Autor Thema: VG Augsburg, Urteil v. 09.05.2023 – Au 8 K 21.658 Widerruf WBK  (Gelesen 356 mal)

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Zitat
VG Augsburg, Urteil v. 09.05.2023 – Au 8 K 21.658

Titel: Waffenrecht, Widerruf von Waffenbesitzkarten, Waffenbesitzverbot, Verdacht auf Anhängerschaft zur „Reichsbürgerbewegung“, Bewertung des Verhaltens des Antragstellers im waffenrechtlichen Verfahren
Normenketten: WaffG § 45 Abs. 2, WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2, WaffG § 41 Abs. 1 Nr. 2

Schlagworte: Waffenrecht, Widerruf von Waffenbesitzkarten, Waffenbesitzverbot, Verdacht auf Anhängerschaft zur „Reichsbürgerbewegung“, Bewertung des Verhaltens des Antragstellers im waffenrechtlichen Verfahren
Fundstelle: BeckRS 2023, 16651

Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Spoiler
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse sowie die Anordnung eines Waffenbesitzverbotes.
2
Am 24. März 2017 erteilte der Beklagte dem Kläger sowohl eine grüne Waffenbesitzkarte (Nr. ...), in die eine halbautomatische Pistole mit Kaliber 9mm Luger und eine mit Kaliber .22lr eingetragen wurde, sowie eine gelbe Waffenbesitzkarte (Nr. ...). Für beide lag eine Bestätigung des anerkannten Dachverbandes über das Bedürfnis zum Erwerb einer Waffe vor. Zur Begründung wurde mit der Antragstellung der Nachweis der Sportschützeneigenschaft sowie eine Bescheinigung für Sportschützen als Nachweis der Sachkunde mit Antragstellung vorgelegt. Neben den Waffenbesitzkarten wurde dem Kläger zudem auf Antrag die Erlaubnis für einen europäischen Feuerwaffenpass erteilt.
3
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2020 teilte die KPI (Z) ... N. dem Beklagten mit, dass im Rahmen einer Amtshilfe der Polizeiinspektion ... für die Steuerfahndung bei der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen des Klägers Schriftstücke gefunden worden waren, welche der Reichsbürgerbewegung zuzuschreiben seien. Bei den Dokumenten handele es sich um:
4
- einen Ausweis der Verfassungsgebenden Versammlung mit Lichtbild sowie Daten des Klägers
5
- ein vom Kläger unterzeichnetes Life Statement Under Oath (Lebenderklärung unter Eid)
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- eine E-Mail des Klägers vom 11. Oktober 2020 an das russische Generalkonsulat mit der Bitte um Schutz, in welcher der Kläger sich auf die Grenzen beziehe, die im Potsdamer Abkommen von 1945 festgeschrieben sind
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- ein Schreiben mit dem Titel „Referendum für die Verfassung von Deutschland“ der verfassungsgebenden Versammlung mit den Daten des Klägers
8
- ein Vordruck für einen Kontakt mit der Polizei, um sich als privat handelnder Mensch auszuweisen
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- handschriftliche Anmerkungen des Klägers über die Haftung von Richtern
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- Artikel überschrieben mit „Die Firma Finanzamt“ sowie „Welche Rechte hat die POLIZEI auf deutschem Boden?“.
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Im Anschluss an die Durchsuchung rief der Kläger die zuständige Polizeidienststelle an, um anzufragen, ob die Beamten von der Polizei gewesen seien oder anderweitig beauftragt worden seien.
12
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hinsichtlich der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit teilte der Kläger mit, dass er keine Veranlassung sehe, sich gegen die Vorwürfe zu rechtfertigen. Er lebe nach dem Grundsatz „Wahrheit führt zu Freiheit und Freiheit zu Frieden“. Er beobachte die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland mit Sorge und sehe die Meinungsfreiheit in Gefahr.
