Autor Thema: "reichsdeutsch"  (Gelesen 3318 mal)

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"reichsdeutsch"
« am: 5. März 2018, 15:51:32 »
Gestern habe ich als Bettlektüre in der Weimarer Reichsverfassung gelesen. Dabei bin ich über Artikel 17 gestolpert, der da lautet:
Zitat
Artikel 17. Jedes Land muß eine freistaatliche Verfassung haben. Die Volksvertretung muß in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von allen reichsdeutschen Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Die Landesregierung bedarf des Vertrauens der Volksvertretung.

Die Grundsätze für die Wahlen zur Volksvertretung gelten auch für die Gemeindewahlen. Jedoch kann durch Landesgesetz die Wahlberechtigung von der Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde bis zu einem Jahr abhängig gemacht werden.

Nun behauptet unsere "Kundschaft" ja oft und gerne, dass "reichsdeutsch" oder "deutsch" oder "Reichsbürger" erst 1934 durch Nazi-Gesetze eingeführt worden sei. Allerdings ist die Weimarer Verfassung doch etwas vor 1934 und nicht vom NS-Regime erlassen worden.
Ich bin mir fast sicher, dass man bei etwas Suchen auch weitere Belege für diesen Sprachgebrauch finden könnte, die deutlich vor Januar 1933 liegen.
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #1 am: 5. März 2018, 16:04:16 »
Eine Reichsangehörigkeit gabe es schon mindetens seit 1913:

http://www.verfassungen.de/de/de67-18/rustag13.htm
Zitat
§ 1. Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§§3 bis 32) oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit (§§ 33 bis 35) besitzt.

Von den Nazis wurde 1934 nur die Staatsangehörigkeit der Bundesstaaten gestrichen:

Zitat
Durch die, aufgrund des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 (RGBl. I. S. 75) ergangene Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934 wurde bestimmt:
"§ 1. (1) Die Staatsangehörigkeit in den Ländern fällt fort.
(2) Es gibt nur noch eine deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit)."

Das war insofern "konsequent", dass die Länder zwar weiter existierten, jedoch nur als "ausführendes Organ" der Reichsregierung.

Es kommt sogar noch "schlimmer":

Aus der sogenannten Paulskirchenverfassung von 1848!

Zitat
§ 132. Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Über das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz.

Das wenn der Führer Reichsdepp wüsste!  ;D
« Letzte Änderung: 5. März 2018, 16:15:46 von Evil Dude »
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #2 am: 5. März 2018, 16:38:26 »
Soweit es um den Gebrauch einer einheitlichen Staatsangehörigkeit geht, finden sich Ansätze auch in der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871:
dortiger Artikel 3:
"Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Indigenat ...
...
Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis (Anm.: es geht um die Gleichbehandlung der Unterthanen/Staatsbürger eines Bundesstaates innerhalb sämtlicher Bundesstaaten des Reichs) durch die Obrigkeit seiner Heimath, oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates beschränkt werden.
...
Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig Anspruch auf den Schutz des Reichs.
"

Viel unterhaltsamer fand ich beim spontanen Blättern in meinem Exemplar des Reichs-Gesetzbuches (Berlin, 1905) diese Bestimmung:

"Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die Nichtanwendung von Bestimmungen der Seemannsordnung auf kleinere Fahrzeuge"
vom 16. Juni 1903

"§ 1. Auf Fahrzeuge von weniger als 300 Kubikmeter Bruttoraumgehalt, welche in der Küstenfahrt beschäftigt sind und auf Lustjachten findet § 1 Abs. 2 der Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 bezüglich der Vorschriften des § 35 Abs. 1, des § 36 Abs. 1 und des § 44 der Seemannsverordnung keine Anwendung."

Ohne die Verweisungen jetzt nachgeschlagen zu haben (machen die Reichis ja auch nicht), scheint das mit dem Seerecht vor Gericht nicht so einfach zu sein, wie immer behauptet wird. Bei genauerem Hinsehen benötigt man offenbar einen Holzgliedermessstab (o.ä.) und Kenntnisse von der Berechnung des Rauminhaltes, wenn man einen Gerichtssaal betritt (es sei denn, man/frau geht davon aus, dass jede Verhandlung mit einem Reichsbürger quasi auf einer Lustjacht stattfindet).
 
