von Klagen im Zusammenhang mit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises durch sog. Reichsbürger vgl. VG Potsdam, Urteil vom 14. März 2016 - 8 K 4832/15 -, juris, Rn. 17; VG Magdeburg, Urteil vom 9. September 2016 - 1 A 88/16 -, juris, Rn. 20.
145
d. Durch sein Auftreten am 00.00.0000 im Bürgerbüro während der Dienstzeit und in Uniform und durch seine Äußerungen gegenüber den Mitarbeitern H. und C1. hat er sich ebenfalls in den Kontext der „Reichsbürger-Bewegung“ gebracht, indem er ausführte, dass entsprechend einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Deutsche Reich weiter fortbestehe und der deutsche Staat demnach „nicht existiere“. Auch wenn der Beklagte dies nicht als eigene Meinung oder Überzeugung dargestellt, sondern lediglich auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht Bezug genommen hat, so bringt er sich auch durch dieses Verhalten in Verbindung zu der „Reichsbürger-Bewegung“. Denn es ist auch typisch für „Reichsbürger“, Behörden mit vermeintlichen „Rechtshinweisen“ zu bombadieren und sie so zu einer sinnlosen und zeitaufwendigen Auseinandersetzung zu nötigen. „Reichsbürger“ stützen sich vornehmlich auf den ersten Satz des Urteils zum fortbestehenden Reich und ignorieren den zweiten Satz von der Teilidentität der Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich, der besagt, dass kein Legitimitätsdefizit auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland besteht.
146
Vgl. Caspar/Neubauer, LKV 2012, S. 529, 533.
147
e. Seine weiteren Verhaltensweisen und Äußerungen am 00.00.0000 und 00.00.0000 im Bürgerbüro der Stadt M. , in dem er während der Dienstzeit und uniformiert erschien, nämlich die Ablehnung der Entgegennahme einer ersten Ausfertigung des Staatsangehörigkeitsausweises unter dem Hinweis, dass der Familienname in Großbuchstaben geschrieben sei, die Erkundigung nach einer Apostille nach dem „Haager Abkommen", der Hinweis, dass der Personalausweis ungültig sei, weil die Bezeichnung „Name“ statt „Familienname“ sowie die Angabe, dass die Staatsangehörigkeit „DEUTSCH“ in seinem Personalausweis falsch sei, und er sich stattdessen mit einem kurzfristig zu beantragenden Reisepass ausweisen könne, entsprechen ebenfalls dem typischen Handlungsmuster der „Reichsbürger-Bewegung“. Diese Verhaltensweisen des Beklagten lassen sich einem unter den „Reichsbürgern“ verbreiteten vermeintlichen Lösungsweg zuordnen, wie man aus der Sklaverei der Staatsangehörigkeit „deutsch“ entkommt. Der dazugehörige Leitfaden mit dem Titel „Wichtiges zum Thema Staatsangehörigkeit“ - ein Dokument, welches auf der Titelseite mit einem Reichsadler versehen ist - wurde anlässlich der Durchsuchung bei dem Beklagten aufgefunden und beschlagnahmt. In diesem Leitfaden wird u. a. ausgeführt, dass Personalausweise Sklavenverträge seien, die Schreibweise in Großbuchstaben darauf hindeute, dass man Sklave sei, Personalausweise nur an Staatenlose ausgegeben würden, die BRD nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs sei und die BRD dies versuche zu vertuschen, indem sie sich ein eigenes Staatsangehörigengesetz gebe. Weiter wird ein Muster für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises zur Verfügung gestellt sowie ein „Merkzettel“ für die Schritte nach Erhalt des Staatsangehörigkeitsausweises. Darin heißt es, dass man darauf achten solle, dass der Name richtig geschrieben sei (nicht in Großbuchstaben), dass der Ausweis auf der Rückseite mit einer Haager-Apostille versehen sein müsse, anschließend der grüne Reisepass besorgt und der Personalausweis zurück gegeben werden müsse, um den Sklavenvertrag aufzuheben. Von nun an würde kein „Bundesrepublikanisches Recht mehr gelten, sondern Deutsches Recht im Stand von 1914“.
148
Das von dem Beklagten betriebene Antragsverfahren auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, bei dem die Abstammungslinie bis vor dem 1. Januar 1914 nachgewiesen wird, stellt einen ersten Schritt zu dem beschriebenen vermeintlichen Lösungsweg dar. Gleiches gilt für sein erstes Schreiben an das Bürgerbüro vom 00.00.0000, welches inhaltlich mit einer Empfehlung aus dem von dem Beklagten aus dem Internet heruntergeladenen Dokument „Heimat ist ein Paradies - Wege zur Wiedererlangung unserer Heimat und Rechtsfähigkeit“ übereinstimmt und dessen zentrales Thema die Staatsangehörigkeit ist.
149
Seine am 00.00.0000 anlässlich der Abgabe seines Personalausweises getätigte Äußerung gegenüber dem Mitarbeiter E. , dass „der Personalausweis uns alle staatenlos mache und nichts wert sei“ und sein schriftlicher Antrag auf Einziehung und Vernichtung seines Personalausweis, in dem er sich unter anderem als „Deutscher Staatsangehöriger“ i. S. d. RuStAG, Ausfertigungsdatum 22.07.1913, bezeichnet, sowie seine ablehnende Haltung bezüglich der Erhebung der GEZ-Gebühren bestätigen diesen Verdacht.