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Mit Bescheid vom 17. Februar 2021 widerrief der Beklagte die Erlaubnis zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition in Form der Waffenbesitzkarten Nr. ... sowie Nr. ... sowie den Europäischen Feuerwaffenpass Nr. ... (Nr. 1 des Bescheids) und untersagte dem Kläger unbefristet den Besitz und Erwerb von Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedürfen, sowie den Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedürfen (Nr. 2 des Bescheids). Hinsichtlich der Untersagung wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 3 des Bescheids). Dem Kläger wurde eine Gebühr von 200,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 2,76 EUR auferlegt (Nr. 4 und Nr. 5 des Bescheids).
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Das bisherige Verhalten des Klägers lasse befürchten, dass er sich nicht an die strengen waffenrechtlichen Vorgaben des Waffengesetzes zum Umgang mit Waffen halten werde. Als der sogenannten Reichsbürgerbewegung anhängig, sei davon auszugehen, dass er die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle, bestreite. Weiter werde durch die genannte Personengruppe die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland, Gesetze mit auch für diese bindender Wirkung zu erlassen, negiert. Wer aber Bundes- und Landesgesetze generell nicht als für sich verbindlich anerkenne, gebe Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen werde. Laut Angaben der Polizei sei der Kläger der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen, weshalb der Tatbestand der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b, c WaffG erfüllt sei, wodurch die waffenrechtlichen Erlaubnisse nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG zwingend zu widerrufen gewesen seien. Die Untersagung stütze sich auf § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Diese verfolge aufgrund der Unzuverlässigkeit des Klägers im waffenrechtlichen Sinn den Zweck, die dadurch resultierende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu unterbinden. Darüber hinaus sei die Untersagung geeignet, erforderlich und überwiege das private Interesse des Klägers bei einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Untersagung. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Klägers könne eine positive Zukunftsprognose nicht getroffen werden.
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Dagegen ließ der Kläger am 18. März 2021 Klage erheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er keiner der Reichsbürgervereinigungen angehöre, eine offene und pluralistische Gesellschaft nicht ablehne, sich nicht weigere, Gerichtsbeschlüsse und Verwaltungsentscheidungen zu befolgen und nicht davon ausgehe, dass das Deutsche Reich fortbestehe. Das Dokument über eine verfassungsgebende Versammlung in Deutschland beruhe auf einer Recherche. Der Kläger intendierte durch das Ausfüllen des Dokuments seinen Willen kenntlich zu machen, dass er für diesen Fall bereit wäre, an einer entsprechenden Änderung mitzuwirken, sofern eine solche Änderung auf einer gesetzmäßigen Legitimation beruhe. Die aufgefundene Lebenserklärung sei vom Kläger mit der Absicht unterzeichnet worden, auch bei längerer Abwesenheit unabhängig von Staatsbürgerschaft oder -zugehörigkeit Rechte geltend machen zu können. Die Mail an den russischen Generalkonsul resultiere vor dem Hintergrund der Coronakrise und ihrer Einschränkungen, es handle sich um einen Hilferuf des Klägers, um seine Familie zu schützen. Im Referendum über die Verfassung Deutschland werde auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie auf das Grundgesetz Bezug genommen. Das Dokument über eine Übergangsregierung in Deutschland enthalte die Farben der Bundesrepublik Deutschland und keine Farben von Reichsbürgern und fordere im Falle einer neuen verfassungsgebenden Versammlung die Unterstützung der Vereinigten Staaten. Den Vordruck für die Polizei habe der Kläger nie eingesetzt oder vorgezeigt, er sollte im Falle eines ungerechtfertigten Übergriffs möglicherweise hilfreich sein. Die Notizen über die Haftung von Richtern rührten aus einer Erkundigung, welche Rechtsmittel ihm im Falle eines beendeten Instanzenzuges zur Verfügungen stehen würden. Diesbezüglich sei ihm mitgeteilt worden, dass dies auf europäischer und internationaler Ebene möglich sei. Alle Dokumente würden sich mit demokratischen Prinzipien befassen. Darüber hinaus lehne der Kläger jede Art von Gewalt zur Durchsetzung von politischen Forderungen ab.