Man muss die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen kann.
 
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #3 am: 5. März 2018, 16:48:38 »
(es sei denn, man/frau geht davon aus, dass jede Verhandlung mit einem Reichsbürger quasi auf einer Lustjacht stattfindet).

Der üblichen Zahlungs"moral" nach zu urteilen kann es sich bei denen nur um Unlustjachten handeln!  ;D

Oder um Belustigungsjachten!  :think:
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #4 am: 5. März 2018, 16:54:11 »
Eine Reichsangehörigkeit gabe es schon mindetens seit 1913:

http://www.verfassungen.de/de/de67-18/rustag13.htm
Zitat
§ 1. Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§§3 bis 32) oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit (§§ 33 bis 35) besitzt.

"Mindestens" trifft es, denn seit 1870 gab es de Bundesangehörigkeit (des Norddeutschen Bundes). Ab 1871 war es dann eben sinngemäß die Reichsangehörigkeit, bis das Gesetz 1913 überarbeitet wurde. Eine unmittelbare Bundesangehörigkeit gab es nicht, ansonsten waren die Regelungen ähnlich.
 
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #5 am: 5. März 2018, 17:04:24 »
Eine unmittelbare Bundesangehörigkeit gab es nicht, ansonsten waren die Regelungen ähnlich.
Der Norddeutsche Bund hatte m. W. auch keine Kolonien, auch das Reich von 1871 anfangs nicht, somit war eine Regelung für die deutschen Kolonien, in denen zweifellos deutsche Staatsangehörige lebten, aber eben nicht in einem deutschen Bundesstaat, nicht erforderlich. Das Problem der unmittelbaren Reichsangehörigkeit war m. E. eine Folge des Erwerbs von Kolonien, die zwar deutsch waren, aber eben nicht Gebiet eines deutschen Bundesstaates.

Zur Hauptsache: Mit diesen Belegen ist eben der Beweis erbracht, dass die Begrifflichkeiten "reichsdeutsch", "Reichsdeutsche", "Reichsbürger" deutlich älter sind als das NS-Regime. Das war auch meine ursprüngliche Absicht.
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #6 am: 5. März 2018, 17:10:58 »
Ich habe mir mal erlaubt die hier besprochene Problematik in die Wiki-Artikel zu Reichsbürger einzuarbeiten.

Spoiler
Von den Gruppierungen die entsprechend dieses Verständnisses unter die Begrifflichkeit Reichsbürger fallen wird diese Bezeichnung zu meist abgelehnt. Einzig einzelne Vereinigungen im Fahrwasser des mittlerweile verstorbenen "Ur-Reichskanzler" [[Wolfgang Ebel]], der ursprünglich diesen Begriff für die Anhänger seiner KKR, zur Abgrenzung von Bundesbürger verwendete, benutzen Reichsbürger zumindest teilweise weiterhin als Eigenbezeichnung. Dabei wird der Terminus Reichsbürger nicht nur im Eigenverständnis vermieden, sondern auch die Verwendung durch Kritiker und Medien, wird als, Propaganda und Diskreditierung der verschiedenen Gruppen und Einzelkämpfer abgelehnt. Generelles Argument ist dabei, dass der Begriff Reichsbürger erst 1935 durch das nationalsozialistische Reichsbürgergesetz in den deutschen Sprachgebrauch bzw. die deutsche "Rechtssprache" eingeführt wurde. Häufig wird auch argumentiert, in Wahrheit sein BRD-Bürger die tatsächlichen Reichsbürger, da das heutig Staatsangehörigkeitsgesetz zum Teil auf Änderungen, die durch die Nazis durchgeführt wurden basiert. In wie weit hier ein Bezug zum nicht mehr gültigen Reichsbürgergesetz besteht, wird dabei allerdings offen gelassen. Auch die Tatsache, dass Reichsbürger bei den Staatsleugnern ihrer Zeit noch bis in die 2000er, als Eigenbezeichnung akzeptiert war wird ausgeblendet.

