Autor Thema: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"  (Gelesen 3347 mal)

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Offline Das Chaos

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Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« am: 4. November 2017, 01:16:39 »
Die Berner Zeitung vom 3.11.2017:



Spoiler
Zitat
Unter «Reichsbürgern»

In Schwarzenburg BE trifft sich die Schweizer Reichsbürger-Bewegung. Die Staatsgegner haben bereits in sechs Städten Ableger gegründet.




Michael Scheurer

Dann ist es so weit. Carl-Peter Hofmann betritt den Saal. Er kommt fast eine Stunde zu spät. Der Mittfünfziger ist schweissgebadet. Die achtstündige Autofahrt aus Deutschland ist ihm anzusehen. Draussen ist es dunkel geworden. Bald schlägt es neun Uhr. Ein Freitagabend im September, ein währschaftes Sääli. Getäferte Holzwände, getäferte Decke, ein knarrender Holzboden. Der Gasthof liegt zehn Minuten von Schwar­zenburg entfernt. Den genauen Ort haben die Organisatoren erst kurz zuvor mitgeteilt. Journalisten sind unerwünscht. Die Teilnahme ist deshalb nur unter falscher Identität möglich.*

Hofmann zögert nicht. 30 Zuhörer warten auf ihn, auf das, was er zu sagen hat. Sie sind von überall her gekommen. Aus Basel, Zürich, Solothurn, aus der ­Innerschweiz. Das Thema des heutigen Abends: der «Global Common Law Court», kurz GCLC, ein Fantasiegerichtshof, erfunden von ihm, Hofmann.

Er hat das «internationale Gericht» 2016 in Deutschland mit rund 20 Mitstreitern gegründet. Mittlerweile ist daraus eine Bewegung mit aktiven Gruppierungen in mehreren Ländern Europas entstanden, darunter Österreich und England. Auf den Philippinen steht die Gründung eines Gerichts laut Hofmann unmittelbar bevor. Auch in Süd- und Nordamerika soll es Ableger geben.

Die pädophilen Richter

Der GCLC steht exemplarisch für die Bewegung der sogenannten Reichsbürger. Diese Gruppierungen erkennen souveräne Staaten und ihre Institutionen nicht an. Viele glauben, der Staat sei eine Firma oder ein Verein. Nicht selten rufen Reichsbürger ihre eigenen Staaten oder wie im Fall Hofmann ihr eigenes Gericht aus. Manche haben eine Affinität zu Waffen, wie Fälle in Deutschland zeigen. In Bayern hat ein Reichsbürger im Oktober 2016 einen Polizisten erschossen.

Der Vortrag beginnt. Hofmann, gebürtiger Münchner, redet ohne Skript und ohne roten Faden. Er referiert darüber, wie er mit seinem Gericht künftig die Strafverfolgung «gegen die Verantwortlichen der Presse, der Bank, der Staatsanwältin und des Richters» aufnehmen will. Die Überzahl der Richter und Staatsanwälte sei pädophil. Das habe ihm die «Staatssicherheit» von Bielefeld bestätigt. «Richter sind keine ­Menschen.» Und er sagt: «Die englische Krone hat ein Weltreich geschaffen. Wenn wir aber zusammenarbeiten, besiegen wir es.»

Dann wird es technisch. Hofmann erläutert eigene Wortschöpfungen und Dokumente: «Lebenderklärung», «Bar-Vermutungen». Die Lebenderklärung zum Beispiel ist ein einseitiges Formular. Es soll beweisen, dass der Verfasser ein Mensch aus «Fleisch und Blut» ist. Zum Ausfüllen ist blaue Tinte zu verwenden. «Auf keinen Fall Schwarz, denn Schwarz steht für Tod.» Auf das Papier kommen ausserdem Blut, Speichel und Fingerabdrücke. Hernach muss man sich das Dokument selbst zuschicken, damit «die Bestätigung des Weltpostvereins gegeben ist». Die Sendung werde bei diesem Verein über eine Einschreibenummer «für 120 Jahre angelegt».