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Der Kläger lässt beantragen,
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den Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2021 (Az. ...) aufzuheben.
19
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt unter Verweis auf die Begründung im angefochtenen Bescheid darüber hinaus vor, dass der Kläger nach Auswertung der Dokumente durch die KPI (Z) als Reichsbürger bei der Polizei eingestuft sei. Im Rahmen der Durchsuchung seien Dokumente aufgefunden worden, worin die Polizei als Firma bezeichnet werde. Mit diesen Schriftstücken konfrontiert, habe der Kläger entgegnet, dass dies auch der Fall sei.
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In der Sache wurde am 9. Mai 2023 mündlich vor Gericht verhandelt. Auf das in der mündlichen Verhandlung gefertigte Protokoll wird im Einzelnen Bezug genommen. Ebenso wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten,
24
§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setzt unter anderem voraus, dass ein Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition unvorsichtig oder unsachgemäß umgehen werden oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden bzw. gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) WaffG Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Widerrufs ist der des Bescheiderlasses (BayVGH, B.v. 13.4.2021 – 24 B 20.2220 – juris Rn. 14).
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Die bei Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vorzunehmende, gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose hat sich an dem Zweck zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/693 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 16.9.2008 – 21 ZB 08.655 – juris Rn. 7). Eine negative Prognose ist lediglich dann nicht gerechtfertigt, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko stützen, dass die betreffende Person auch in Zukunft Verhaltensweisen, die eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit erfüllen, begehen wird (BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1/14 – juris Rn. 17). Angesichts des möglichen Schadens bei Nichtbewährung und des präventiven ordnungsrechtlichen Charakters der Forderung nach einer besonderen Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen und Munition genügt es, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des erlaubnispflichtigen Umgangs mit Waffen und Munition verbleibt (BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 23.11.2015 – 21 CS 15.2130 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12). Dabei muss ein Restrisiko nicht hingenommen werden (BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 23.5.2014 – 21 CS 14.916 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 13.5.2014 – 21 CS 14.720 – juris Rn. 9).
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a) Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu Eigen gemacht haben, sind grundsätzlich waffenrechtlich unzuverlässig (vgl. BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 20.12.2021 – 24 ZB 20.1386 – juris Rn. 15, stRspr.).
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Nach dem Verfassungsschutzbericht 2021 des Bundes (S. 102) sind sog. Reichsbürger und Selbstverwalter personell, organisatorisch und ideologisch heterogene Gruppierungen und Einzelpersonen. Aus unterschiedlichen Motivlagen und Begründungen heraus werde „die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem“ abgelehnt (S. 102). Hierbei erfolge unter anderem eine Berufung auf das „historische Deutsche Reich oder ein selbst definiertes Naturrecht“ sowie eine Verwendung von „verschwörungstheoretische[n] Argumentationsmuster“ (S. 102). Staatlichen Institutionen und deren Repräsentanten werde die Legitimation abgesprochen sowie die Geltung der Rechtsordnung bestritten (Bayerisches Verfassungsschutzbericht 2022, S. 235).
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Aufgrund dessen bestehe die Gefahr, dass diese die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, in diesem Fall die Regelungen des Waffengesetzes, als für sich nicht verbindlich ansehen und aus diesem Grund die Regelungen nicht einhalten werden (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 17).