Der Terminus Reichsbürger findet sich tatsächlich bereits in der Paulskirchenverfassung von 1849:

''§ 132. Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Über das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, verfügt das Reichswahlgesetz.''
<ref>[http://www.verfassungen.de/de/de06-66/verfassung48-i.htm Verfassung des deutschen Reiches] vom 28. März 1849 (Paulskirchenverfassung)</ref>
[close]

https://wiki.sonnenstaatland.com/wiki/Reichsb%C3%BCrger#Begriffsbestimmung

Danke an Evil Dude für den Artikel aus der Pauelskirchenverfassung.
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #7 am: 5. März 2018, 17:31:42 »
@GeneralKapitalo Für etwa mitlesende weniger gebildete Gäste würde ich die Bezeichnung "Terminus" durch ein Wort wie "Begriff", "Bezeichnung" o. dgl. ersetzen. Ansonsten:  :clap:
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #8 am: 5. März 2018, 17:39:49 »
Na ja, sollte wohl dennoch verständlich sein. Aber gut es kommt vielleicht ein wenig "pretentious" rüber wie es der Ami sagen würde. ^^ Ich ändere es.
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #9 am: 5. März 2018, 17:51:06 »
@GeneralKapitalo Ich dachte halt, vielleicht verirre sich mal ein Journalist auf die Seite.
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #10 am: 6. März 2018, 11:15:28 »
"Mindestens" trifft es, denn seit 1870 gab es de Bundesangehörigkeit (des Norddeutschen Bundes). Ab 1871 war es dann eben sinngemäß die Reichsangehörigkeit, bis das Gesetz 1913 überarbeitet wurde. Eine unmittelbare Bundesangehörigkeit gab es nicht, ansonsten waren die Regelungen ähnlich.


Na ja, das könnte man ja zumindest "de jure" noch anders sehen, denn bis 1934 war der "Württemberger", "Bayer", "Sachse", "Preuße" etc. zwar (auch) Deutscher, hatte aber nur die "Staatsangehörigkeit" des Bundesstaats. Aber ab 1871 waren alle auch "Bürger" des Deutschen Reichs, ergo "Reichsbürger". Die Idee der Reichsbürgerschaft reicht aber zumindest bis zur FebruarMärzrevolution 1848 zurück, wie bereits hier dargelegt. Und auch eine in der Verfassung verankerte Reichsbürgerschaft gab es, wie zu sehen war, bereits seit 1913.

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Staatsangeh%C3%B6rigkeit#Rechtspolitische_Geschichte_der_deutschen_Staatsangeh%C3%B6rigkeit

Zitat
Norddeutscher Bund, Deutsches Kaiserreich, Weimarer Republik

Es existierte lange Zeit kein deutscher Nationalstaat und somit auch keine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit. Die einzelnen deutschen Territorialstaaten begannen im 19. Jahrhundert nach französischem Vorbild,[53] Regelungen der Staatsangehörigkeit in ihren Verfassungen zu treffen. Die ersten Regelungen waren die des Königreichs Bayern (1818),[54] Königreichs Württemberg (1819)[55] und des Großherzogtums Hessen (1820).[56] Die Paulskirchenverfassung von 1848 sah vor, dass eine Reichsstaatsangehörigkeit eingeführt werden sollte und ein Reichsgesetz die Bedingungen von Erwerb und Verlust dieser Staatsangehörigkeit bestimmen sollte.[57] Zu einer Anwendung dieser Regelung kam es aber nicht.

Im Norddeutschen Bund, der 1867 in gesamtstaatlichem Sinne zu einem Bundesstaat umgewandelt, der 1870 territorial erweitert und 1871 in Deutsches Reich umbenannt wurde, gab es keine deutsche Staatsangehörigkeit. Vielmehr bestanden die Staatsangehörigkeiten der jeweiligen Gliedstaaten, z. B. die von Preußen, Bayern, Württemberg etc., fort. Mit Gesetz vom 1. Juni 1870 wurde im Norddeutschen Bund eine Bundeszugehörigkeit eingeführt, die über die Staatsangehörigkeit in einem der Teilstaaten des Norddeutschen Bundes vermittelt wurde. Diese Bestimmungen stellten überdies sicher, dass die Regelung der Staatsangehörigkeit in allen Gliedstaaten nach den gleichen Prinzipien (kraft Abstammung oder Naturalisation) erfolgte.[58] Das Gesetz ging auf das Deutsche Reich über und blieb bis Ende 1913 in Kraft.