Auf das Papier kommen Blut, Speichel und Fingerabdrücke.

Hofmann stellt die siebenseitige Verfassung seines Gerichts vor. Sie enthält 39 Artikel. Artikel 2: «Jeder Mann und/oder jedes Weib, der/die eine öffentliche Position im Global-Common-Law-Court bekleiden, haben ihre Positionen und ihre Namen auf einer oder mehrerer der folgenden Veröffentlichungen gelistet: (. . .) Facebook, Youtube (. . .)»

Artikel 5: «Jede öffentliche Position kann nur durch Wahl erhalten werden. Für diejenigen, die Richter, Treuhänder, Sheriffs, Deputies, Bibliothekare und Sekretärinnen werden wollen oder sind, kommen zu dieser Position nur durch Wahlen aus der lokalen und grösseren Gemeinschaft der Mitglieder des Global-Common-Law-Court.»

Artikel 5a: «Alle für einen und einer für alle.»

Judenhasser und Esoteriker

Drei Wochen später. Gleicher Ort. Samstagnachmittag. Das erneute Zusammentreffen hat sich bereits in den ersten Tagen nach dem Auftritt Hofmanns abgezeichnet. In einem Whatsapp-Chat verständigten sich die Teilnehmenden darauf, auch in der Schweiz ein Gericht nach Hofmanns Gusto zu gründen. Wieder sind 30 Leute anwesend. Darunter gesellt sich wie schon beim ersten Mal ein bekanntes Berner Gesicht: Bruno Moser, der durch aussichtslose Kandidaturen für den Stände- und Regierungsrat in der Vergangenheit für Schlagzeilen sorgte.

Die Frauen sind in der Unterzahl, Männer in den Fünfzigern stellen die Mehrheit. Das zeigt auch eine Untersuchung aus dem deutschen Bundesland Brandenburg, wonach 80 Prozent der polizeibekannten Reichsbürger Männer sind und 20 Prozent Frauen. Das durchschnittliche Alter beträgt laut Bericht 50 Jahre, die meisten dieser Personen sind alleinstehend. Für die Schweiz gibt es dazu keine Untersuchungen. Das Phänomen ist bei den hiesigen Behörden praktisch unbekannt. Der Extremismusexperte Samuel Althof schätzt die Zahl der Reichsbürger in der Schweiz auf unter 100 Personen.

Im Sääli treffen sich die Extreme. Glatzköpfe in Bomberjacken gesellen sich zu Esoterikern mit Rossschwanz und Strickjacke. Ein Metallbauer, ein selbstständiger Swimmingpool-Verkäufer, ein Arbeitsloser, ein Ökonom. Die Mehrheit steht in irgendeiner Weise in Konflikt mit dem Gesetz. Das zeigen die Gespräche mit den Anwesenden.

Dazu vermischt sich Fremdenfeindlichkeit mit Judenhass. «Eine Flut Schwarzer wird von Afrika nach Europa gedrückt», sagt ein Teilnehmer in Sneakers, sportlichem Hemd und Jeans. «Das sind Leute mit einem sehr tiefen IQ.» Dahinter stecke die Jüdin Barbara Lerner Spectre. Der Beweis: ein Youtube-Video.

Reichsbürger-Chat

In der Whatsapp-Unterhaltung zirkulieren viele Videos. Von angeblich psychisch gestörten deutschen Spitzenpolitikern und der Islamisierung Europas. Jemand schreibt: «Bald sieht die Schweiz aus wie Burundi.» Wer sich im Chat zu Wort meldet, setzt einen Doppelpunkt an seinen Vor- und Nachnamen. Reichsbürger geben sich untereinander so zu erkennen.