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Um beurteilen zu können, ob eine Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ besteht bzw. zu deren Ideologie, ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19). Hierbei wird die Persönlichkeit des Klägers sowie sein prozessuales und außerprozessuales Verhalten und seine Einlassungen im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 4.10.2018 – 21 CS 18.264 – juris Rn. 12). Im Rahmen der Prüfung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit müssen Tatsachen vorhanden sein, die den Betroffenen der sogenannten „Reichsbürgerszene“ zuordnen (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19). Hat ein Waffenbesitzer Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die ihn als Reichsbürger und damit als waffenrechtlich unzuverlässig erscheinen lassen, ist es Aufgabe des erkennenden Gerichts zu prüfen, inwieweit die Einlassungen des Klägers im Einzelnen glaubhaft und geeignet sind, ihn als eine Person erscheinen zu lassen, die nicht die Ideologie der Reichsbürger als für sich verbindlich beansprucht (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 19). Lässt ein von außen wahrnehmbares Verhalten des Klägers nach den zugrunde gelegten Erkenntnissen eine ideologische Nähe zur Reichsbürgerbewegung erkennen, so ist es Sache des Klägers, die von ihm selbst hervorgerufenen, berechtigten Zweifel im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu entkräften, zumal der Kläger an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken hat, insbesondere, da es sich bei einer inneren Einstellung bzw. Geisteshaltung um Umstände handelt, die in die „Sphäre“ des Klägers fallen (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 16). Das erkennende Gericht hat, insbesondere auch durch einen persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung, zu klären, inwieweit der Kläger einschlägige typische Verhaltensweisen erklären und entkräften kann. Insbesondere hat sich das Gericht einen Eindruck davon zu verschaffen, inwieweit diese Verhaltensweisen aufgeklärt oder eben auch verschleiert bzw. bagatellisiert werden (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2020 a.a.O.; VG Ansbach, U.v. 12.2.2021 – AN 16 K 17.02004 – juris).
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b) Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze liegen hinreichende Tatsachen vor, dass der Kläger der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist, weshalb er als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des
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§ 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) und lit. c) WaffG einzustufen ist.
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Grundlage für die zu erstellende Prognose sind die festgestellten Tatsachen (VG München, U.v. 29.7.2020 – M 7 K 18.4259 – juris Rn. 26). Die Tatsachen müssen darauf hinweisen, dass die betreffende Person Anhänger der „Reichsbürgerszene“ ist (BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris Rn. 19).
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aa) Der Kläger konnte die durch die aufgefundenen Dokumente veranlasste Einstufung der KPI (Z) als der Reichsbürgerbewegung zugehörig, deren Ansicht der Beklagte nach eigener Prüfung gefolgt ist, weder durch seine in den Schriftsätzen vorgebrachten Einwände noch durch seine Einlassungen in der mündlichen Verhandlung entkräften.
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Durch die im Widerrufsbescheid aufgeführten Dokumente, welche im Rahmen der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume aufgefunden worden waren, ist der Kläger nach außen hin als Reichsbürger in Erscheinung getreten. Aus der Zusammenschau der aufgefundenen Dokumente, von welchen sich der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend distanziert hat, ergibt sich aus Sicht der Kammer die Zuordnung des Klägers zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“.
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bb) Im konkreten Fall sprechen insbesondere der Ausweis der Verfassungsgebenden Versammlung, die unterzeichnete Lebenderklärung unter Eid, die Bezeichnung der Polizei als Firma und die E-Mail an den russischen Generalkonsul dafür, dass der Kläger der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. sich deren Ideologie verbindlich zu eigen gemacht hat.