Das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) vom 22. Juli 1913[59] knüpfte an die gliedstaatliche Staatsangehörigkeit an und galt auch in der Weimarer Republik unverändert weiter.

Die Behauptung, dass die "Reichsbürgerschaft" eine Erfindung der Nazis sein soll, ist also sowohl, was die "Idee" anbelangt und auch, was die rechtliche Situation anbelangt, erwiesenermaßen falsch.
Meiner Meinung nach reiten Reichsdeppn nur deshalb darauf rum, weil sie zum einen faktenresistent sind und zum anderen (und das ist imho der "wichtigste" Grund, weil sie damit "verschleiern" wollen, dass sie dem Nazireich sehr sehr viel näher stehen als dem Deutschen Reich. Nicht umsonst sehnen sie meist das "Reich" in den Grenzen von 1937 herbei.



« Letzte Änderung: 6. März 2018, 11:21:28 von Evil Dude »
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #11 am: 6. März 2018, 12:02:10 »
[...] und zum anderen (und das ist imho der "wichtigste" Grund, weil sie damit "verschleiern" wollen, dass sie dem Nazireich sehr sehr viel näher stehen als dem Deutschen Reich. Nicht umsonst sehnen sie meist das "Reich" in den Grenzen von 1937 herbei.

Na ja, fairerweise muss man hier sagen, ersten hat wohl mittlerweile tatsächlich der Anteil die auf die Grenzen von 1871 bzw. 1914 (zwei Tage vor Ausbruch des WK I.) schwören den Anteil die noch die Grenzen von 37 wollen überholt. Bei letzteren gibts von den bekannteren Gruppen eigentlich nur noch die Staatenlosen und zum Teil das KRD, dass ultimativ aber auch die Grenzen von 1871 zurück haben will. Die 37er Grenzen sind nur ein Schritt dahin. Zweitens wurden die Formel "Deutsches Reich in den Grenzen vom 31. Dezember 1937" noch bis in die 70 Jahre von Bundespolitikern verwendet, da ist es kein Wunder das Ebel das damals übernommen und letztlich auch weitergeben hat. Die Grenzen von 37 haben also nicht unbedingt was mit einer Nähe zum Nazireich zu tun.
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #12 am: 6. März 2018, 17:04:11 »
Na ja, das könnte man ja zumindest "de jure" noch anders sehen, denn bis 1934 war der "Württemberger", "Bayer", "Sachse", "Preuße" etc. zwar (auch) Deutscher, hatte aber nur die "Staatsangehörigkeit" des Bundesstaats. Aber ab 1871 waren alle auch "Bürger" des Deutschen Reichs, ergo "Reichsbürger".

Nein, sie hatten zwei Staatsangehörigkeiten. Sie waren erstens Staatsangehörige ihres Bundesstaates (ab 1919 Landes) und damit zweitens auch Bundesangehörige (seit 1913 "Reichsangehörige"). Das war genau die deutsche Staatsangehörigkeit, die nur anders genannt wurde, um Verwechslungen zu vermeiden. Oder warum hieß das Gesetz "Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz"? Weil es die Reichsangehörigkeit (die deutsche Staatsangehörigkeit) und die Staatsangehörigkeit (der Länder) regelte.

In den Beziehungen zu anderen Ländern zählte nur die deutsche Staatsangehörigkeit. 1913 blieb es bei dem Prinzip, es kam nur noch die unmittelbare Reichsangehörigkeit dazu. Die konnte man Leuten verleihen, die im Ausland (oder in den Kolonien) lebten und bei denen sich beim besten Willen keine Zugehörigkeit zu einem der Bundesstaaten feststellen ließ. Niemand wurde unmittelbarer Reichsangehöriger durch Geburt, nur auf Antrag.

Die Behauptung, dass die "Reichsbürgerschaft" eine Erfindung der Nazis sein soll, ist also sowohl, was die "Idee" anbelangt und auch, was die rechtliche Situation anbelangt, erwiesenermaßen falsch.

Das wiederum stimmt haarscharf.
 