Am Ende des Nachmittags wird klar: Die Zusammenkunft hat sechs Ableger des «Global Common Law Court» innerhalb der Schweiz hervorgebracht. In den Städten Bern, Basel, Zürich, Aargau, Biel, Solothurn. Als Nächstes soll in St. Gallen eine Gruppe gegründet werden. Eine Person zeichnet pro Region verantwortlich. Biel übernimmt Bruno Moser. Die Verantwortlichen werden Treffen und Aktionen organisieren.

Pläne dazu haben sie reichlich. Gerichtsverhandlungen sollen gestört, Richter verklagt und Staatsanwälte vorgeführt werden.

* Alle Personen, die namentlich oder nicht namentlich im Artikel zitiert oder erwähnt werden, erhielten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Carl-Peter Hofmann hält fest, dass der «Global Common Law Court» eine «völkerrechtliche Körperschaft» und kein Fantasiegericht sei. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 03.11.2017, 19:59 Uhr

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https://www.bernerzeitung.ch/dienste/rss/story/25057856unter-reichsbuergern/story/19896639
In orientalischen und westlichen Schöpfungsmythen ist der Drache ein Sinnbild des Chaos, ein gott- und menschenfeindliches Ungeheuer

Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner Offenb. 12,3
 
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Re: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« Antwort #1 am: 4. November 2017, 08:08:48 »
Ich werde den Eindruck nicht los, der zweite "Reichsbürger" von rechts auf der Karikatur sei direkt unserem Affen David nachempfunden  :clap:

Der Anstoss zu der Recherche soll übrigens von uns gekommen sein  :whistle:

Mit dem "Ökonomen" unter den Teilnehmern könnte übrigens Bruno Moser gemeint sein. Offensichtlich lebt und reichsdeppert er noch, seine Stille auf Facebook muss wohl andere Gründe haben (ist der Internetanschluss zu teuer?)...

Beim "selbständigen Swimmingpoolverkäufer" tippe ich auf André Dürig. Der hat schon die Gründungsurkunde des ICCJV unterschrieben und war mal bei Heino in einem Video zu sehen. "Swimmingpoolverkäufer" klingt etwas abwertend, zumal Dürig naturnahe Pools verkauft, die auf den Bildern recht gut aussehen, und das auch ziemlich erfolgreich. Irgendwie schade, dass so jemand in diese Szene abrutschen muss.
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Re: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« Antwort #2 am: 4. November 2017, 10:46:17 »
Ich möchte nicht für jedes schweizer Presseorgan einen eigenen Thread aufmachen, daher packe ich die mit hier rein:
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Die Weltbilder der «Reichsbürger»
Das Weltbild der sogenannten Reichsbürger zeichnet sich durch eine antidemokratische Haltung und den Glauben an Verschwörungen aus.

Die «Reichsbürger»-Bewegung entstand Mitte der 1980er-Jahre in Deutschland und besteht heute aus einer Vielzahl heterogener Kleinstgruppen. Ihnen gemeinsam ist die Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als souveräner Staat und der Glaube an die Weiterexistenz des Deutschen Reiches. Letzteres wurde bereits in der Nachkriegszeit von Rechtsextremen propagiert, um der BRD die Legitimation zu entziehen. Heute setzt sich das internetbezogene Weltbild der «Reichsbürger»-Szene hauptsächlich aus rechtsextremistischen Ideologien, geschichtsrevisionistischen Mythen und Verschwörungstheorien zusammen. Auch der populäre Popmusiker Xavier Naidoo soll sich laut deutschen Medien zumindest zeitweise im Dunstkreis solcher Theorien getummelt haben. Eine Übersicht.