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Der Kläger ist nach außen hin im Rahmen einer E-Mail an den russischen Generalkonsul mit reichsbürgertypischem Sprachgebrauch in Erscheinung getreten. Im Zuge dessen hat sich der Kläger auf die von ihm ausgefüllte Lebenderklärung berufen und klargestellt, dass er „den obersten Rechtskreis (Universales Recht)“ betreten habe. Im Falle der Lebenderklärung unter Eid handelt es sich um ein reichsbürgertypisches Verhalten (BayVGH, U.v. 10.12.2021 – 16a D 19.1155 – juris Rn. 65; VG Cottbus, B.v. 9.11.2021 – 3 L 343/21 – juris Rn. 19). Auch der im Rahmen der Durchsuchung aufgefundene Ausweis der Verfassungsgebenden Versammlung ist der Reichsbürgerszene zuzuordnen. Die Verfassungsgebende Versammlung bestreitet die Existenz der Bundesrepublik Deutschland, weshalb eine einberufene temporär bestehende Versammlung eine Verfassung und Gesetze schaffen solle (Bayerischer Verfassungsschutzbericht 2022, S. 254). Der Kläger gibt selbst an, dass er auf diese im Rahmen einer Recherche gestoßen sei. Nach Aussage des Klägers sei der Anstoß hierzu die Corona-Pandemie gewesen. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass derjenige, der einen „Mitgliedsausweis“ besitzt, auch Kenntnis darüber hat, welche Ziele dieser Verein bzw. diese Versammlung verfolgt bzw. welches Gedankengut die Organisatoren der Versammlung verbreiten. Um den Ausweis der Verfassungsgebenden Versammlung zu finden, dürfte der Kläger darüber hinaus auch zwangsläufig auf die kritischen Berichte hierzu gestoßen sein (unter anderem Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz über „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ aus dem Jahr 2018).
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Die übrigen nicht ausgefüllten Dokumente bzw. die aufgefundenen Aufzeichnungen stützen diese Annahme, dass sich der Kläger dem Gedankengut der Reichsbürgerbewegung zugehörig anhängt.
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Indessen macht der Kläger geltend, dass er sich im Rahmen der Ausübung der Meinungsfreiheit informiert habe. Insbesondere habe er sich Sorgen aufgrund der Einschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie gemacht. Auf Vorhalt des Gerichts zur Unterzeichnung der Lebenderklärung im Jahr 2018 erklärte der Kläger, dass er zu diesem Zeitpunkt keine Vorstellung hatte, dass das Dokument in der Reichsbürgerszene eine Bedeutung habe. Er habe lediglich seinen Status als Mensch sichern wollen und verweist auf frühere Krankheitsbilder, wie die Schweinegrippe und SARS.
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Aus den aufgefundenen Dokumenten im Rahmen der Durchsuchung ergibt sich jedoch nicht lediglich ausgedrucktes „Informationsmaterial“, vielmehr wurde durch den Kläger zum einen ein Ausweis der Verfassungsgebenden Versammlung mit Lichtbild und Daten sowie eine Lebenderklärung ausgefüllt bzw. unterschrieben. Letzteres hat er auch notariell beurkunden lassen. Durch das Ausfüllen des Ausweises der Verfassungsgebenden Versammlung sowie der Lebenderklärung unter Eid hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er sich der Reichsbürgerbewegung zugehörig fühlt.
42
cc) Zwar ließ sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung dahingehend ein, dass er sich ausdrücklich von der Reichsbürgerbewegung distanziere und ihm jede Zuordnung zur Reichsbürgerszene „zuwider“ sei.
43
Eine Distanzierung von der durch sein bisheriges Verhalten nach außen erkennbaren Einstellung erfordert jedoch wiederum nach außen erkennbare Umstände, die eine Wahrscheinlichkeit dafür bieten, dass der Betroffene auch eine Änderung der inneren Haltung vorgenommen hat (VG München, GB v. 31.1.2022 – M 7 K 19.5989 – juris Rn. 41 mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des AufenthG aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung, BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12).
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Den Einlassungen des Klägers kann aus Sicht der Kammer keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ entnommen werden. Vielmehr beließ es der Kläger bei der generellen Aussage, dass er sich selbst nicht als Reichsbürger sehe. Eine konkrete Auseinandersetzung und Distanzierung mit der durch die aufgefundenen Dokumente geäußerten Ideologie ist nicht erfolgt. Beginnend mit der Möglichkeit sich im Rahmen des Anhörungsverfahrens von den aufgefundenen Dokumenten zu distanzieren, nahm der Kläger bereits diese Gelegenheit nicht wahr, sich von dem in den Schriftstücken enthaltenen Gedankengut, das den Reichsbürgern zuzuordnen ist, abzugrenzen. Vielmehr berief sich der Kläger lediglich auf seine Meinungsfreiheit und beabsichtigte nicht, sich zu den Vorwürfen des Beklagten zu äußern.