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #13 am: 6. März 2018, 17:30:58 »
Also ich verstehe den oben verlinkten Artikel anders

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Staatsangeh%C3%B6rigkeit#Rechtspolitische_Geschichte_der_deutschen_Staatsangeh%C3%B6rigkeit

Zitat
Norddeutscher Bund, Deutsches Kaiserreich, Weimarer Republik

Es existierte lange Zeit kein deutscher Nationalstaat und somit auch keine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit. Die einzelnen deutschen Territorialstaaten begannen im 19. Jahrhundert nach französischem Vorbild,[53] Regelungen der Staatsangehörigkeit in ihren Verfassungen zu treffen. Die ersten Regelungen waren die des Königreichs Bayern (1818),[54] Königreichs Württemberg (1819)[55] und des Großherzogtums Hessen (1820).[56] Die Paulskirchenverfassung von 1848 sah vor, dass eine Reichsstaatsangehörigkeit eingeführt werden sollte und ein Reichsgesetz die Bedingungen von Erwerb und Verlust dieser Staatsangehörigkeit bestimmen sollte.[57] Zu einer Anwendung dieser Regelung kam es aber nicht.

Im Norddeutschen Bund, der 1867 in gesamtstaatlichem Sinne zu einem Bundesstaat umgewandelt, der 1870 territorial erweitert und 1871 in Deutsches Reich umbenannt wurde, gab es keine deutsche Staatsangehörigkeit. Vielmehr bestanden die Staatsangehörigkeiten der jeweiligen Gliedstaaten, z. B. die von Preußen, Bayern, Württemberg etc., fort. Mit Gesetz vom 1. Juni 1870 wurde im Norddeutschen Bund eine Bundeszugehörigkeit eingeführt, die über die Staatsangehörigkeit in einem der Teilstaaten des Norddeutschen Bundes vermittelt wurde. Diese Bestimmungen stellten überdies sicher, dass die Regelung der Staatsangehörigkeit in allen Gliedstaaten nach den gleichen Prinzipien (kraft Abstammung oder Naturalisation) erfolgte.[58] Das Gesetz ging auf das Deutsche Reich über und blieb bis Ende 1913 in Kraft.

Das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) vom 22. Juli 1913[59] knüpfte an die gliedstaatliche Staatsangehörigkeit an und galt auch in der Weimarer Republik unverändert weiter.

Und in der Verfassung von 1913 wird ja explizit zwischen Deutschen, die Staatsangehörige eines Bundesstaates sind, und Deutschen, die Reichsangehörige sind, unterschieden.

Aber wie auch immer, das was die "Kundschaft" zusammenphantasiert ist erwiesenermaßen Unsinn!

P.S.: Hier noch ein Beispiel eines Staatsangehörigkeitsausweises von 1892, der eine Staatsangehörigkeit als Hamburger belegt und eine Gültigkeit außerhalb des deutschen Reichsgebiet hatte.

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Das stimmt meiner Meinung nach mit dem Wikipedia-Artikel überein.

« Letzte Änderung: 6. März 2018, 17:51:27 von Evil Dude »
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Re: "reichsdeutsch"
« Antwort #14 am: 6. März 2018, 21:15:02 »
Und in der Verfassung von 1913 wird ja explizit zwischen Deutschen, die Staatsangehörige eines Bundesstaates sind, und Deutschen, die Reichsangehörige sind, unterschieden.

Es gibt keine Verfassung von 1913. Du meinst vermutlich das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz. In diesem wird unterschieden zwischen Reichsangehörigen, die das vermittels ihrer Bundesstaatsangehörigkeit waren, und unmittelbaren Reichsangehörigen. Alle aber waren sie Inhaber der deutschen Staatsangehörigkeit (genannt "Reichsangehörigkeit"). Ein Blick ins Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfindung.

P.S.: Hier noch ein Beispiel eines Staatsangehörigkeitsausweises von 1892, der eine Staatsangehörigkeit als Hamburger belegt und eine Gültigkeit außerhalb des deutschen Reichsgebiet hatte.

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Ein solcher "Heimatschein" durfte nur innerhalb Deutschlands verwendet werden, wie ja auch groß draufsteht. Im Ausland war man Deutscher, sonst nichts. Es gab auch keine hamburgischen oder württembergischen Botschaften im Ausland, nur deutsche.
 
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