    Die BRD GmbH Viele «Reichsbürger» behaupten, Deutschland sei in Wirklichkeit kein souveräner Staat, sondern eine GmbH. Die Bürger der BRD sind demnach lediglich ihr Personal – was das Vorhandensein des Personalausweises beweise. Die Bundesrepublik sei somit ein Unternehmen, welches von der Kanzlerin als Geschäftsführerin geführt werde und ihr Personal ausbeute. Damit verbunden ist auch der Glaube, dass es jederzeit möglich ist, aus dieser GmbH auszutreten.
    Das geheime Strohmann-Konto Dahinter steht die Auffassung, dass jeder Mensch aus zwei «Teilen» besteht: dem natürlichen Menschen und der «Person». Letztere wird angeblich durch die Geburtsurkunde kreiert und ist Eigentum des Staates. Nur diese Person – der «Strohmann» – ist den Gesetzen unterworfen. Ausserdem existiere für jeden Menschen ab Geburt eine Art Aktienpaket der juristischen Person, das «Strohmann-Konto». Viele «Reichsbürger» glauben, dass sie auf dieses fiktive Konto einen Anspruch haben.

Deutschland: Noch immer besetzt

Verbreitet ist in der Szene ferner die Annahme, Deutschland sei immer noch von den Alliierten besetzt. Der Staat sei demnach nicht souverän, einzig die «Besatzungsmacht» könne Gesetze erlassen und durchsetzen. Auch aus der historischen Tatsache, dass nach dem Zweiten Weltkrieg kein Friedensvertrag in Kraft trat, leiten «Reichsbürger» die angeblich fehlende Legitimation der Bundesrepublik ab. Sie gründen stattdessen Fantasiegebilde wie die «Kommissarische Reichsregierung» oder die rechtsextreme (fiktive) «Exilregierung Deutsches Reich».

    Der Dritte Weltkrieg Viele «Reichsbürger» glauben an den unmittelbar bevorstehenden Untergang entweder der eigenen Kultur, etwa durch «Migration als Waffe», oder der gesamten Welt, beispielsweise durch den Ausbruch des Dritten Weltkriegs. Dazu gehört meist die Vorstellung von einer letzten finalen Schlacht zwischen Gut und Böse, auf die man sich vorbereiten müsse. Auch der bayrische» Reichsbürger» Wolfgang P. war ein sogenannter Vorbereiter. In seinem Keller bunkerte er Tausende Liter Diesel, Lebensmittel und Wasservorräte.
    Chemtrails In diesen Kreisen ist ebenfalls die Vermutung gängig, dass die Kondensstreifen der Flugzeuge giftige Chemikalien versprühen. Diese «Chemtrails» sollen daran erkennbar sein, dass sie länger am Himmel bestehen als «normale» Kondensstreifen. Dunkle Mächte sollen damit wahlweise das Klima manipulieren, Gedanken kontrollieren oder die Weltbevölkerung mit Giftstoffen reduzieren.
    Lügenpresse Der Begriff bezeichnete im Ersten Weltkrieg in Deutschland die Presse der Feindstaaten. Heute wird er vor allem verwendet, um den Glauben auszudrücken, alle etablierten Medien seien gleichgeschaltet und von der Politik gesteuert, die damit die nichts ahnende Bevölkerung manipuliere. Auch gebräuchlich sind die Begriffe «Systemmedien» oder «Judenpresse». Nicht zur «Lügenpresse» gezählt wird der von Russland finanzierte TV-Sender Russia Today (RT).
    Die Neue Weltordnung (NWO) Das NWO-Konstrukt ist der grosse, alles umfassende Verschwörungsmythos: die weltweite Verschwörung einer geheim agierenden Elite (Juden, Bankiersfamilien wie die Rothschilds, Bilderberger, Illuminaten usw.), welche die Menschheit durch das Errichten einer totalitären Weltregierung unterwerfen will. Alle Ereignisse des Weltgeschehens sind demnach Teil eines Masterplans und werden verschwörungstheoretisch gedeutet. Dazu gehören alle grösseren Terroranschläge wie 9/11, Kriege, Flüchtlingskrisen oder die Reform des Bildungswesens. Verschwörungsfantasien

(Der Bund)

Erstellt: 04.11.2017, 07:55 Uhr
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https://www.derbund.ch/bern/kanton/die-weltbilder-der-reichsbuerger/story/31959431

Spoiler
«Sie können mit unseren Geschichtsbüchern nichts anfangen»
Reichsbürger sind keine homogene Gruppe. Sie hätten aber Berührungspunkte mit Rechtsextremen und Verschwörungstheorien, sagt Experte Samuel Althof.

