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Oberverwaltungsgericht NRW, 3d B 1383/18.BDG
Datum:
24.10.2018
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
Disziplinarsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3d B 1383/18.BDG
ECLI:
ECLI:DE:OVGNRW:2018:1024.3D.B1383.18BDG.00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 38 L 1841/18.BDG
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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G r ü n d e :
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Die gemäß § 67 Abs. 1 und 3 BDG i.V.m. §§ 146 und 147 VwGO statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Die vorgebrachten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Disziplinarsenat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemäß § 67 Abs. 3 BDG i. V. m. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, sind nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen.
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I.Die Disziplinarkammer hat den Antrag des Antragstellers gemäß § 63 Abs. 1 Halbsatz 1 BDG, seine durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2018 ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung auszusetzen, abgelehnt.
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Die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung unterliege keinen ernstlichen Zweifeln (§ 63 Abs. 2 BDG), weil im Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde. Der Antragsteller sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Anhänger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ einzustufen. Er stelle die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Organe sowie ihre Legitimation in Abrede. Bei summarischer Prüfung sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller ein Dienstvergehen begangen habe, das aufgrund der Schwere des Pflichtverstoßes und der Würdigung seines Persönlichkeitsbildes voraussichtlich seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zur Folge haben wird.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er macht im Wesentlichen geltend, die angegriffene Verfügung vom 15. Mai 2018 weise formelle Mängel auf. Er habe vor Erlass der Verfügung angehört werden müssen. Für eine vorläufige Dienstenthebung bestehe kein nachvollziehbarer Grund, weil er aufgrund eines Zurruhesetzungsbescheides der AG seinen Dienst ohnehin nicht ausüben könne. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Disziplinarverfahren voraussichtlich zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen werde. Er sei kein Reichsbürger und kein Anhänger der Reichsbürgerbewegung. Zwar habe er von Ende 2016 bis Mitte 2017 Kontakt mit Personen gehabt, die der Reichsbürgerbewegung gedanklich naheständen, und einige Schreiben an Behörden versandt, die Argumentationen beinhalteten, die aus der Reichsbürgerbewegung stammten. Diese Phase des Zweifels habe aber nur ein halbes Jahr angedauert. Nunmehr bejahe er den Staat und seine Verfassungsorgane uneingeschränkt und betrachte sie als schützenswert. Die Disziplinarkammer habe im Übrigen nicht berücksichtigt, dass er seine Tätigkeit als Lokführer gewissenhaft ausgeübt habe. Auch sei nicht zu ersehen, wie sich die zum Zeitpunkt der vorläufigen Dienst-enthebung bereits überholten Ansichten auf seine Tätigkeit als Lokführer ausgewirkt hätten.
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II.Die Disziplinarkammer hat zu Recht keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 63 Abs. 2 BDG daran gehabt, dass der Antragsteller aufgrund der bisher im Disziplinarverfahren zutage getretenen Tatsachen voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sein wird, was gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG die vorläufige Dienstenthebung rechtfertigt.
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1)Es besteht der hinreichend begründete Verdacht eines schwerwiegenden außerdienstlichen Dienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) in Form der Verletzung der Grundpflicht des Antragstellers gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG, sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, sowie der Dienstpflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG). In dessen Folge ist die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlicher als eine geringere Disziplinarmaßnahme, weil er dadurch voraussichtlich das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).
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Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 18. Dezember 2017 – 6 B 215/17.D –, juris, Rn. 13.
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Zur weiteren Begründung – auch hinsichtlich der Rüge, der Antragsteller sei vor Erlass der vorläufigen Dienstenthebung nicht angehört worden – wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss Bezug genommen (§ 3 BDG, § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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2)Die Argumente des Antragstellers im Beschwerdeverfahren führen nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung.