45
Auch auf Frage der Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Einstufung der Polizei als „Firma“, welche durch die aufgefundenen Dokumente sowie im Rahmen der Durchsuchung aufkam, ließ sich der Kläger dahingehend ein, dass er sich nicht mehr erinnere, dass er diese Dokumente besitze, sie hätten sich im Keller befunden und vielleicht hätte er sie irgendwann auch geschreddert. Im schriftsätzlichen Vorbringen hat sich der Kläger zur Tatsache, dass er im Rahmen der Durchsuchung die Polizei als „Firma“ auf Nachfrage bestätigt habe, nicht geäußert. Es handelt sich hierbei um ein reichsbürgertypisches Argumentationsmuster. Eine Distanzierung von dem hierdurch gesetzten Anschein einer Ablehnung von Repräsentanten des Staates ist nicht erfolgt. Vielmehr hat sich der Kläger zur Frage der Bezeichnung der Polizei als „Firma“ nicht geäußert, sondern ist dem Anschein, den er hierdurch in der Außenwelt gesetzt hat, nicht entgegengetreten. Weder im schriftsätzlichen Vorbringen noch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu erkennen geben, dass er sich von der Ansicht, dass es sich bei der Polizei um eine „Firma“ handle, distanziere.
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Aus den genannten Gründen sind darüber hinaus keine nach außen in Erscheinung getretenen Umstände feststellbar, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat.
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dd) Entgegen der Ansicht des Klägers ist für eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung eine gewisse Gewaltbereitschaft keine Voraussetzung. Vielmehr ist die Ideologie geeignet, Einzelpersonen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in welchem Staatsverdrossenheit sich zu Staatshass entwickeln kann, welches Grundlage für eine Radikalisierung sein kann (Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 236). Auch die von Seiten des Klägers vorgetragene Zuverlässigkeit im Hinblick auf seine zahnärztliche berufliche Tätigkeit lässt die entstandenen Zweifel an der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht entfallen. Auch wer sich in sonstigen Zusammenhängen nichts zu Schulden kommen lässt, ist im Sinne des § 5 WaffG nicht zwingend als persönlich zuverlässig anzusehen, wenn der durch Tatsachen begründete hinreichende Verdacht auf die Nähe zur Ideologie der Reichsbürgerbewegung besteht (Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 WaffG Rn. 9).
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2. Aufgrund der Feststellungen zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers sowie der auch in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumten Zuordnung zur Reichsbürgerbewegung ist auch die Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtmäßig ergangen.
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Nach § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedürfen, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Hiermit wird an die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG angeknüpft. Zudem kann die zuständige Behörde nach § 41 Abs. 2 WaffG jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Hierbei ist anerkannt, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 WaffG erfüllt sind, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis, hiernach auch die Zuverlässigkeit nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 WaffG, nicht vorliegen (BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30/11 – juris Rn. 35; VG München, U.v. 29.7.2020 – M 7 K 18.4259 – juris Rn. 23). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieses Dauerverwaltungsaktes war der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung (vgl. VG München, U.v. 29.7.2020 – M 7 K 18.4259 – juris Rn. 19). Der Beklagte hat das ihm eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt, insbesondere wurde eine Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Klägers an dem Besitz von Waffen und Munition und das öffentliche Interesse an dem Schutz von Leben und Gesundheit vorgenommen, wobei Letzteres zu Recht überwogen hat. Auch hier ist der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (oben zu 1.) verwiesen werden. Auch durch die Einlassungen des Klägers in der Klagebegründung sowie in der mündlichen Verhandlung ergibt sich keine andere Bewertung, da die bestehenden Zweifel nicht ausgeräumt werden konnten. Insbesondere sollte aufgrund mit durch den Umgang mit Waffen und Munition einhergehenden Gefahren für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit ein Restrisiko nicht hingenommen werden (BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11).
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3. Der Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)