Herr Althof, wer sind die «Reichsbürger» eigentlich?
Es ist eine sehr kleine und heterogene Szene. Was die «Reichsbürger» eint, ist ihre Weigerung, den Staat in seiner Struktur nach 1945 zu akzeptieren. Insbesondere die Justiz wird von ihnen abgelehnt. Deutsche «Reichsbürger» glauben ausserdem, dass das Deutsche Reich von vor dem Zweiten Weltkrieg in Tat und Wahrheit noch existiert.

«Reichsbürger» erkennen also souveräne Staaten nicht an. Machen sich solche Personen dadurch strafbar?
Sich als «Reichsbürger» zu bezeichnen oder den Staat nicht anzuerkennen, ist per se nicht strafbar. So kann ich straffrei behaupten, ich sei der Mann vom Mond. Zum Problem wird es, wenn dadurch eine konkrete Gesetzesübertretung entsteht. Typischerweise passiert dies, wenn staatliche Forderungen an solche Personen gestellt werden. Zum Beispiel eine Busse, eine Steuererklärung oder eine Terminaufforderung. Das lehnen sie dann ab und sagen, der Staat habe die Legitimation nicht, solche Forderungen zu stellen, da es den Staat nicht gebe. In diesen Situationen kann es zu Straftatbeständen und Rechtsstreitigkeiten kommen.

Wie kommt ein Mensch dazu, als «Reichsbürger» aktiv zu werden?
Viele «Reichsbürger» haben eine Affinität zu Verschwörungstheorien. Diese sind unter «Reichsbürgern» verbreitet.

Wie kommt es zu dieser Affinität?
Diese Personen sind ausserstande, grundlegende Fragen ihres Lebens realitätsbezogen zu beantworten. Sie können mit unseren Geschichtsbüchern nichts anfangen. Sie stellen sich gegen die internationalen Nachkriegsverträge wie auch gegen die Erkenntnisse historischer Forschung. Diese Leute bauen sich ihre eigenen Realitäten. Das gibt ihnen eine Schein-Sicherheit, die sich in ihrer Widersprüchlichkeit jedoch letztlich selbst destabilisiert. Diese Verschwörungstheorien werfen bloss weitere Fragen auf, die wiederum nicht beantwortet werden können und die mit weiteren Verschwörungstheorien «beantwortet» werden sollen. Ein Teufelskreis.

Das hört sich sektenartig an. Besteht die Gefahr, dass Jugendliche in die Fänge von charismatischen «Reichsbürger»-Führerfiguren geraten können?
Es gibt einige Personen in der Szene, die in der Tat gerne einen Guru-Status hätten. Aber eine stabile Gefolgschaft ist in dem Umfeld schwierig zu entwickeln. Damit geht die Gefahr gegen null, dass sich viele Jugendliche «Reichsbürger»-Bewegungen anschliessen. Zumal man viel lesen und sich Theorien aneignen muss.

«Reichsbürger» seien Neonazis und Rechtsextreme. Diese Bild wird gerne kolportiert. Stimmt das?
Die Reichsbürger haben eine Sonderrolle innerhalb der rechtsextremen Szene. Sie werden von Rechtsextremen eher als komische und politisch «unpraktische» Figuren angesehen. Zwar haben «Reichsbürger» und Rechtsextreme immer wieder Berührungspunkte. Aber eigentlich funktionieren sie nicht zusammen. Denn die NPD in Deutschland oder die rechtsextreme Pnos in der Schweiz akzeptieren den Staat. «Reichsbürger» tun das nicht.