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a)Sein Einwand greift nicht durch, die Disziplinarverfügung sei bereits aufgrund der Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand aufzuheben. Vielmehr gilt für den Fall einer Versetzung in den Ruhestand umgekehrt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit einer angeordneten vorläufigen Dienstenthebung sowie ein etwaiges Fortsetzungsfeststellungsinteresse mit der Bestandskraft der Anordnung über die Zurruhesetzung des Beamten entfällt. Dies hat zur Folge, dass dann ein Antrag auf Aufhebung der Disziplinarverfügung schon aus diesem Grund keinen Erfolg hat.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1996 – 1 DB 4.96 –, juris, Rn. 7 f.
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Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil die Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand (die seine Dienstleistungspflicht entfallen ließe) aufgrund seines Widerspruchs nicht bestandskräftig ist.
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b)Auf die Frage, wie sich seine Auffassungen auf die Tätigkeit als Lokführer ausgewirkt haben könnte, kommt es nicht an. Ebenso kann auf sich beruhen, dass es bisher nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist. Denn die Treueverpflichtung des Beamten auf die Verfassungsordnung stellt ein personenbezogenes Eignungsmerkmal dar. Es betrifft das dienstliche wie das außerdienstliche Verhalten des Beamten gleichermaßen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 –, juris, Rn. 85.
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Das dies bei einem Lokomotivbetriebsinspektor anders wäre, ist nach der hier nur gebotenen summarischen Prüfung nicht zu erkennen.
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c)Eine langjährige Dienstleistung ohne Beanstandungen fällt jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen, wie sie hier in Rede stehen, neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das innerdienstliche Verhalten abgesenkt werden.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 2 B 63.12 –, juris, Rn. 13.
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d)Die im Beschwerdeverfahren behauptete Distanzierung des Antragstellers von der Reichsbürgerbewegung ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand, der für die Entscheidung über die Beschwerde maßgeblich ist, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit prozesstaktischer Natur und nicht ernst gemeint.
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Für die Ernsthaftigkeit der Distanzierung spricht zwar, dass es nach dem vom Antragsteller genannten Zeitraum (Mitte 2017) keine entsprechenden Schreiben des Antragstellers mehr gibt.
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Dagegen spricht jedoch bei der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die Intensität, mit der sich der Antragsteller die Argumente der Reichsbürgerbewegung zuvor zu Eigen gemacht hatte. So bat er u.a. aus Gewissensgründen um Enthebung aus dem Schöffenamt (Bl. 81 d.A.), bezeichnete das Landgericht F. als „Eingetragene Firma“ (Bl. 81 d.A.) und äußerte gegenüber dem „Dienststellenleiter der Firma Finanzamt“, dass er gegen ihn Schadensersatzansprüche gelten machen könne, da er sein „Vertragspartner“ geworden sei (Bl. 77 ff. d. A.).
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Für einen prozesstaktischen Charakter seiner Distanzierung spricht weiter, dass der Antragsteller seinen Antrag auf Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung ursprünglich damit begründet hat, aus „nicht nachvollziehbaren Gründen“ sei ihm gegenüber behauptet worden, er stehe der Reichsbürgerbewegung nahe. Anhaltspunkte für diesen Vorwurf hätten sich auch bei einer Hausdurchsuchung nicht ergeben. Die Vorwürfe seien „haltlos“. Erst im Beschwerdeverfahren – als dem Antragsteller aufgrund des Beschlusses der Disziplinarkammer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Dienstenthebung vor Augen stand – hat der Antragsteller angegeben, er habe von Ende 2016 bis Mitte 2017 Kontakt mit Personen gehabt, die der Reichsbürgerbewegung gedanklich naheständen. Er habe einige Schreiben mit Argumentationen an Behörden versandt, die aus der Reichsbürgerbewegung stammten. Hiervon ausgehend kann keine Rede mehr davon sein, es sei aus „nicht nachvollziehbaren Gründen“ dem Antragsteller gegenüber behauptet worden, er stehe der Reichsbürgerbewegung nahe; die Vorwürfe seien „haltlos“. Diese Änderung in den Angaben weist vielmehr darauf hin, dass der Antragsteller seinen Vortrag an die jeweilige prozessuale Situation anpasst. Sie erweckt den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit.