150
f. Da das Thema Staatsangehörigkeit ein zentraler Inhalt der „Reichsideologie" ist und der Beklagte bei der Stadt M. (konsequent) die von den „Reichsbürgern" vorgesehene Vorgehensweise zur Lösung aus der Sklaverei der Staatsangehörigkeit „deutsch" verfolgte, bestand durchaus der Verdacht, dass der Beklagte die Ideologie der „Reichsbürger-Bewegung" verinnerlicht hat, da er nicht nur theoretisch, sondern praktisch wiederholt eine Umsetzung einer Idee bzw. Handlungsempfehlung der „Reichsbürger-Bewegung“ vorgenommen hat. Dementsprechend hat das Gericht auch antragsgemäß die Durchsuchung der Wohnung des Beklagten angeordnet.
151
Gleichwohl konnte das Gericht trotz dieser Verdachtsmomente und Indizien nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Beklagte tatsächlich der „Reichsbürger-Bewegung“ angehörig ist oder deren Ideologie verinnerlicht hat und aus einer inneren Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht. Ein Verstoß gegen die Treuepflicht liegt nur vor, wenn es sich bei der Überzeugung um eine habituelle Fehlhaltung des Beamten handelt, die Pflichtverletzung also subjektiv betrachtet auch Ausdruck seiner Persönlichkeit ist. Anders gewendet bedeutet dies, dass das äußerlich gezeigte Verhalten von dem Beamten subjektiv, gesinnungsmäßig getragen werden muss.
152
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1986 - 1 D 103/84 -, juris, Rn. 92.
153
Bei Zugrundelegung dieser Kriterien bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte eine verfassungsfeindliche Gesinnung hat und den Staat ablehnt.
154
aa. Der Beklagte hat sich ausdrücklich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt und Wert auf die Feststellung gelegt, kein Anhänger der „Reichsbürger-Bewegung“ zu sein. In der mündlichen Verhandlung hat er betont, dass er zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Kenntnis von einer „Reichsbürger-Bewegung“ gehabt habe, er sein Verhalten falsch eingeschätzt habe und es bereue. Er habe niemals tatsächlich die Existenz der Bundesrepublik Deutschland angezweifelt oder geleugnet, es sei ihm lediglich darum gegangen, dass der Personalausweis falsche Angaben enthalte, weil entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 „deutsch“ keine Staatsangehörigkeit sei. Vielmehr müsse dort „Bundesrepublik Deutschland“ eingetragen werden.
155
Diese Einlassung wird bestätigt durch die Aussage der Zeugin I1. , die bekundet hat, dass der Beklagte ihr gegenüber erklärt habe, dass er deutscher Staatsangehöriger sei, aber die Staatsangehörigkeit nicht „deutsch“ sei.
156
bb. Zudem hat der Beklagte sich ausweislich der Bekundungen seiner Kollegen und Vorgesetzten im Kollegenkreis und im Einsatz immer zuverlässig und dienstlich korrekt verhalten und es ist niemals zu Auffälligkeiten insbesondere im Zusammenhang mit ausländischen Mitbürgern gekommen. Gleiches gilt für Tätigkeiten des Beklagten im Zusammenhang mit Ausweiskontrollen, auch dort gab es keine Unregelmäßigkeiten, so dass nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte aus einer etwaigen inneren Überzeugung im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Personalausweises Folgerungen für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten gezogen hat. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte etwa in Kreisen, welche die von ihm besuchten Internetseiten betreiben, verkehrt. Politische Aktivitäten des Beklagten, welche Rückschlüsse auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung zuließen, liegen nicht vor, wobei es für diese Beurteilung ersichtlich nicht darauf ankommt, ob der Beklagte tatsächlich Mitglied der AfD geworden ist, was er selbst in Abrede stellt. Eine Infiltration von Kollegen mit verfassungsfeindlichem Gedankengut ist ebenfalls nicht ersichtlich.
157
cc. Soweit der Beklagte gegenüber seinen Kollegen, sowohl von der Polizeiwache M. als auch vom Alarmzug Ausführungen über die Nichtexistenz bzw. Rechtswidrigkeit der Bundesrepublik Deutschland, über die Ungültigkeit des Personalausweises und die notwendige Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises sowie über die Rechtswidrigkeit von GEZ-Gebühren getätigt hat, lassen diese Äußerungen keine zwingenden Rückschlüsse auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung des Beklagten zu. Die Einlassung des Beklagten, dass es ihm in den Gesprächen mit den Kollegen nicht um Überzeugungsversuche, sondern in erster Linie um Meinungsaustausch und darum gegangen sei, in Bezug auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und die dazu gehörigen Grundgesetzartikel das darzustellen, was er herausgefunden habe, ist nicht zu widerlegen. Die vernommenen Zeugen haben - wie bereits ausgeführt - bekundet, dass der Beklagte immer mit den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts und mit dem Grundgesetz argumentiert habe und es ihm hauptsächlich darum gegangen sei, dass die Eintragung „deutsch“ in seinem Personalausweis falsch sei.