Die meisten «Reichsbürger» scheinen Probleme mit der Justiz zu haben. Versuchen sie mit dem «Reichsbürgertum», Problemen zu entfliehen?
Das funktioniert genau umgekehrt. Die «Reichsbürger» lassen sich von Anfang an auf einen erfolglosen Machtkampf mit der Justiz ein. Sie ziehen die Verfahren ad absurdum durch alle Instanzen. Dies kostet den Staat dann sehr viel Geld. (Der Bund)

Erstellt: 04.11.2017, 07:57 Uhr
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https://www.derbund.ch/bern/kanton/sie-koennen-mit-unseren-geschichtsbuechern-nichts-anfangen/story/19992527

Spoiler
Die Verschwörer von Schwarzenburg
Die Bewegung der Reichsbürger wächst auch in der Schweiz. An geheimen Treffen in der Region Bern haben sie kürzlich Ableger in sechs Schweizer Städten ins Leben gerufen.

Dann ist es so weit. Carl-Peter Hofmann betritt den Saal. Er kommt fast eine Stunde zu spät. Der Mittfünfziger ist schweissgebadet. Die achtstündige Autofahrt aus Deutschland ist ihm anzusehen.

Draussen ist es dunkel geworden. Bald schlägt es neun Uhr. Ein Freitagabend im September, ein währschaftes Säli. Getäferte Holzwände, getäferte Decke, ein knarrender Holzboden. Der Gasthof liegt zehn Minuten von Schwarzenburg entfernt. Den genauen Ort haben die Organisatoren erst kurz zuvor mitgeteilt. Medien sind unerwünscht. Die Teilnahme des Journalisten ist deshalb nur unter falscher Identität möglich.

Hofmann zögert nicht. 30 Zuhörer warten auf ihn, auf das, was er zu sagen hat. Sie sind von weit her gekommen. Aus Basel, Zürich, Solothurn, aus der Innerschweiz. Das Thema des heutigen Abends: der «Global Common Law Court», kurz GCLC, ein Fantasiegerichtshof, erfunden von ihm, Hofmann.

Er hat das «internationale Gericht» 2016 in Deutschland mit rund 20 Mitstreitern gegründet. Mittlerweile ist daraus eine Bewegung mit aktiven Gruppierungen in mehreren Ländern Europas entstanden, darunter Österreich und England. Auf den Philippinen steht die Gründung eines Gerichts laut Hofmann unmittelbar bevor. Auch in Süd- und Nordamerika soll es Ableger geben.

Der GCLC steht exemplarisch für die Bewegung der sogenannten «Reichsbürger». Diese Gruppierungen erkennen souveräne Staaten und ihre Institutionen nicht an. Viele glauben, der Staat sei eine Firma oder ein Verein. Nicht selten rufen «Reichsbürger» ihre eigenen Staaten oder wie im Fall Hofmann ihr eigenes Gericht aus. Manche haben eine Affinität zu Waffen, wie Fälle in Deutschland zeigen (siehe Co-Text rechts).

Die pädophilen Richter

Der Vortrag beginnt. Hofmann, gebürtiger Münchner, redet ohne Skript und ohne roten Faden. Er referiert darüber, wie er mit seinem Gericht künftig die Strafverfolgung «gegen die Verantwortlichen der Presse, der Bank, der Staatsanwältin und des Richters» aufnehmen will. Die Überzahl der Richter und Staatsanwälte seien pädophil. Das habe ihm die «Staatssicherheit» von Bielefeld bestätigt. «Richter sind keine Menschen.» Und er sagt: «Die englische Krone hat ein Weltreich geschaffen. Wenn wir aber zusammenarbeiten, besiegen wir es.»