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Wenn sich der Antragsteller ernsthaft und nicht lediglich aus prozesstaktischen Gründen von der Reichsbürgerbewegung distanzieren wollte, hätte es im Übrigen nahegelegen, dies bereits in der Antragsschrift klarzustellen. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller bereits durch den Beschluss des OLG I. vom 9. Mai 2017 im Verfahren über die Enthebung von seinem Schöffenamt darauf hingewiesen wurde, dass Personen, die der Argumentation der Reichsbürgerbewegung folgen, die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen. Eine frühzeitigere Distanzierung hätte auch deswegen nahe gelegen, weil sich der Antragsteller nach eigenen Angaben bereits zum Zeitpunkt der Disziplinarverfügung von dem dargestellten Gedankengut verabschiedet haben will.
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Gegen eine ernsthafte Distanzierung spricht schließlich bei vorläufiger Prüfung, dass der Antragsteller sein Verhalten noch in der Distanzierungserklärung verharmlost hat („…Ich habe mit vielen Leuten darüber gesprochen und war in der damaligen Zeit tatsächlich am Zweifeln. Ich habe auch einige Schreiben gefertigt und an Behörden herausgeschickt die Argumente beinhalten, die aus den Unterlagen und Gesprächen der Reichsbürgerbewegung stammten…“). Der Begriff „Zweifel“ verharmlost die Bestimmtheit, mit der er beispielsweise um Entlassung aus dem Schöffenamt gebeten hat („Ich will, dass Sie mich von der Schöffenliste streichen“). Der Hinweis auf die Beeinflussung durch Dritte, seine aus dem Akteninhalt hervorgehende eigene Verantwortung und der Verweis auf „Argumente, die aus den Unterlagen und Gesprächen der Reichsbürgerbewegung stammten“, beseitigen nicht, dass er in seinen Schreiben die freiheitliche demokratische Grundordnung in Frage gestellt hat.
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In einem etwaigen Hauptsacheverfahren wird es auch darauf ankommen, ob die Distanzierung des Antragsstellers von der Reichsbürgerbewegung ernst gemeint ist, sich möglicherweise verfestigt hat und wie sich dies ggf. im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände auswirkt.
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e)Angesichts der hohen Bedeutung der Treuepflicht des Beamten und der damit verbundenen Pflicht, den Staat zu bejahen und sich von Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat und dessen Organe angreifen und diffamieren, ist die Höchstmaßnahme unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls einschließlich der Tätigkeit des Antragstellers als Lokführer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht unverhältnismäßig.
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Verletzt ein Beamter durch sein dienstliches oder außerdienstliches Verhalten die ihm gemäß § 52 Abs. 2 BBG obliegende Pflicht, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, kann dies geeignet sein, das zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis unheilbar zu zerstören, und somit seine Dienstentfernung rechtfertigen.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 – 1 DB 15.01 –, juris, Rn. 18.
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Angesichts des Inhalts der Schreiben des Antragstellers äußerte sich dieser gegenüber den staatlichen Mitarbeitern in einer Art und Weise, die der Achtung und dem Vertrauen, die seine Beamtenstellung erfordert, nicht gerecht wird (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) und – auch außerhalb des Dienstes – in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in ihn in einer für sein Amt und das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG). Zudem liegt unmittelbar auf der Hand, dass ein Beamter die Existenz des Staates, für den er tätig ist, durch seine Handlungen nicht in Frage stellen darf. In der Zusammenschau aller Umstände spricht somit auch angesichts der Beschwerdebegründung Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller ein so schweres Dienstvergehen begangen hat, dass beim Dienstherrn und der Allgemeinheit ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten und er voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).
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3)Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gebühren aus dem Gebührenverzeichnis (Anlage zu § 78 BDG) ergeben.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 3 BDG i. V. m. § 152 Abs. 1 VwGO).