158
So hat die Zeugin Q. bekundet, dass es sich bei den Äußerungen des Beklagten eher um den Versuch eines Meinungsaustausches und nicht um Überzeugungsversuche gehandelt habe. Der Zeuge M. hatte als Vorgesetzter des Beklagten ebenfalls nicht den Eindruck, dass der Beklagte ein Problem mit der Legalität der Bundesrepublik Deutschland hat. Gegenüber dem Zeugen D. , seinem Wachdienstführer, hat der Beklagte geäußert, dass er kein „Rechter“ sei, mit entsprechenden Tendenzen nicht sympathisiere, sich an Recht und Gesetz halte und das Grundgesetz für ihn maßgeblich sei. Auch nach dem Eindruck des Zeugen D. ging es dem Beklagten nur um Meinungsaustausch und Diskussion. Dies wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen X. , der die Ausführungen des Beklagten nicht dahingehend verstanden hat, dass die Verfassung für diesen persönlich keine Gültigkeit mehr habe. Genauso hatte der Zeuge X1. nicht den Eindruck, dass der Beklagte mit den von ihm aufgestellten Thesen fest verwurzelt sei, und sich dementsprechend keine Sorgen bezüglich einer möglichen Verfassungsuntreue gemacht. Auch der Zeuge A. konnte nicht bestätigen, dass die Ausführungen des Beklagten seiner tatsächlichen Überzeugung entsprachen. Schließlich hat der Zeuge K. bekundet, dass die Ausführungen des Beklagten seiner Meinung nach nicht seiner tatsächlichen Einstellung zum Bestand der Bundesrepublik Deutschland entsprochen hätten und der Beklagte vielmehr nur aus dem, was er gelesen, zitiert und sich damit auseinandergesetzt habe.
159
Aus der Gesamtschau der Äußerungen des Beklagten gegenüber seinen Kollegen kann damit nicht der Schluss gezogen werden, dass er sich nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt oder nicht für sie eintritt.
160
Soweit die Durchsuchung und Auswertung seiner Speichermedien ergeben hat, dass der Beklagte sich intensiv mit Themen der „Reichsbürger-Bewegung“ beschäftigt hat, ist die bloße Beschäftigung mit solchen Themen grundsätzlich disziplinarrechtlich nicht relevant.
161
Vgl. VG Münster, Urteil vom 19. Februar 2013 - 13 K 1160/12.O -, juris, Rn. 50.
162
dd. In diesem Zusammenhang ist auch das Hissen der schwarz-weiß-roten Flagge des früheren Deutschen Reiches grundsätzlich ohne durchschlagende unmittelbare Bedeutung, da diese kein Hakenkreuz oder sonstige nationalsozialistischen Symbole aufweist und insoweit das Hissen weder einem Straftatbestand unterfällt noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Überdies hat der Beklagte seine diesbezügliche Motivation für das Hissen der Flagge, ein Akt der Ehrerbietung gegenüber seinem verstorbenen Großvater, geschildert; widerlegt werden kann ihm dies nicht.
163
ee. Gleiches gilt für das auf der Festplatte des privaten PC des Beklagten aufgefundene mit „Rechtsbeschwerde" gekennzeichnete und an die Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Kassel gerichtete Schreiben, welches nicht versandt worden ist, und für etwaige Links zu Aufklebern, die nicht bestellt wurden. Dies zeigt, dass der Beklagte letztlich nicht konsequent die Ideologie der „Reichsbürger-Bewegung“ verfolgt, die Gesetze grundsätzlich nicht anerkennen.
164
ff. Eine fremdenfeindliche oder antisemitische Haltung des Beklagten kann ebenfalls nicht festgestellt bzw. nachgewiesen werden. Soweit der Kläger sich diesbezüglich auf Inhalte des Chat-Verkehrs zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau bzw. seiner Chat-Gruppe “M1. C2. “ bezieht, ist zu berücksichtigen, dass die Chats ausschließlich außerhalb des Dienstes und im rein privaten Raum des Beklagten erfolgten. Außerhalb des Dienstes getätigte politische Äußerungen eines Beamten sind grundsätzlich von seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt und damit regelmäßig disziplinarrechtlich unerheblich, soweit diese nicht strafbar oder aus anderen Gründen pflichtwidrig sind. Der besondere Wertgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung führt zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede und vergleichbarer Meinungsäußerungen in allen Bereichen.
165
Vgl. Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl., B.II.2, S. 166, Rn. 7.
166
Im Übrigen ist es ausweislich der Bekundungen der Kollegen des Beklagten im Dienst niemals zu Auffälligkeiten im Zusammenhang mit ausländischen Mitbürgern gekommen; im Gegenteil: nach der Aussage der Kollegin PKin X3. war der Beklagte bei einem Einsatz im Zusammenhang mit afrikanischen Mitbürgern zu diesen besonders freundlich und hilfsbereit.
167
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https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2017/13_K_5475_16_O_Urteil_20170710.html