Dann wird es technisch. Hofmann erläutert eigene Wortschöpfungen und Dokumente: «Lebenderklärung», «Affidavit», «Bar-Vermutungen». Die Lebenderklärung zum Beispiel ist ein einseitiges Formular. Es soll beweisen, dass der Verfasser ein Mensch aus «Fleisch und Blut» ist. Zum Ausfüllen ist blaue Tinte zu verwenden. «Auf keinen Fall Schwarz, denn Schwarz steht für Tod.» Auf das Papier kommen ausserdem Blut, Speichel und Fingerabdrücke. Hernach muss man sich das Dokument selbst zuschicken, damit «die Bestätigung des Weltpostvereins gegeben ist». Die Sendung werde bei diesem Verein über eine Einschreibenummer «für 120 Jahre angelegt».

Hofmann stellt die siebenseitige Verfassung seines Gerichts vor. Sie enthält 39 Artikel. Artikel 2: «Jeder Mann und/oder jedes Weib, der/die eine öffentliche Position im Global Common Law Court bekleiden, haben ihre Positionen und ihre Namen auf einer oder mehrerer der folgenden Veröffentlichungen gelistet: […] Facebook, Youtube […].» Artikel 5: «Jede öffentliche Position kann nur durch Wahl erhalten werden. Diejenigen, die Richter, Treuhänder, Sheriffs, Deputies, Bibliothekare und Sekretärinnen werden wollen oder sind, kommen zu dieser Position nur durch Wahlen aus der lokalen und grösseren Gemeinschaft der Mitglieder des Global Common Law Court.» Artikel 5a: «Alle für einen und einer für alle.»

Judenhass und linke Esoteriker

Drei Wochen später. Gleicher Ort. Samstagnachmittag. Das erneute Zusammentreffen hat sich bereits in den ersten Tagen nach dem Auftritt Hofmanns abgezeichnet. In einem Whatsapp-Chat verständigten sich die Teilnehmenden darauf, auch in der Schweiz ein Gericht nach Hofmanns Gusto zu gründen.

Wieder sind 30 Leute anwesend. Darunter gesellt sich wie schon beim ersten Mal ein bekanntes Berner Gesicht: Bruno Moser, der durch aussichtslose Kandidaturen für den Stände- und Regierungsrat in der Vergangenheit für Schlagzeilen sorgte. Die Frauen sind in der Unterzahl, Männer in den Fünfzigern stellen die Mehrheit. Das zeigt auch eine Untersuchung aus Brandenburg, wonach 80 Prozent der polizeibekannten «Reichsbürger» Männer sind und nur 20 Prozent Frauen. Das Durchschnittsalter beträgt laut Bericht 50 Jahre, die meisten dieser Personen sind alleinstehend. Für die Schweiz gibt es dazu keine Untersuchungen. Das Phänomen «Reichsbürger» ist bei den hiesigen Behörden praktisch unbekannt (siehe Co-Text rechts).

Die Bewegung soll wachsen

Im Säli treffen sich die Extreme. Glatzköpfe in Bomberjacken gesellen sich zu linken Esoterikern mit Rossschwanz und Strickjacke. Ein Metallbauer, ein selbstständiger Swimmingpool-Verkäufer, ein Arbeitsloser, ein Ökonom. Die Mehrheit steht in irgendeiner Weise in Konflikt mit dem Gesetz. Das zeigen die Gespräche mit den Anwesenden.

Dazu vermischt sich Fremdenfeindlichkeit mit Judenhass. «Eine Flut Schwarzer wird von Afrika nach Europa gedrückt», sagt ein Teilnehmer in Sneakers, sportlichem Hemd und Jeans. «Das sind Leute mit einem sehr tiefen IQ.» Dahinter stecke die Jüdin Barbara Lerner Spectre. Sie ist die Gründerin des Europäischen Instituts für Jüdische Studien in Stockholm. Der Beweis für die Behauptung: ein Youtube-Video. In der Whatsapp-Unterhaltung zirkulieren viele Videos. Von angeblich psychisch gestörten deutschen Spitzenpolitikern und der Islamisierung Europas. Jemand schreibt: «Bald sieht die Schweiz aus wie Burundi.» Wer sich im Chat zu Wort meldet, setzt einen Doppelpunkt an seinen Vor- und Nachnamen. «Reichsbürger» geben sich untereinander so zu erkennen.

