Autor Thema: Lebenderklärung / Cestui que Vie Act  (Gelesen 7855 mal)

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Offline aargks

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Lebenderklärung / Cestui que Vie Act
« am: 4. November 2016, 11:42:12 »
Da in letzter Zeit die Lebenderklärung bei unserer Kundschaft schwer in Mode ist, habe ich ein wenig darüber recherchiert. Man findet leider kaum etwas zu diesem Komplex, aber die Reichslebenden berufen sich auf den "Cestui Que Vie Act", den das englische Parlament im Jahr 1666 beschlossen hat. (https://en.wikipedia.org/wiki/Cestui_que_Vie_Act_1666)

Hier der gesamte Text (herrlich olles Englisch): http://www.legislation.gov.uk/aep/Cha2/18-19/11?timeline=true&view=extent

Der Inhalt besagt, dass wer nach sieben Jahren kein Lebenszeichen von sich gegeben hat, als tot erklärt werden kann:
Zitat
If such person or persons [...] shall remaine beyond the Seas or elsewhere absent themselves in this Realme by the space of seaven yeares together [...] the person or persons upon whose life or lives such Estate depended shall be accounted as naturally dead

Es geht dabei wohl vor allem um die Rechte von Verpächtern (lessors) und Erben (revisioners) - wahrscheinlich, aber das ist meine Mutmaßung, denn es steht so nicht explizit drin, damit man Grund neu verpachten bzw. das Erbe einstreichen kann.

Denn:
Zitat
it hath often happened that such person or persons for whose life or lives such Estates have beene granted have gone beyond the Seas or soe absented themselves for many yeares

Aber: Wenn der Tote beweisen kann, dass er lebt, wird alles zurückgenommen.
Zitat
If the supposed dead Man prove to be alive, then the Title is revested

Jetzt frage ich mich: Wie kommen die Reichsdeppen darauf, mit Lebenderklärungen um sich zu werfen und sich auf den Cestui Que Vie Act zu berufen? (Okay, das war eine rhetorische Frage, bei unseren Kunden wundert mich nur noch wenig). Denn erstens galt der Cestui Que Vie Act nur in England und Wales. Und zweitens hat der Act heute keinerlei Bedeutung mehr, sagt wenigsten legislation.gov (s.o.). Wenn auch der Miniartikel der englischen Wikipedia behauptet, dass er bis Ende 2010 teilweise in Kraft gewesen sei (kann jemand das recherchieren? Ich komme da nicht weiter).

Aber zum Glück habe ich eine Website gefunden mit Ausführliche Rechtliche Darstellung der zusammengfaseltem Stuss zur Lebenderklärung (https://prometheusmalta.wordpress.com/eine-seite/)
Daraus:
Zitat
Es ist daher auch für einen rechtlich Toten nicht möglich, eine irgendwie geartete Lebenderklärung abzugeben
Mh, nein, denn genau das sieht der Cestui Que Vie Act vor (s.o.)
Zitat
Es fand also eine simple Beweislastumkehr statt dergestalt, dass seit 1666 im angelsächsischen Recht gilt, dass sämtliche Rechte (auch Eigentum) der Krone gehört, die es für den Eigentümer treuhänderisch verwaltet solange, bis der Eigentümer eine Lebenderklärung abgibt. Eine solche Lebenderklärung ist alle 7 Jahre abzugeben, da sonst die Rechte wieder an die Treuhand zurück fallen
Mh, nein (s.o)
Zitat
Da ein in einem Standesamt mit Namen eingetragener Mensch, wenn er sich nicht alle 7 Jahre als lebend erklärt, juristisch tot ist, kann er auch keine Lebenderklärungen [...] mehr abgeben
Mh, nein (s.o.)
Zitat
Da wir uns [...] im angelsächsischen Rechtskreis befinden
Mh, nein: https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtskreis#Deutscher_Rechtskreis

Der Zusammenhang mit dem Handelsrecht, den der Schreiberling noch zusammenstammelt, erschließt sich mir nicht, auch nicht, welchen Vorteil ich von der Lebenerklärung habe oder wie ich mich damit der deutschen Rechtssprechung entziehe - denn das ist es ja, worauf es den Reichis ankommt.

Fazit: Unsere deutschen Reichsbürger berufen sich auf ein 350 Jahre altes Gesetz für Wales und England, das nicht mehr gilt. Und sie geben eine nicht notwendige Erklärung ab, da sie offensichtlich keine sieben Jahre verschollen waren und niemand sie für tot erklärt hat. So weit, so dämlich, hier sind wir an sowas gewöhnt.

Nun sind diese Lebenderklärungen ja mit Unterschriften nach dem Motto "Dödel aus dem Hause Habenichts" unterzeichnet und immer mit Fingerabdruck versehen (einer hat sogar ne Haarprobe als DNA-Nachweis aufgeklebt). Und an dieser Stelle habe ich aus psychohygienischen Gründen die Recherche aufgegeben. Aber hier sind ja genügend Schlafschafe, die das eventuell aufklären können. Vielleicht bekommen wir dann einen schönen Wiki-Artikel zusammen.




 
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