Am Ende des Nachmittags wird klar: Die Zusammenkunft hat sechs Ableger des «Global Common Law Courts» innerhalb der Schweiz hervorgebracht. In den Städten Bern, Basel, Zürich, Aargau, Biel, Solothurn. Als Nächstes soll in St. Gallen eine Gruppe gegründet werden. Eine Person zeichnet pro Region verantwortlich. Biel übernimmt Bruno Moser. Die Verantwortlichen werden künftige Treffen und Aktionen organisieren. Pläne dazu haben sie reichlich. Gerichtsverhandlungen sollen gestört, Richter verklagt und Staatsanwälte vorgeführt werden. (Der Bund)

Erstellt: 04.11.2017, 07:50 Uhr
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https://www.derbund.ch/bern/kanton/die-verschwoerer-von-schwarzenburg/story/17812085
________________

Dann noch der Bericht in der Berner Zeitung an anderer Stelle
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Reichsbuerger-gruenden-Ableger-in-der-Schweiz/story/19896639
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Re: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« Antwort #3 am: 4. November 2017, 11:05:13 »
Wahrlich eine mediale Breitseite gegen die Reichsdepperei im Lande. Dabei haben wir nicht mal ne wirklich ernstzunehmende Deppenszene  ;D
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Re: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« Antwort #4 am: 6. November 2017, 11:56:37 »
Wahrlich eine mediale Breitseite gegen die Reichsdepperei im Lande. Dabei haben wir nicht mal ne wirklich ernstzunehmende Deppenszene  ;D

Das haben die Behörden in der GmbH bis vor kurzem auch geglaubt!  :whistle:
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Re: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« Antwort #5 am: 6. November 2017, 12:23:59 »
Wahrlich eine mediale Breitseite gegen die Reichsdepperei im Lande. Dabei haben wir nicht mal ne wirklich ernstzunehmende Deppenszene  ;D

Das haben die Behörden in der GmbH bis vor kurzem auch geglaubt!  :whistle:

Mag sein. Aber durch frühzeitige Medienberichterstattung, Aufklärung und Sensibilisierung können wir in der Schweiz erreichen, dass eben nicht weggesehen wird, bis die Deppen sich so wie in Österreich breit machen. (Österreich ist in diesem Zusammenhang besser mit der Schweiz vergleichbar.)
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Re: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« Antwort #6 am: 6. November 2017, 14:21:21 »
"Wehret den Anfängen!", pflegt man bei uns zu sagen.
Immerhin haben wir jetzt zu Händen von Schweizer Behörden usw. einen gut recherchierten Übersichtsartikel, auf den wir mittels Link verweisen können. Das ist gewiss hilfreich.
"Vom Meister lernen heißt verlieren lernen." (hair mess über Peter F., auf Bewährung entlassenen Strafgefangenen )
 
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Re: Berner Zeitung: "Unter Reichsbürgern"
« Antwort #7 am: 11. November 2017, 21:35:26 »
Mag sein. Aber durch frühzeitige Medienberichterstattung, Aufklärung und Sensibilisierung können wir in der Schweiz erreichen, dass eben nicht weggesehen wird, bis die Deppen sich so wie in Österreich breit machen. (Österreich ist in diesem Zusammenhang besser mit der Schweiz vergleichbar.)

Also den Österreichern würde ich nicht den Vorwurf machen, den Schuß nicht gehört zu haben. Zum einen sind die Politiker dort durchaus so einsichtig, nicht ihre eigenen Beamten das Lehrgeld zahlen zu lassen. Zum anderen sind auch die Strafverfolgungsbehörden hinterher, was man im Umgang mit Moni und ihrer Gefolgschaft gut verfolgen konnte.